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Corona-Warn-App ist da: Darf der Arbeitgeber die Nutzung anordnen?

Die Corona-Warn-App ist da. Kann der Arbeitgeber die Installation anordnen und eine unternehmensweite Pflicht ausrufen? Eine Rechtsexpertin sieht das kritisch. Sie erklärt, warum.

5 Min. Lesezeit
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Kann der Arbeitgeber die Corona-App anordnen? (Foto: dpa)

Die Coronakrise hat die Welt weiterhin fest im Griff. Während tiefgreifende Maßnahmen zur Senkung des Infektionsrisikos hierzulande erste Erfolge verzeichnet haben, wird aktuell daran gearbeitet, das gesellschaftliche Leben wieder zu normalisieren. Die Bundes- und Länderregierungen haben erste Schritte auf dem Weg raus aus der Coronakrise bekannt gegeben. Auch zum Infektionsschutz im Arbeitsleben wurden Regelungen beschlossen. Wo immer es möglich sei, sollten Berufstätige beispielsweise weiter von zu Hause aus arbeiten, betont Arbeitsminister Hubertus Heil. Dabei sei jedoch größte Vorsicht geboten, damit die Infektionszahlen nicht wieder steigen. „Wer in diesen besonderen Zeiten arbeitet, braucht auch besonderen Schutz“, so der SPD-Politiker in einer Pressemitteilung seines Ministeriums.

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Auch andere Bundes- und Landesministerien suchen konstruktive Lösungen. Eine hitzige Debatte dreht sich um die sogenannte Corona-App. Geht es nach dem Bundesgesundheitsminister, könnte sie ein fester Bestandteil einer Exit-Strategie sein. „Wir werden es dem Virus möglichst schwermachen müssen“, sagte Jens Spahn auf der Bühne der Staatskanzlei Saarbrücken. Es gehe um eine neue Balance im Alltag mit dem Coronavirus, bei dem die Infektionszahlen so niedrig blieben, dass sie das Gesundheitssystem nicht überlasten. Das sogenannte Corona-Tracing, also das nachträgliche – und möglichst anonyme – Aufspüren und Informieren möglicher Kontaktpersonen positiv getesteter Covid-19-Patienten, gilt als effektive Möglichkeit der Eindämmung der Pandemie – sofern möglichst viele Menschen mitmachen und die App auf ihren Smartphones installieren.

Kann der Arbeitgeber die Corona-App anordnen?

Die Bundesregierung betont dabei, dass die Nutzung einer App freiwillig bleiben soll. Das hat auch einen guten Grund, denn es gibt kein Gesetz, das die Bundes- oder Landesregierungen ermächtigen könnte, Menschen dazu zu zwingen, eine Anwendung zu installieren. Eine andere Frage, die im Raum steht, dreht sich um das Weisungsrecht des Arbeitgebers. Kann er die Nutzung einer möglichen Corona-App anordnen, um beispielsweise aus Fürsorgepflicht das Infektionsrisiko in der Belegschaft zu minimieren? „Dem Arbeitgeber steht zwar ein Weisungsrecht gegenüber seinen Mitarbeitern zu. Das ist aber zunächst auf den betrieblichen Bereich beschränkt, wohingegen das Privatleben grundsätzlich seinen Weisungen entzogen ist“, erklärt Catharina Klumpp, Partnerin bei Bird & Bird und Expertin für kollektives Arbeitsrecht, im t3n-Gespräch.

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Eine einseitige Anordnung zur Nutzung einer Corona-App sieht sie mit immensen rechtlichen Bedenken. „Einen wirklichen Nutzen kann eine solche Anwendung allenfalls bieten, wenn nicht nur das berufliche, sondern auch das Freizeitverhalten erfasst wird“, so Klumpp. Das stelle jedoch per se einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dar, der nur in extremen Fällen vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt sein kann. Die Frage der generellen Zulässigkeit einer solchen Weisung setze eine umfassende Interessenabwägung voraus. Dabei geht es um das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, das Grundrecht des Arbeitgebers auf unternehmerische Freiheit und die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, die Gesundheit seiner Arbeitnehmenden zu schützen, erklärt Klumpp gegenüber t3n weiter.

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Keine Pflicht, die eigene Gesundheit zu schützen

Die Installation einer Corona-App lässt sich nur schwer anordnen. (Foto: Shutterstock)

Grundsätzlich haben Beschäftigte keine Pflicht gegenüber dem Arbeitgeber, ihre eigene Gesundheit zu schützen und ihre Arbeitskraft zu erhalten. So entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch bei der Ausübung von Risikosportarten – beispielsweise Skifahren oder Drachenfliegen – nicht pflichtwidrig verhalten. Aus Sicht des Arbeitgebers könnten sich legitime Interessen und Pflichten also nur auf den Erhalt der Arbeitsfähigkeit des übrigen Teams und den Gesundheitsschutz gegenüber Geschäftspartnern und Kunden beziehen. Zudem würde sich die Frage nach der Erforderlichkeit stellen. Die läge laut Klumpp vor allem dann vor, wenn keine andere geeignete Maßnahme zur Verfügung steht, um den angestrebten Zweck zu erreichen. „Die Notwendigkeit der Nutzung der App dürfte von Betrieb zu Betrieb zudem unterschiedlich sein“, fügt die Rechtsexpertin hinzu.

Könne ein ausreichender Abstand zwischen den Mitarbeitenden gewährleistet werden und haben sie keinen Kundenkontakt, so genügt es unter Umständen, darauf hinzuweisen, die Abstände konsequent einzuhalten, erklärt Klumpp. Dann würde sich die Anordnung einer Corona-App-Installation verbieten. In Berufsfeldern, in denen Kontakt unvermeidbar ist und das Wissen um eine mögliche Infektion essenziell für den Schutz der Patienten ist, könne eine Anordnung sinnvoll sein – etwa in einem Pflegeheim. Jedoch nur, wenn keine andere geeignete Maßnahme greifen würde, so die Juristin. „Von vornherein ausgeschlossen sein dürfte, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmenden verpflichtet, eine Corona-App auf seinem privaten Smartphone zu installieren.“ Neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers wäre auch sein grundrechtlich geschütztes Eigentumsrecht angegriffen.

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Mehr zum Thema: „Coronapandemie: Jetzt bringt die WHO eine eigene Covid-App“

Grundsätzlich wird die Abwägung auch wesentlich von der Eingriffsintensität der App und von den Prüfmaßnahmen des Arbeitgebers abhängen, erklärt Klumpp: Speichert sie GPS- oder werden Bluetooth-Daten genutzt? Lagern die Daten auf einem zentralen Server oder – wie von vielen Experten gefordert – auf dem Smartphone? Werden die Daten ausreichend anonymisiert? Erhält der Arbeitgeber eine automatische Nachricht beziehungsweise kann er Meldungen einsehen? Oder beschränkt sich die Anweisung auf eine Installationspflicht und der Arbeitnehmer ist lediglich verpflichtet, Auskunft über eine positive Meldung zu geben? Außerdem wird die Frage der betrieblichen Notwendigkeit eine Rolle spielen: Lässt sich durch die Anordnung eine Schließung des Betriebes vermeiden? „Je eingriffsärmer sich die Maßnahme erweist und je höher das Interesse des Arbeitgebers an der Information ist, desto eher lässt sich eine Weisung rechtfertigen“, so die Rechtsexpertin.

Corona-App: Von einer Anordnung wäre abzuraten

Betrachte man zusammenfassend die tatsächlichen und rechtlichen Hürden, die mit der Anordnung einer Corona-App-Nutzung einhergehen, sei im Ergebnis von einer solchen Weisung eher abzuraten, betont Catharina Klumpp im t3n-Gespräch abschließend. Zwar könne im Einzelfall die Interessenabwägung durchaus zugunsten des Arbeitgebers ausfallen. Vielfach würde die Weisung aber mangels ausreichender Kontrollmöglichkeit ins Leere laufen. Denn selbst wenn der Arbeitgeber allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterin entsprechende Geräte inklusive der installierten App zur Verfügung stellen würde, kann er weder anordnen noch überprüfen, dass das Team die Geräte auch tatsächlich in der Freizeit ständig bei sich führt. „In diesem Fall wäre dem Ziel der Verbesserung des Gesundheitsschutzes nur bedingt gedient“, erklärt die Rechtsexpertin. Die Bereitschaft des Einzelnen bleibt also maßgeblich.

Übrigens, auch dieser Beitrag könnte dich interessieren: Seit Wochen wird über die Corona-Warn-App diskutiert – und noch immer sind viele unschlüssig, wie die Software zu bewerten ist. Wir haben die wichtigsten Punkte zusammengefasst. Lies auch: „Die Corona-Warn-App ist da: Was sie kann und wie sie funktioniert

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konradema

Die App zur Verpflichtung zu machen ist unsinnig, nicht jeder hat ein Smartphone.

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