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Clubhouse: Live-Podcasting mit Teilhabefunktion – nur leider nicht für alle

Clubhouse hat jetzt auch in Deutschland richtig Fahrt aufgenommen. Inklusiv ist die Audio-Chat-App jedoch nicht. Darum geht es den Gründern allerdings auch nicht, meint eine Startup- und Diversity-Expertin.

4 Min. Lesezeit
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Der Diskurs auf Clubhouse findet live und audio-basiert statt. (Foto: fizkes/shutterstock)

Das Lokalradio verlost Invites, auf Ebay werden die Einladungen für 15 Euro das Stück gehandelt. Die Rede ist von Clubhouse, der neuen, exklusiven Audio-Chat-App aus dem Silicon Valley. Wer drin ist, kann in Räumen mit Größen aus Wirtschaft, Tech, Musik- und Startup-Szene und mittlerweile auch Politik zu allen möglichen Themen diskutieren. Eine Podcasting-App mit Teilhabe-Möglichkeit quasi. Doch ist das wirklich cool? Julia Kuemper beschäftigt sich mit Startups, Diversity und Chancengleichheit. Sie sagt: nein.

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US-Twitter twittert schon seit etwa einem Dreivierteljahr über Invite-Links, Exklusivität und persönliche Erfahrungen mit der App. In Deutschland hat Clubhouse erst in den vergangenen zwei Wochen richtig Fahrt aufgenommen. Der Catch: Das Live-Audioformat suggeriert Nähe zu ansonsten unerreichbaren Personen, die App bietet neue Möglichkeiten zum Netzwerken und macht es, weil sie so neu ist, noch vergleichsweise einfach, sich als Experte oder Expertin zu einem bestimmten Thema zu positionieren. Aufgrund der noch vorhandenen gefühlten Exklusivität entsteht das Gefühl, Teil einer In-Crowd zu sein.

Nicht zugänglich für alle

Auf der anderen Seite bedeutet dies jedoch auch vor allem eines: nicht zugänglich für alle. Und das liegt nicht nur an der künstlichen Verknappung durch die Invite-Struktur oder daran, dass es Clubhouse bislang nur für iOS gibt. Anders als Podcasting funktioniert Clubhouse ausschließlich live. Wer an einem Diskurs teilhaben will, muss genau dann auch die Zeit zum Zuhören und Mitreden aufbringen können. „Diese Zeit haben vor allem Leute, die keine Kinder haben, keine sonstige Care-Arbeit leisten oder Menschen, die die Plattform während der Arbeitszeit nutzen können“, sagt Kuemper. Auf anderen Plattformen kann sich auch ein Standing erarbeiten, wer nicht ständig Präsenz zeigt. Einmal abgesetzt, verbreiten sich Tweets und Facebook-Postings auch, ohne dass deren Verfasser ständig online ist.

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Gehörlose und hörgeschädigte Menschen können Clubhouse überhaupt nicht nutzen. Wer nicht sprechen kann, kann zwar zuhören, jedoch nicht aktiv partizipieren. Es gibt keine Möglichkeit, Gespräche aufzuzeichnen, um sie zum Beispiel über eine Transkriptionssoftware für diese Menschen zugänglich zu machen. Auch introvertierte Menschen, die nicht gerne vor Publikum sprechen, sind irgendwie raus.

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Accessibility – oder Barrierefreiheit – ist längst kein Nischenthema mehr. Bei UX-Designern und Frontend-Entwicklerinnen herrscht durchaus ein Bewusstsein dafür, Seo-Experten haben das Thema auf dem Zettel und es gibt Studiengänge, die sich aus verschiedenen Perspektiven damit befassen. Informationsangebote von Behörden und anderen öffentlichen Stellen müssen in Deutschland laut Gesetz bestimmten Mindestanforderungen genügen.

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Möglichst schnell zum Einhorn

Kurz: Dass die Plattform diese Schwierigkeiten hat, kann kaum daran liegen, dass diese Aspekte übersehen wurden. „Clubhouse ist für bestimmte Gruppen inaccessible by Design und das vermutlich mit voller Absicht.“ Sonderlösungen würden zugunsten einer schnelleren Skalierung oft nicht berücksichtigt, so die Expertin.

Die Gründer hinter Clubhouse, Paul Davidson und Rohan Seth, sind beide bekannte Tech-Größen aus dem Silicon Valley. Das gängige Narrativ der Techie-Underdogs, die zu zweit ein  Projekt auf die Beine stellen, lässt sich an dieser Stelle nicht bemühen. Beide verfügen über viel Erfahrung mit Social-Media-Plattformen und dürften um die genannten Probleme wissen. Hinter Clubhouse steht nicht die Geschichte vom idealistischen Gründerkollektiv, das mit seinem innovativen Produkt bestehende Verhältnisse verändern will. Im Gegenteil. „Clubhouse war von Anfang an hauptsächlich darauf ausgerichtet, möglichst schnell zum Einhorn zu werden“, sagt Kuemper.

„Die Kosten sollen möglichst gering gehalten werden“

Kurz nach Gründung hat Clubhouse laut Forbes eine Finanzierung von zwölf Millionen Dollar von der bekannten Investmentfirma Andreessen Horowitz erhalten. Kurze Zeit später lag die Bewertung des Startups bereits bei knapp 100 Millionen Dollar. Laut der Datenbank Crunchbase operiert die Plattform bislang immer noch mit nur einem bis zehn Mitarbeitenden – wie aktuell diese Zahlen sind, ist allerdings unklar. Laut Kuemper passt das aber durchaus ins Bild: „Die Kosten sollen möglichst gering gehalten werden, bei einem möglichst hohen Return on Investment.“ Funktionierende Mechanismen wie künstliche Verknappung der Teilhabe und das Auslösen eines von dieser Exklusivität und Fomo befeuerten Hypes sollen dafür sorgen, dass die App möglichst schnell wächst.

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Der Diskurs um Clubhouse findet auf Clubhouse statt

„Sogenannte Soft beziehungsweise Blended Values fallen bei einer solchen Ausrichtung leider hinten runter“, sagt die Expertin. Das schade am Ende nicht nur denen, die nicht teilhaben können, sondern der ganzen Gesellschaft. Besonders absurd findet die Diversity-Expertin, dass der Diskurs um Clubhouse in weiten Teilen auf Clubhouse selbst stattfindet – also innerhalb des noch vergleichsweise exklusiven Zirkels von Menschen, die bisher Zugang dazu haben. Sie habe sich geärgert, dass einige Diskussionsteilnehmer tatsächlich die Ansicht äußerten, es handele sich bei Clubhouse um „öffentlichen Raum“. Sie nimmt die App bislang eher als Raum wahr, der ganze Gruppen von Menschen qua Design und Geschäftsmodell ausschließt und anderen – jenen, die sowieso schon laut, sichtbar und hörbar sind – eine weitere Plattform gibt.

Immer noch in der Beta-Phase

Grundsätzlich bleibt abzuwarten, was aus Clubhouse wird. Momentan befindet sich die App immer noch in der Beta-Phase (Version 0.1.24). Es wird sich zeigen, ob die Öffnung für eine breitere Öffentlichkeit dazu führen wird, dass Clubhouse seinen Reiz verliert. Ob die prominenten Stammgäste flüchten werden, wenn die Exklusivität weiter abnimmt. Mit dem im Dezember gestarteten Creator’s Program will Clubhouse sogenannten Power-Usern Anreize bieten, langfristig mit der Plattform zu planen. Glaubt man der eigenen US-Twitter-Bubble, ist der Hype in anderen Teilen der Welt aber bereits merklich abgeflacht.

Die Frage ist auch, ob wir post-Pandemie, wenn wir wieder bedenken- und maskenlos das Haus verlassen und uns täglich mit beliebig vielen Menschen persönlich treffen können, das Interesse daran verlieren werden, auf einer Audio-App mit Fremden abzuhängen. Denkbar, dass bestehende Probleme, nicht nur was die Accessibility, sondern auch was den Datenschutz oder das Thema Content-Moderation angeht, mit der Zeit behoben werden – möglicherweise um den Preis, dass sich dann das Nutzererlebnis weniger einzigartig anfühlen wird. Zudem sind bereits Alternativen in Arbeit. Twitter testet momentan ein Audio-Chat-Feature: Spaces.

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4 Kommentare
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Dein t3n-Team

Peter

‚Gehörlose und hörgeschädigte Menschen können Clubhouse überhaupt nicht nutzen.‘
Jetzt wirklich? Das wirft die Diversity-Expertin einer Audio-only-App vor? Zum Glück für sämtliche Radiostationen hat sie deren Content noch nicht auf Diversity untersucht …

Antworten
Gustav

Wayne… Begrenzter Zugang, Medien springen auf Hype ist da…

Warten wir es mal ab was die Plattform bringt in 1-2 Jahren.

Antworten
Rachel

Danke für diesen Artikel. Leider sind die Aussagen von der genannten „Expertin“ sehr schwammig. Hat Julia Kuemper Belege für Ihre Aussagen? Was sind die Quellen? Es gibt viele Apps, die zunächst nur für iOS programmiert werden und später für Android. Das machen auch große Unternehmen, was der „Expertin“ sicherlich bekannt sein sollte. Laut Clubhouse-Gründer ist eine Android-Version geplant… Um die Server nicht zu überlasten, ist der Zugang limitiert. Ich habe eher den Eindruck, dass sich jemand hier als „Expertin“ positionieren will, die keine Quellen für ihre Aussagen hat und eine App schlecht macht, weil es gerade angesagt ist diese negativ darzustellen. Julia Kuemper selbst folgt 111 Personen auf Clubhouse. Dann kann die App doch nicht so schlecht sein, oder? Wir haben jedenfalls hier in der Startup-Szene in Berlin von einer Julia Kuemper noch nie etwas gehört. Und was macht sie im Bereich Diversity? Unsere Recherchen haben leider nichts ergeben und auch Kolleginnen aus unserem Diversity-Netzwerk kennen sie nicht.

Antworten
Kathrin Stoll

Danke für deinen Kommentar. Es ging absolut nicht darum, eine App schlecht zu machen, weil sie gerade angesagt ist, sondern darum, aufzuzeigen, an welchen Stellen es eben bislang hakt. Gewisse Probleme zu sehen, schließt nicht aus, persönlich ein tolles Nutzererlebnis mit der App zu haben.

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