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Cohns fabelhafte digitale Welt oder: Dank der neuen KI bei MSN werden wir bald wissen, dass wir im Paradies leben

Am 4. Juni erschütterte ein Beben der Stärke neun auf der nach oben offenen Wahnwitzskala die internationale Medienwelt. Microsoft verlautbarte, dass 77 Journalisten und Redakteure bei MSN ihren Job verlören und durch KI ersetzt werden würden.

Von William Cohn
4 Min. Lesezeit
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(Bild: t3n)

Die nicht unspannenden Um- und Zustände dieses Vorganges, nachzulesen hier und hier erinnern in ihrer Rücksichts- und Stillosigkeit an einen zum One-Night-Stand missglückten Beziehungsversuch mit anschließendem Ghosting. Will sagen, nachdem der Auftraggeber, also Microsoft, bekommen hatte, was er wollte, brach er kommentarlos und ohne sich jemals wieder zu melden den Kontakt und die Beziehung zu dem auftragnehmenden journalistischen Unternehmen, das die künstliche Intelligenz geschult hatte, ab. Kennen Sie das vielleicht auch von dieser besonderen Spezies von Kollegen? Die im ganzen Haus Rat und Ideen sammelt und diese dann beim Chef als ihre eigenen präsentiert, während sie ihre großzügigerweise ratgespendet habenden Kollegen bewusst ziemlich blöd dastehen lässt?

Der ICE in der Kinderstube

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Seither frage ich mich, wer ist hier eigentlich mit dem Intercity Express durch seine Kinderstube gerauscht? Waren das die Häuptlinge von Microsoft persönlich? Dann wäre das nicht weiter erstaunlich, der hemdsärmelige Stil dieses Unternehmens ist landläufig mit Schrecken bekannt, oder war das schon die neue KI selber? Dann hat sie damit bereits zum Besten gegeben, wie schlecht „erzogen“ sie ist.

Und wie trösten wir jetzt die arbeitslos gewordenen Redakteure und Journalisten von C3, die so eifrig mitgeholfen haben, die KI von MSN zu schulen? Ich bin nicht ganz sicher, ob die alte Volksmundweisheit „nur die allerdümmsten Kälber suchen ihren Metzger selber“ wirklich hilfreich ist.

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In der Podcast-Diskussionsrunde der Lufthansa Group zum Abschluss des Projektes Backup hatte ich das Vergnügen, mit den hochkarätigen Spezialisten für künstliche Intelligenz, Marie-Luise Menzel und Ivan P. Yamshchikov über die Zukunft und die Entwicklung von KI zu diskutieren. Auf meine Frage, wozu man denn so unglaublich viel Geld in die Entwicklung künstlicher anstatt in die Bildung natürlicher Intelligenz investiere, erhielt ich unter anderem die erleuchtende Antwort, es gebe noch genügend körperlich überfordernde und geistig eintönige Berufe, in denen durch den Computer respektive den Roboter die Arbeit des Menschen erleichtert werden würde. Als Beispiel wurde vor allem der Pflegebereich, besonders das Versenken und Herausheben seniler, bewegungsunfähiger und übergewichtiger Alter in respektive aus der Badewanne, angeführt.

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Der Roboter in der Badewanne

Dass es dafür schon längst geeignete und von unkünstlicher Intelligenz bediente Vorrichtungen gibt, war den KI-Spezialisten offenbar entgangen. Vor allem stelle ich es mir im wahrsten Sinne des Wortes besonders prickelnd vor, wenn der elektrische/elektronische Roboter jemanden in die Badewanne hebt. Wenn man Pech hat und bei mangelhafter Isolierung, war es möglicherweise der beiderseitig letzte Versuch. Andererseits soll KI ja lernfähig sein, spätestens nach dem 400. funktionsunfähig gewordenen Senior weiß sie dann, dass Wasser und Elektrizität eventuell keine gute Kombination sind und stellt die Badeversuche, sehr zum Bedauern der Rentenversicherung, ein.

Journalismus durch KI zu ersetzen, wurde in der Diskussion jedoch nie erwähnt. Unter den genannten Kriterien „körperlich überfordernd“ und „geistig eintönig“ jedoch eine naheliegende Wahl.

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Andererseits muss man das doch verstehen! Bei dem Hungerlohn, den heute ein freier Journalist pro Zeile verdient, kann ein verantwortlicher Chefredakteur selbst bei MSN morgens doch gar nicht mehr ohne schamhaft zu erröten in den Spiegel schauen, (Achtung: Wortspiel!), da ist es doch nur nachvollziehbar, wenn jene vor lauter Mitleid diese Redakteure durch KI ersetzen! KI verhungert nicht, streikt nicht, schläft nicht und hat keine Arbeitszeiten, sie ist rund um die Uhr bei ihrem Job. Ein bisserl Strom verbraucht sie halt, aber das kann man hier, bei dem entstehenden Gewinn, herzlich gerne vernachlässigen. Und die Journalisten können endlich in einem anderen, ordentlichen und seriösen Beruf richtig gutes Geld verdienen.

Das Brot und das Lied

Außerdem, strategisch betrachtet ist es die vollkommen richtige Vorgehensweise: Wer die Medien beherrscht, hält die Macht in Händen. Und um wie viel leichter mag es sein, einen Computer mit Künstlicher Ignoranz auf Linie zu programmieren als 77 intelligente, selbstständig denkende und, Gott behüte, kritische Journalisten auf die Firmenideologie einzuschwören. Selbst wenn immer noch gilt: „Wess Brot ich ess, des Lied ich sing …“ (auf Rheinisch: „wem sing Brud ich ess, dem sing Leed ich sing!“).

Vor allem, wenn dieser künstliche Irrsinn auch noch die Lizenz zum Löschen hat, will sagen so programmiert ist, vom Menschen vorgenommene Korrekturen rückgängig zu machen oder ganz zu entfernen!

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Vor allem frage ich mich: Wie zynisch ist es eigentlich, bei einer lohn- und brotsuchenden Weltbevölkerung von über 7.500.000.000 Menschen deren Jobs mit KI und Robotern ersatzlos wegzurationalisieren?

Außerdem, ich weiß ja nicht, wie es Ihnen, verehrte Leserin, verehrter Leser, damit geht, wenn Sie nur Nachrichten serviert bekommen, von denen ein programmierter Blechtrottel der Auffassung ist, dass Sie das jetzt zu interessieren hat und Sie das zu mögen haben?
Ich für meinen Teil überlasse in Zukunft das Lesen solcher News liebend gerne irgendeiner KI und schöpfe nur noch aus Quellen, die von einem tatsächlich lebendigen Menschen für mich überprüft und bereitgestellt wurden.

Was unsere fabelhafte digitale Welt sonst noch an Überraschungen für William Cohn bereithält, lest ihr hier.

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Dein t3n-Team

Johannes

Danke für Ihren Beitrag, ist schon verrückt, dass das Thema so wenig Aufmerksamkeit erhalten hat!

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