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Critterz-Desaster auf „Minecraft“: Wie NFT-Besitzer von Kinderarbeit profitierten

Rund um den Absturz des Critterz-Servers im Mojang-Spiel „Minecraft“ wird immer deutlicher, welche Auswüchse Play-to-Earn-Ansätze annehmen können. Geld und Gaming passen offenbar nicht gut zusammen.

4 Min.
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Der Einstiegspunkt auf dem Critterz-Server. (Bild: Critterz-Twitter)

Ob „Axie Infinity„, „Decentraland“ oder „Minecraft“ – es scheint generell eine schlechte Idee zu sein, Spiele so auszustatten, dass man in ihnen echtes Geld verdienen kann. Das Critterz-Desaster in „Minecraft“ zeigt das einmal mehr sehr klar.

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Critterz war ein Play-to-Earn-Aufsatz zu „Minecraft“

Im Magazin Rest of World findet sich ein sehr lesenswerter Artikel, der Aufstieg und Niedergang des Play-to-Earn-Aufsatzes Critterz für „Minecraft“ sehr ausführlich beschreibt. Critterz war ein eigener „Minecraft“-Server mit einem eigenen Regelwerk.

Spielende mussten NFT (Non-fungible Token) erwerben, um Zutritt zu dem Spiel zu erhalten. Sie konnten dann im Spiel auch virtuelles Land und andere Assets kaufen. Native Währung war der Block-Token, der auch außerhalb des Spiels gehandelt werden konnte.

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Wer sich keines der erforderlichen NFT leisten konnte, hatte die Möglichkeit, sich eines von einem Owner auf Zeit zu leihen. Bezahlt wurde per Teilung der im Spiel erzielten Einnahmen.

Etwas mehr als ein halbes Jahr lief das Konzept recht ordentlich, dann grätschte Mojang im Juli 2022 dazwischen und teilte mit, dass „Blockchain-Technologien nicht in unsere Minecraft-Client- und -Server-Anwendungen integriert werden dürfen und auch nicht dazu verwendet werden dürfen, NFT zu erstellen, die mit irgendwelchen Inhalten im Spiel verbunden sind, einschließlich Welten, Skins, persönlichen Gegenständen oder anderen Mods.“

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Das war das Ende des Critterz-Servers und das Ende des Geschäftsmodells. Findige NFT-Owner hatten bis zu diesem Zeitpunkt nach alter Gutsherrenart davon Gebrauch gemacht, dass sie Geld hatten und andere nicht.

Gestatten, Big Chief, Critterz-Gutsherr

Ein US-amerikanischer Spieler, der sich „Big Chief“ nennt, beschrieb gegenüber Rest of World, wie er ein „Team“ aufgestellt hatte, das hauptsächlich aus philippinischen Kindern bestand.

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Die hatte er mit kleinen Beträgen dafür bezahlt, dass sie Baumaterialien für ihn sammelten, die benötigt wurden, damit „Big Chief“ sich von professionellen „Minecraft“-Baumeistern für rund 10.000 US-Dollar in Krypto ein prächtiges Casino auf dem Critterz-Server erstellen lassen konnte: „Ich habe eine Menge Kinder, die für mich spielen, und sie spielen, weil sie zusätzliches Geld in einem Land verdienen wollen, das sie eigentlich nur einsperrt“.

Spielende aus armen Ländern wetteifern um die Gunst westlicher NFT-Owner

Auch umgekehrt konnte es ablaufen: Spielende wollten von NFT-Ownern ausgewählt werden, wetteiferten um Aufmerksamkeit und warben für ihr Engagement in dem Spiel.

Einige legten sogar Referenzen von den NFT-Ownern bei, deren Token sie in der Vergangenheit ausgeliehen hatten. Andere posteten Links zu einer Website, auf der sie die Anzahl der täglich verbrachten Spielstunden aufzeichneten.

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Ein kanadischer Ausleiher glaubte, er müsse sein Engagement für das Spiel so weit treiben, dass er im Schichtdienst mit seinem Bruder rund um die Uhr spielte. Allen Interessenten waren zwei Dinge gemein: Sie konnten sich zum einen kein NFT leisten und wollten zum anderen maximale Spielumsätze einfahren, weshalb sie praktisch versprachen, nur bei äußerster Notwendigkeit zu schlafen.

Damit nicht genug, bildeten sich sogenannte Gilden von Spielern, die ebenfalls ihre Leistungen auf dem Critterz-Discord-Server zu vermarkten suchten. Diese Gilden wurden von Besitzern gegründet, die wiederum die NFT mieteten.

Dann sorgten sie dafür, dass ihre Gilden rund um die Uhr arbeiteten und Block-Token verdienten. Von dem Gewinn erhielten die Gildenmitglieder dann einen Anteil.

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Anhand der verwendeten Sprachen lässt sich nachvollziehen, dass fast alle Gildenmitglieder aus Ländern mit niedrigem Einkommen stammten – und zwar überwiegend von den Philippinen. Das riecht durchaus nach Ausbeutung.

Big Chief wehrt sich gegen Vorwurf der Ausbeutung

Davon will der bereits erwähnte „Big Chief“ indes nichts wissen. Er stellt die Chancen in den Vordergrund. Immerhin biete er Menschen in ärmeren Teilen der Welt die Möglichkeit, Geld zu verdienen. Deshalb sei es „wirklich ärgerlich, wenn Leute von Ausbeutung sprechen“.

Er könne zwar nicht sagen, wie hoch der Stundensatz seiner Gildenmitglieder sei, aber er wisse, dass die Menschen auf den Philippinen „sehr wenig Geld verdienen und die Lebenshaltungskosten auf den Philippinen sehr niedrig sind.“

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Big Chief beteuert, der Niedergang Critterz tue ihm für seine Gildenmitglieder leid: „Ich habe viele dieser Kinder behandelt, als wären sie meine Kinder, deshalb ist es irgendwie traurig, dass ich ihnen jetzt nicht mehr viel bieten kann. Früher habe ich vielen dieser Kinder wirklich geholfen und ihnen die Möglichkeit gegeben, etwas Geld für ihre Familien zu verdienen, und es ist einfach scheiße, dass ich das jetzt nicht mehr tun kann.“

NFT-Spiele fördern toxisches Verhalten

Warren Woodward, Mitbegründer der Gaming-Unternehmensberatung Upptic, sieht in der Integration von Web3-Fähigkeiten in das traditionelle Spieldesign nur dann einen Sinn, wenn das Geldverdienen nicht im Mittelpunkt steht. „Wir haben die Daten dazu. Auf diese Weise kann man keine nachhaltige, unterhaltsame Spielwirtschaft aufbauen. Wenn der Hauptantrieb der Profit ist, dann schafft das Anreize für potenziell schädliche Verhaltensweisen innerhalb des Spiel-Ökosystems“, sagt er.

Woodward glaubt, dass sich das spontan entstandene Gildensystem weiterentwickeln müsse, um eine Überlebenschance zu haben. „Was man am Ende sehen könnte, ist etwas, das vielleicht auf halbem Weg zwischen dem liegt, was eine Gilde jetzt ist, und einem traditionellen Esports-Team, wo es mehr um die Förderung von großartigen Spielern geht“, so Woodward.

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Eine Gilde von Spielern, die zusammen trainieren und gemeinsam Strategien entwickeln, um ein besseres Gameplay zu erreichen, habe durchaus ihren Wert, so Woodward, „aber niemand wird durch das wiederholte Klicken auf einen Knopf reich werden.“

Billige Arbeitskräfte könnten NPC, also nicht spielbare Charakter, sein

Mikhai Kossar, Berater bei Wolves DAO, einer Gruppe, die NFT-Gaming-Projekte in den frühen Phasen ihrer Entwicklung unterstützt, sieht noch einen anderen Kompromiss voraus. Er stellt sich NFT-Spiele vor, die das Wohlstandsgefälle zwischen Spielenden positiver „nutzen könnten“, um ein anderes Spielerlebnis zu bieten.

„Mit den billigen Arbeitskräften eines Entwicklungslandes könnten Sie die Menschen auf den Philippinen als reale NPCs in Ihrem Spiel einsetzen. Die könnten dann einfach die Welt bevölkern, vielleicht einen zufälligen Job machen oder einfach hin und her laufen, fischen, Geschichten erzählen, ein Ladenbesitzer sein, alles ist möglich“, so Kossar.

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