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Das Digitalisierungs-Management-Dilemma

Die Fachzeitschriften sind voll davon und auf jedem zweiten Kongress hört man etwas von Digitalisierung, digitaler Transformation, Agilisierung und manch weiterem Buzzword.

Von Stefan Willkommer
8 Min. Lesezeit
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(Foto: Shutterstock)

Im Zuge dessen kommt inzwischen – Gott sei Dank – auch immer häufiger das Thema HR zur Sprache, da die fortschreitende Digitalisierung auch in entscheidendem Maße Einfluss auf Mitarbeiter hat und nur gemeinsam mit den Mitarbeiter erfolgreich bewältigt werden kann.

Dazu möchte ich ein wenig von unseren Erfahrungen berichten. Vermutlich werden die dem einen oder anderen bekannt vorkommen – was zeigt, dass Umstellungsprozesse mitunter auch mit Schmerzen verbunden sind. Oder aber man bekommt damit ein paar erste Anhaltspunkte für Tretminen der Agilisierung und wie man diese möglicherweise umgehen kann.

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Als wir vor einigen Jahren begonnen haben, uns mit dem Thema agiles Projektmanagement und hier insbesondere mit den beiden bekanntesten Formen der Agile- und Lean-Welt Scrum und Kanban zu beschäftigen, waren dafür mehrere Gründe ausschlaggebend:

  • IT-Projekte werden immer komplexer und dynamischer, wodurch eine detaillierte Planung im Vorfeld nicht mehr möglich ist.
  • Die klassische Wasserfallmethodik ist aufgrund laufend steigender Komplexität von IT-Projekten nicht mehr zeitgemäß.
  • Erfolgreiche Projekte sind – insbesondere bei größeren Umfängen – nur noch im Team machbar.
  • Mitarbeiter wollen sich verstärkt einbringen und Verantwortung übernehmen.
  • Command & Control ist aufgrund zunehmender Komplexität der falsche Ansatz.

Wir machen jetzt Scrum und sind damit modern und agil!

Welcher Dienstleister kennt das nicht: Ein Kunde kommt mit einem umfangreichen Lastenheft an und möchte auf dieser Basis eine möglichst valide Zeit- und Kostenschätzung. Häufig geht es hier um recht umfangreiche und immer komplexere Projekte mit vielen Abhängigkeiten. Zudem ist gerade im Web-Umfeld die Dynamik enorm und man kann hier immer wieder Fälle erleben, bei denen sich durch neue Technologien oder sonstige Änderungen am Markt vorab definierte Lösungsansätze in kürzester Zeit pulverisieren.

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Dazu kommt, dass gerade bei größeren Unternehmen IT-Projekte sehr häufig von unterschiedlichsten Stakeholdern mit den unterschiedlichsten persönlichen oder politischen Interessen getrieben werden, was für das Projektmanagement mitunter eine enorme Herausforderung bedeuten kann. Wer kennt sie nicht, die unsäglichen Change-Request-Orgien, bei denen am Ende häufig kaum mehr jemand wirklich durchblickt, was jetzt eigentlich noch zu tun ist. Da kommt agiles Projektmanagement natürlich wie gerufen, weil man damit – so hört man es in ersten Gesprächen immer wieder – einfach mal drauf los programmiert und sich dann am Ende wundert, warum das viel gepriesene agile Vorgehen doch nicht funktioniert.

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Als wir vor einigen Jahren begonnen haben, unsere Projekte und Prozesse auf agile Arbeitsweisen umzustellen, mussten wir gerade in der Anfangszeit diverse Schmerzen ertragen und die anfängliche Euphorie in Bezug auf Agilität wich zwischenzeitlich durchaus gewisser Ernüchterung. Rückwirkend betrachtet haben sich die Schmerzen jedoch absolut gelohnt und aus unserer Sicht lassen sich Projekte in der heutigen Zeit unter anderem aus den oben genannten Gründen auch nur noch agil bewerkstelligen. Welche Form der Methodik dabei zum Einsatz kommt – Scrum und Kanban sind hier ja nur zwei mögliche Formen – ist an dieser Stelle auch nicht sehr entscheidend. Relevant ist jedoch die Tatsache, dass in der heutigen Zeit ein massives Umdenken des Managements gefragt ist, um die Vorteile von agilem Projektmanagement auch wirklich nutzen zu können.

Was macht man also als noch halbwegs junges Unternehmen? Richtig, man experimentiert zuerst ein wenig mit agilen Managementansätzen und nach ersten Teilerfolgen stellt man alle Ruder volle Kraft in Richtung agile Arbeitsweisen – und dies kann dann in Teilen schon Schmerzen verursachen.

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War es früher durchaus gang und gäbe und auch funktional, wenn der oberste Chef klare Ansagen gemacht hat und die Mitarbeiter diese nahezu „blind“ ausgeführt haben, so funktioniert dieser Ansatz heute aus nachfolgenden Gründen häufig nicht mehr:

  • Die Führungskraft ist fachlich zu weit weg.
  • Die Führungskraft kann zeitlich nicht mehr schnell genug reagieren.
  • Mitarbeiter möchten vermehrt Verantwortung übernehmen.
  • Mitarbeiter möchten ihr Arbeitsumfeld und die Arbeitsergebnisse mitgestalten.

Diese Punkte können recht schnell zu einer Art Vakuum führen, das in der heutigen, schnelllebigen Zeit fatale Folgen haben kann. Wir nennen das das Digitalisierungs-Management-Dilemma.

Management ist zu wichtig, um es den Managern zu überlassen

Im Rahmen der Digitalisierung wird eine enorme Anpassungs- und Entscheidungsgeschwindigkeit von Unternehmen gefordert. Dies bedeutet, dass marktrelevante Entscheidungen immer häufiger auf der operativen Ebene getroffen werden müssen, was zur Konsequenz hat, dass das Management relevante Entscheidungen auf die operative Ebene abgeben muss.

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Der nachfolgende Satz von Management Guru Jurgen Appelo bringt die wesentliche Erkenntnis zu modernen Managementansätze auf den Punkt: „We believe that management is not only the managers’ responsibility. It is everyone’s job! Management is too important to leave to the managers.“

Wer jetzt glaubt, dass sich dieser Umstand nur im Bereich der (Projekt-)Entwicklung abspielt, den muss ich an dieser Stelle enttäuschen: Das Ganze hat inzwischen Einfluss auf nahezu alle Unternehmensbereiche.

Agiles Projektmanagement kann man dabei zwar grundsätzlich rein auf projektbezogener Ebene einführen – die Idee dahinter ist jedoch viel weitreichender und betrifft in letzter Konsequenz das gesamte Unternehmen und alle Bereiche. Sofern dies konsequent und umfassend angewandt wird, landet man bei einer neuen Form der Unternehmensführung, die aus unserer Sicht – insbesondere in unserer immer komplexer und dynamischer werdenden Welt – der einzig richtige und zukunftsweisende Ansatz ist, um ein Unternehmen erfolgreich zu steuern: Management 3.0

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Management 3.0 – so müssen Unternehmen zukünftig geführt werden!

In einer Welt, in der die Komplexität in sehr vielen Bereichen immer weiter zunimmt, lässt sich Management durch Command & Control kaum mehr vernünftig bewerkstelligen. Daher ist zukünftig nicht das „Management“ eines Unternehmens gefragt, sondern jeder Mitarbeiter. Um den Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, stärker involviert zu werden, muss dafür gesorgt werden, dass entsprechende Transparenz, Offenheit und auch Kompetenzen eingeräumt werden. Das Management eines Unternehmens erfolgt nicht mehr durch das „Management“, sondern gemeinsam durch die Mitarbeiter, wobei hier gegebenenfalls lediglich Leitlinien vorgegeben bzw. Orientierungshilfen geboten werden.

Während klassisches Management im besten Falle mit einer gut geölten Maschine verglichen werden kann, die recht stupide immer dieselbe Arbeit verrichtet, handelt es sich bei Management 3.0 – aufgrund zunehmender Komplexität – um ein lernendes Netzwerk verschiedener Individuen, das echten Mehrwert generieren möchte.

Was hat dies jetzt mit Scrum und Kanban zu tun? Ganz einfach: Um erfolgreich agil arbeiten zu können, muss das Umfeld entsprechend passen, damit die Mitarbeiter sich entfalten und bestmögliche Leistung erbringen können. Hierzu gehören insbesondere in der heutigen Zeit entsprechender Gestaltungsfreiraum, Verantwortung sowie Mitbestimmung.

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An dieser Stelle sei daher auch nochmals erwähnt, dass unter anderem Scrum von einem Team der besten Entwickler erdacht wurde, bei dem die genannten Punkte sowie bestmögliche Qualität quasi als Grundvoraussetzung zementiert waren und nicht explizit erwähnt werden. In der Praxis sieht dies häufig natürlich etwas anders aus, wodurch die Situation sicherlich nicht einfacher wird.

Theorie X und Theory Y als Ausgangspunkt

Der Management-Professor Douglas McGregor veröffentlichte 1960 ein Management-Buch mit dem Titel „The Human Side of Enterprise“. Darin postuliert er, dass Unternehmen Menschen in zwei „Gattungen“ unterteilen. Das heißt, dass sie zwei konträren Theorien folgen: Theorie X beschreibt Menschen, die glauben, dass andere Menschen grundsätzlich nicht arbeiten wollen und nur durch sogenannter extrinsische Motivation (zum Beispiel hohes Gehalt) motiviert werden können. Im Gegensatz dazu gibt es Theorie Y, die Menschen beschreibt, die generell davon überzeugt sind, dass Menschen arbeiten wollen und sich dazu auch selbst motivieren – man spricht hier auch von sogenannter intrinsischer Motivation. Dies führt zu der recht simplen Frage: Glaubt jeder von uns daran, dass der/die Kollege/in von sich aus einen guten Job macht oder vertraut man ihm/ihr nicht auf diese Weise?

Gegenüberstellung Theorie X und Y von McGregor (Bild: Douglas McGregor, „The Human Side of Enterprise“, 1960)

Dazu gibt es ein sehr beeindruckendes Beispiel aus der Wirtschaft. Ricardo Semler übernahm im Alter von gerade einmal 25 Jahren das Unternehmen SEMCO von seinem Vater, der ein Unternehmer der alten Schule war: klare Hierarchien und klassisches „Command & Control“. Ricardo Semler wollte möglichst viel Demokratisierung in seinem Unternehmen. Die Mitarbeiter sollten möglichst stark in viele Bereiche des Unternehmens involviert werden und entsprechende Gestaltungsspielräume und Mitspracherechte haben.

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Unter Semlers Leitung stieg der Umsatz von 4 Millionen US-Dollar im Jahr 1982 auf 212 Millionen 2003 (Steigerung von 21 Prozent pro Jahr). Die Anzahl der Beschäftigten stieg von 90 auf 3000. Über seine Management-Ansätze schrieb er das Buch „Maverick“, das zu einem Management-Bestseller wurde und in dem er die X-Y-Theorie wie folgt aufgriff: Mitarbeiter sind erwachsene Menschen, aber sobald sie zur Arbeit kommen, werden sie häufig zu Kindern degradiert, indem sie Badges tragen müssen und von oben zu allem klare Vorgaben und Regeln bekommen. Dies hat zur Konsequenz, dass sie diesen Vorgaben häufig „blind“ folgen, ohne selber nachzudenken. Moderne und agile Unternehmen orientieren sich daher klar an der Theorie Y!

Das Ziel eines modernen Unternehmens muss es demnach sein, die Mitarbeiter genau in einem sogenannten Flow-Channel zu platzieren, in dem sich der Mitarbeiter wohl fühlt – gefordert, aber nicht überfordert wird.

Flow-Channel mit Voraussetzungen (Bild: TechDivision)

Um dies zu erreichen, muss ein Unternehmen ein Umfeld schaffen, das genau diesen Flow ermöglicht. Der Autor Daniel Pink beschreibt in seinem Bestseller „Drive“ dazu die folgenden drei Voraussetzungen:

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Autonomy (Selbstständigkeit)

Wenn man seinen Mitarbeitern vertraut (Theory Y), dann sollte man ihnen genug Freiraum geben, um die jeweiligen Anforderungen mit ihren Fähigkeiten optimal zu bearbeiten.

Mastery

Mit Selbstständigkeit wird es Mitarbeitern möglich, Energie freizusetzen, die einen optimalen Einsatz der Fähigkeiten und eine permanente Verbesserung ermöglicht

Purpose

Um diese Energie optimal einsetzen zu können, muss ein klares Ziel – eine Vision – entwickelt werden, an dem sich alle Mitarbeiter orientieren können. Eigentlich klingt das durchaus logisch, nachvollziehbar und auch gar nicht mal so kompliziert, oder? Dennoch ist das Ganze so in der Praxis noch wenig greifbar. Es fehlen konkrete Vorgaben oder Schritte, um einen Transformationsprozess hin zu einer agileren Unternehmenskultur und modernen Managementansätzen erfolgreich zu schaffen.

Dazu gibt es leider – oder auch Gott sei Dank – kein allgemein gültiges Rezept, da jedes Unternehmen anders „tickt“ und insbesondere jedes Mitarbeiterteam anders ist. Um den Einstieg aber dennoch zu erleichtern, gibt es inzwischen allerdings ein paar Instrumente, die einem bei einem entsprechenden Transformationsprozess hin zu einem agileren Unternehmen helfen. Solche Tools stelle ich im nächsten Beitrag vor.

 

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Deswegen gibt es Bertungshäuser, die sich darauf spezialisiert haben, den Mensch wieder in den Mittelpunkt zu stellen und die Stakeholder der verschiedenen Organisationseinheiten hinter eine gemeinsame Fahne zu bringen – in inspirierender, öffnender Haltung und unter Berücksichtigung der individuellen Motivatoren. Und die gleichzeitig helfen, die Entwicklung der Persönlichkeit zu fördern, siehe https://www.enaliss.com/single-post/2016/09/20/Progression-of-Personality
Dabei helfen Methoden, die die Eigenmotivation fördern und Blockaden abbauen. PEA und NEA (positive emotional attractors und negative emotional attractors, siehe „Intentional Change Theory (ICT) and complexity theory, Prof. Richard Boyatzis“) führen durch resonante Führung in Digitalisierungsprojekten zu einem Einklang zwischen persönlichen Visionen und digitalen Initiativen (Visionen). Die Fortbildung als Manager kann man auch per Fernstudium an der Case Western Reserve University als Online-Zertifikatslehrgang wählen (Coursera.com).

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