Content-Marketing: 20 Tipps fürs bessere Erklärvideos
Anfänge wie diesen gibt es millionenfach auf Youtube. Die Rede ist von Erklärvideos. Mehr oder weniger kurzen Filmchen, die einen komplexen Sachverhalt verständlich machen sollen. In den meisten Fällen handelt es sich um gezeichnete Bildinhalte mit kleineren Animationen, die vor allem davon leben, dass der Voice-Over-Kommentar das Geschehnis erläutert. Bei Software, Apps oder Websites gilt eine Ausnahme. Sie werden meistens durch Screencasts erklärt. Der Erzähler demonstriert also das Live-Interface.
Natürlich sollte man sich vor einem solchen Video-Projekt (Produktionskosten pro Film zwischen 1.000 und 3.000 Euro) Gedanken machen, ob man wirklich einen Film braucht. Aber in den meisten Fällen wird man einen sinnvollen Einsatzbereich finden, denn Videos sprechen nun einmal andere Sinne an, als Texte. Und sie sind dieser Tage auch extrem relevant fürs Sharing und für die Google-Suche. Besonders relevant sind Erklärvideos, wenn man etwas ganz Neues erläutert. Das ist der Grund, warum eigentlich jedes Startup auf Kickstarter oder Indiegogo ein solches Filmchen hat.
Die ersten Erklärvideos tauchten bereits ab 2007 im Netz auf. Eines der bemerkenswertesten stammt vom Dollar Shave Club, dem Rasierer-Abodienst. Es wurde 2012 veröffentlicht. Und es verdient heute noch, dass man es sich zum Vorbild nimmt. Das Video ist unterhaltsam, witzig, selbstironisch, bringt die wichtigen Fakten rüber und grenzt das Unternehmen zum Wettbewerb ab. Damit ist eigentlich schon alles gesagt, aber wir fassen das einmal in diesen 20 Tipps zusammen.
So geht Erklärvideo
- Pain-Point am Anfang: Ein starker Einstieg ist zwingend nötig, um die Aufmerksamkeit der Nutzer zu bekommen. Wenn man ein Problem anspricht, dass die Zielgruppe hat, dann wird die Erwartungshaltung aufgebaut, dass das Video eine Lösung hat. Ein gutes Beispiel dafür ist das Erklärvideo von Slack. Es beginnt mit tristem Alltagsgrau und führt dann in eine bunte Zukunft der internen Kommunikation.
- Format und Länge sind kein Kriterium: Es gibt rund ein Dutzend verschiedener Videostile, vom gezeichneten Whiteboard bis zur vollwertigen 3D-Animation. Alles hat seine Berechtigung und sollte vor allem zum erklärten Produkt und zur Zielgruppe passen. Das Gleiche gilt für die Länge. Üblich sind Filme zwischen einer und drei Minuten, aber es gibt auch sehr viel längere Erklärfilme.
- Die 6 E: Benutzt die folgenden Kriterien als Checkliste, um herauszufinden, ob euer Storyboard das Wichtigste berücksichtigt. Erklärvideos sind: erklärend, emotional, einfach, haben ein Thema, gehen effizient mit der Zeit des Users um und ermutigen ihn zu einer Handlung.
- Erklärvideos B2B: Die Bewegtbildvariante der Händlerschulung. Die Perspektive wechselt aus der Sicht des Endkunden in die des B2B-Kunden. Aber Vorsicht: Solche Videos sollten im internen Gebrauch bleiben. Bei der Eröffnung des digitalen Karstadt-Stores in Düsseldorf tauchten die erklärenden Videos der Agentur auf Youtube auf, und darin wurde vor allem erläutert, wie die Digitalisierung dem Händler nutzt. Ein gefundenes Fressen für die Presse.
- Erklärvideos für die interne Kommunikation: In Großkonzernen ist das längst an der Tagesordnung. Der Vorteil: Die interne Kommunikation kann mit Interna und Fachbegriffen arbeiten, ohne sie neu erklären zu müssen. Merck Pharma begleitete eine Roadshow zur Veränderung der Marke mit Bewegtbild. Der Multikonzern CWS informierte seine Mitarbeiter mit Erklärvideos über die Digitalisierungsstrategie. „Mit den Comicstrips haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht, weil wir in der Lage waren, auch hochkomplexe Inhalte wie die Marketing-Automation relativ einfach unserer internen Zielgruppe zu erläutern“, erklärt Chief Digital Officer Adriana Nuneva.
- Das Service-Erklärvideo: Wer sagt, dass solche Videos nur vor einem Kauf relevant sind? Um Kundenbindung zu erzeugen oder einer Retoure vorzubeugen, kann man dem Käufer eines Produktes auch im Film erklären, wie er einen Schrank aufbaut, eine Fahrradschaltung pflegt oder einen Bluetooth-Speaker zum ersten Mal einsetzt.
- FAQ als Video: Natürlich kann ein Erklärvideo auch den Support entlasten, wenn immer wieder die gleichen Fragen auf das Unternehmen zukommen. Hier wäre flankierender Text wertvoll, um diese Fragen auch bei der Google-Suche abzubilden und auf das Video zu verweisen. Ein gutes Beispiel hierfür ist, wie Mailchimp die Integration mit Facebook erklärt.
- Starten mit dem Vorwissen der User. Drei Komponenten sind entscheidend: Kennen die User das Produkt oder die Marke? Dann könnt ihr Basisinformationen weglassen und euch auf das Neue konzentrieren. Kennen die User die Produktgattung, aber euer Angebot nicht? Dann solltet ihr euch darauf fokussieren, warum euer Produkt besser ist. Gibt es so etwas bisher gar nicht? Die schwierigste Aufgabe. Beginnt beim Problem, das euer Produkt löst, vergesst aber nicht zu unterstreichen, warum ihr als Hersteller oder Händler das Vertrauen der User verdient habt.
- Animation von links nach rechts: Das entspricht der europäischen Leserichtung. Von links wird begonnen, der Abgang nach rechts symbolisiert das Ende. Das ist natürlich nicht in Stein gemeißelt, aber hilft dem Betrachter, sich einzufinden. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Erklärvideo von Mint, einer Software zum Finanzmanagement.
- Stil-Purismus muss nicht sein: Wir alle haben viele Erklärvideos gesehen und deshalb bieten nur wenige der individuellen Stile von Stop-Motion bis Whiteboard-Stil per se Neues. Martin Nitsche, Autor das Buches „Erklärvideos“ schlägt vor, doch Mal Stile zu mischen, wie es KLM zum Beispiel in diesem Video aus dem Jahr 2015 macht.
- Quadratisch funktioniert universell: Angesichts weiter steigender Zahlen von mobilen Zugriffen auf Websites, muss das Format für Mobile und Desktop funktionieren. Das gilt vor allem dann, wenn eine Kurzversion im Social-Media-Feed angezeigt werden soll, egal, ob organisch oder als Ad. Auf einer dezidierten Landeseite funktioniert dagegen ein 16:9-Format. Das lässt sich im Handy als Vollbild darstellen.
- Text im Bild: Wenn Nutzer das Video unterwegs oder im Büro abrufen, ist der Ton meistens ausgeschaltet. Die Lösung dafür lautet Text im Bild. Zumindest die wichtigsten Stichworte sollten als Text eingeblendet werden.
- Das Storyboard entscheidet über Sieg oder Niederlage. Versetzt euch in die Zielgruppe und testet die Story, bevor ihr in die teure Produktion einsteigt. Zu banal ist genauso schlecht wie zu kompliziert. Aber trocken ist definitiv schlechter als unterhaltsam. Nur albern sollte das Video nicht sein.
- Neugier und Spannungsbogen: Orientiert euch an zwei Vorbildern. Für das Erwecken von Neugier in den ersten Sekunden haben sich Formate wie Cliffhanger bewährt, bei denen die Story nur angedeutet wird. Solche Ansätze findet man häufig bei skippable Ads auf Youtube. Legendär zum Beispiel die Videoserie „Unskippable“ von Geiko. In Sachen Spannungsbogen orientiert euch an klassischen Konzepten wie der Heldenreise: Ausgangsproblem, Widerstand, externe Hilfe (euer Produkt), Kampf gegen den Drachen, glückliche Heimkehr. Martin Nitsche hat zu seinem Buch eine Checkliste fürs Briefing publiziert.
- Nicht sparen beim Voice-Over: Kleiner Fehler in der Animation oder im Design lassen sich verschmerzen. Ein schlechter Sprecher und eine unangenehme Stimme machen das Video definitiv kaputt.
- Langsamer sprechen als man möchte. Ein gängiger Fehler: Für den Speaker fühlt sich Zeit länger an, als für den Zuhörer. Und daher tendiert man als Speaker immer dazu, zu schnell zu sprechen.
- Auch der Ton macht den Unterschied: Es gibt so viele Varianten für Voice-Overs wie für die Animation selbst. Je nach Zielgruppe kann man Mundart sprechen (lassen), man kann bewusst oberlehrerhaft sprechen oder sarkastisch. Und man kann Versmaße benutzen wie zum Beispiel Limericks oder im Stile eines Poetry-Slammers, wie in diesem Video.
- Erklärvideo-Tools wie Videoscribe, Doodly oder Powtoon funktionieren wunderbar, wenn alles andere stimmt. Aus der Box geht wenig. Die Story, die Assets, die Musik und das Voice-Over muss man dann eben selbst machen und häufig sind die Standardanimationen (eine Hand zeichnet auf ein Whiteboard) qualitativ mäßig. Aber zum Ausprobieren taugen die Tools immer.
- Seeding: Für t3n-Leser eine Selbstverständlichkeit. Das fertige Video wird überall rausgehauen, wo die Menschen Bewegtbild schauen. Doch manchmal werden ein paar Möglichkeiten vergessen, zum Beispiel im Advertising. Legendär ist die unbestätigte Story von Dropbox, deren Erklärvideo 2010 die Conversionrate der Anzeigen so stark steigerte, dass die Mehrumsätze die Kosten für die Herstellung um das Tausendfache überstiegen haben sollen.
- Don’t forget E-Mail: Zum Schluss noch ein besonderer Tipp von Martin Nitsche, der im „Nebenberuf“ Präsident des Deutschen Dialogmarketingverbands ist. „Allein der Begriff Video in der Betreffzeile steigert die Öffnungsrate um 19 Prozent“. Idealerweise ist dann natürlich auch ein Video drin oder mindestens ein Link zu einem.
Erklärvideos sind nicht neu, aber nach wie vor ein sehr spannendes Werkzeug, um komplexe Inhalte einfach darzustellen. Und der Trend zu immer mehr Videokonsum ist ungebrochen. Inzwischen beträgt der Video-Traffic 80 Prozent des gesamten Netzverkehrs und nur 15 Prozent aller Unternehmen verwenden noch kein Video im Marketing.
Sehr guter Artikel – der mir als Experte und Insider aus der Seele spricht. Nur ein Punkt gibt mir ein wenig Rätsel auf, wie kommt man bitte auf Produktionskosten von 1 bis 3K? Jedes der sehr, sehr gut ausgewählten Beispiele dürfte ein 10 bis 30faches dessen gekostet haben.
Video ist leider ein extrem aufwändiges Medium, da hier bei einem Customprojekt eine Vielzahl von verschiedenen kreativen Gewerken (Konzeption, Designentwicklung, Illustration, Dreh, Animation, Sounddesign, Sprache, Projektmanagement..usw.)beteiligt sind und ideal zusammenspielen müssen.
Selbermachen ist für ein Top-Video keine Option – wie bei vielen anderen Dingen auch. Professionelle Arbeit hat ihren Preis aber macht einfach den Unterschied, wie all die tollen Videosbeipiele zeigen!