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Die Coronakrise ist auch eine Grundrechtskrise

Der neue Wirkstoff gegen das Coronavirus sind: deine Daten. Mögliche Nebenwirkungen: ein drückendes Gefühl in der Gegend der Privatsphäre.

Von Jan Vollmer
3 Min. Lesezeit
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Gegen das Virus heiligt der Zweck die Mittel – und Behörden greifen auf die Daten der Bürger zu.  (Foto: dpa)

Im Kampf gegen das Coronavirus wird gerade ein neuer Wirkstoff ausprobiert: deine Daten.

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Der erste Staat, der die Bewegungsprofile, Kontakte und andere Daten aus den Smartphones der Menschen als Mittel gegen das Coronavirus einsetzte, war China. Das Virus ist dort zuerst aufgetreten. Die Behörden haben dort aber auch problemlosen Durchgriff auf die Daten der Bürger.

Gegen Corona setzt China auf totale Überwachung

Ehe es sich die Bürger in der Provinz Hubei versahen, konnten sie nicht mehr aus dem Haus gehen, U-Bahn fahren oder einkaufen, ohne nicht einen QR-Code in einer App vorzuzeigen. Ein QR-Code, der je nach Bewegungsprofil grün, gelb oder rot leuchtete. Damit die Datenbank aktuell bleibt, mussten Chinesinnen und Chinesen auch ständig neue QR-Codes mit der App scannen – und somit ihre Standorte ständig weiter an die Behörden melden. Neben Desinfektionsmittel und Fieberthermometern setzt China gegen Corona auf die totale Überwachung.

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Israel wertet Handy-Datenbanken aus

Die Kommunistische Partei ist aber nicht die einzige, die die Gunst der Stunde erkannt hat, den Bürgern die neue Medizin schmackhaft zu machen: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat den Inlandsgeheimdienst Shin Bet angewiesen, über Mobilfunkdaten Bewegungsprofile von Coronavirus-Patienten zu erstellen – und direkt die zu identifizieren, die Kontakt mit ihnen hatten. Bisher war gar nicht klar, dass der israelische Geheimdienst überhaupt die nötigen Daten dazu hatte. Praktisch, dass der israelische Cyberwaffen-Hersteller NSO-Group gleich das richtige Analyse-Tool zur Hand hat.

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„Wir kontrollieren euch über eure Handydaten“

Aber nicht nur Chinas Kommunistische Partei oder Israels Benjamin Netanjahu nutzen die Chance, um die ein oder andere rote Linie in Sachen Datenschutz zu überschreiten: „Bleibt zu Hause! Wir kontrollieren euch über die Handydaten“, rief Giulio Gallera, der Gesundheitsminister der norditalienischen Region Lombardei, den Italienern zu.

Den italienischen Behörden gelingt dabei ein interessanter Spagat: Einerseits behaupten sie, die Daten seien „in vollkommen anonymisierter Weise“ erhoben und ausgewertet worden. Andererseits haben sie bei der „vollkommen anonymisierten Auswertung“ festgestellt, dass sich 60 Prozent der überwachten Handynutzer nicht weiter als 300 Meter von ihrer Meldeadresse entfernt haben. Mir ist nicht klar, wie man „vollkommen anonym“ Meldeadresse, Handynummer und Standort abgleicht – aber okay.

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Auch Österreichs Krisen-Kanzler Kurz hat mittlerweile Zugriff auf die Bewegungsprofile von Österreichs größtem Mobilfunkanbieter A1. Immerhin nicht für Einzelpersonen, sondern nur für Gruppen ab 20 Menschen. Während die Sprecherin von A1 behauptet, es sei alles „datenschutzrechtlich konform, telekommunikationsgesetzeskonform und auch vom Tüv datenschutzrechtlich geprüft“, sind sich Datenschützer da nicht so sicher.

So eine Krise schafft eben jede Menge Präzedenzfälle. In aller Regel spielen sie denen in die Karten, die immer schon mehr Überwachung wollten. Und weil die österreichischen Behörden gerade schon dabei waren, haben sie den Telekomanbietern gleich noch angeboten, die Netzneutralität auszusetzen, sollte das Netz an seine Grenzen stoßen: Netzneutralität ist das Gebot, dass Telekomanbieter in ihren Netzen alle Inhalte gleich behandeln müssen und nicht zum Beispiel solche Inhalte schneller machen dürfen, mit denen sie selbst Geld verdienen.

Auch in Deutschland hat die Telekom Daten der Nutzer weitergegeben: immerhin nicht direkt an Geheimdienste, sondern an das Robert-Koch-Institut (RKI). Allerdings hat man recht schnell festgestellt, dass die Daten der Funkzellenabfrage – also die Standortdaten der Netzbetreiber – viel zu ungenau sind, um damit irgendetwas Sinnvolles in Sachen Corona anzustellen. Seit ungefähr drei Wochen überlegt jetzt ein 25-köpfiges Komitee aus zwölf verschiedenen Institutionen, wie man dem Virus mit einem Infektionstracker zu Leibe rücken könnte.

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Bleibt nur zu hoffen, dass das RKI und die deutschen Behörden in Sachen Virus-Daten einem Vorschlag aus dem Vereinigten Königreich folgen: Dort wird auch an einem Virustracker gearbeitet, der im Gegensatz zu China und Israel auf freiwillig weitergegebenen Daten von Infizierten basiert. Dann bleiben in Zeiten der Kontaktverbote und Ausgangssperren wenigsten die digitalen Bürgerrechte intakt.

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