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Glosse

Cohns fabelhafte digitale Welt oder: Hat das Facebook-Geschäftsmodell noch Zukunft?

Oder wie der Multimilliardär Mark Zuckerberg wegen des Urteils des Europäischen Gerichtshofes beleidigt schmollt und die Europäer aus seinem Sandkasten schmeißen will.

Von William Cohn
3 Min.
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(Bild: t3n)

Darf ich Ihnen, verehrte Leserin, verehrter Leser, eine persönliche Frage stellen? Wenn Sie Ihr analoges Leben mal ehrlich und objektiv betrachten, wie wichtig, welche Bedeutung hat für Ihr seelisches und geistiges Wohlergehen das Bild eines Mittagessens – die unerfreulichen Details dieses Bildes lassen wir jetzt mal außen vor – eines „Freundes“ respektive einer „Freundin“, die Sie seit vermutlich einigen Jahren gar nicht mehr oder vielleicht persönlich überhaupt noch nicht gesehen haben?

Bitte beantworten Sie sich diese Frage doch einmal ganz ehrlich und ohne dabei zu flunkern auf einer Skala von 0 bis 10 – null für „überhaupt nicht“ und zehn für „außerordentlich“.

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Ich gestehe offen, ich liege bei -10.

Es sei denn, es wäre eine persönliche Information damit verknüpft, die mein Leben und meine Wahrnehmung des Absenders erfreulich bereichern würde.

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Und weil nun nicht nur der Europäische Gerichtshof, sondern auch die irische Datenschutzaufsichtsbehörde Facebook untersagt haben, die in Europa auf bekannt grenzwertige, um nicht zu sagen unlautere, ich erinnere hier an die, durch das iOS 14 aufgedeckte, von Facebook dann als „Systemfehler“ bezeichnete Überwachung der iPhone-User durch deren Handykamera Weise erworbenen Daten direkt und ungebremst nach Amerika zu exportieren, sieht Facebook keine Chance mehr, den europäischen Markt zu bedienen.

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Wie viel also „verdient“ Facebook an den in Europa eingesammelten, um nicht zu sagen „geklauten“ Daten?

Bestimmt beachtlich viel, denn wie allenthalben zu hören ist, übersteige das wirtschaftliche Volumen der „Datenwirtschaft“ jenes der Ölindustrie inzwischen bei weitem.

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Oder würde sonst Yvonne Cunnane, eine Juristin bei Facebook, auf Seite 21 ihres Schreibens an die irische Datenschutzaufsichtsbehörde nölen (Zitat): Es „ist für den Antragsteller angesichts dieser Umstände nicht klar, wie er seine Dienste, unter anderem Facebook und Instagram, weiter in der EU betreiben soll.“ Also frei nach dem Motto: „Wenn ich nicht kriege, was ich will, dann spiele ich nicht mehr mit dir!“

Wobei man sich fragen muss, wie viel sind den amerikanischen „Geheim“-Diensten und ihren Kunden die europäischen Daten tatsächlich wert? Zumindest im Moment hat sich ja die bekannte zum chinesischen Militär gehörenden Datenfirma Shenzhen Zhenhua Data Technology offenbar noch nicht für Europa interessiert, Australien scheint ihnen wichtiger gewesen zu sein. Sollten wir Europäer das nicht als Beleidigung empfinden? Wo bleibt denn unsere Selbstwertüberschätzung?

Ich frage mich also, sollten wir es vielleicht Facebook leichter machen, sich aus Europa zurückzuziehen, indem wir uns nach anderen Möglichkeiten umsehen, unsere Mitmenschen mit dem Foto unserer missratenen Pizza zu belästigen? Gibt es nicht inzwischen eine ganze Reihe sozialer Netzwerke, die zumindest im Moment versprechen, dass sie mit unseren Daten sensibler umgehen? Bis der nächste Skandal auffliegen lässt, dass uns diese Anbieter ebenfalls belogen haben.

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Von chinesischen und russischen Netzwerkern sollten wir uns jedoch aus bekannten Gründen vielleicht doch besser fernhalten. Die beherrschen die Spionage sogar im Schlaf respektive in vodkainduzierter Bewusstlosigkeit.


Wobei man sich angesichts der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen fragen muss, ob es überhaupt noch in Sachen Kommunikation einen seriösen, will sagen, aufrichtigen und ehrlichen Anbieter geben kann. Hier sind Zweifel nicht nur erlaubt, sie sind das Gebot der Stunde.

Seither quält mich die brennende Frage: Wie lange wollen wir es eigentlich noch zulassen, dass uns andere, uns vollkommen unbekannte Dritte als kostenlose Datenkuh missbrauchen und die von uns gemolkenen Daten für ein sündhaft teures Geld in alle Welt verhökern? Schließlich müssen Kühe ja auch gefüttert werden und das scheinen die Datengierschlünde eiskalt vergessen zu haben. Die schlechten Bilder mieser Pizzen reichen dafür nun wirklich nicht aus. Oder halten Sie, geneigte Leserin, geneigter Leser die Möglichkeit, ungenießbare Nahrungsaufnahmebilder zu posten, als Dankeschön für „sich-mit-Ihren-intimsten-Daten-eine-goldene-Nase-verdienen“ für eine angemessene Vergütung?

Immerhin ist Facebook aus genau diesem Grund heute rund 500.000.000.000 Euro, also immerhin vorsichtige 62 Euro pro Erdenbürger, respektive ca. 185 Euro pro Facebook-User wert. Und das nur, weil Sie und ich ununterbrochen kostenlos unsere Daten verspritzen? Was würde also Facebook ohne die europäischen Daten verlieren? Wahrscheinlich nicht so viel, bleiben ja doch noch vier bevölkerungsreichere Kontinente!

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Ist vielleicht doch der handgeschriebene Brief mit beigelegten Fotos die sicherere Zukunft überschaubarer und mit menschlichem Maß erlebbarer sozialer Netzwerke, frage ich mich. Ich für meinen Teil ziehe diesen analogen Weg der ungebremsten digitalen Datenverschleuderung inzwischen deutlich vor.

Und die Freude beim Empfänger eines solchen Briefes ist erfahrungsgemäß deutlich höher als bei einer ubiquitären digitalen Nachricht.

In diesem Sinne fröhliches Postkarten- und Briefeschreiben!

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P. S. Ich liebe edles Briefpapier und einen dicken Füllfederhalter mit dunkelblauer Tinte

Was unsere fabelhafte digitale Welt sonst noch an Überraschungen für William Cohn bereithält, lest ihr hier.

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