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Flutkatastrophe im Ahrtal: Experte erklärt, wie wichtige Daten gerettet wurden

Sie ist ein Jahr her: Im Juli 2021 kam es im Landkreis Ahrweiler zu einer Flutkatastrophe. Weniger Tage später fuhr Thomas Haase dorthin, um Datenträger zu retten – im Interview berichtet er von dem Einsatz.

5 Min. Lesezeit
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Voller Schlamm: So sah einer der Rechner aus, die Thomas Haase aus dem Ahrtal mitgenommen hat, um Daten zu retten. (Foto: Thomas Haase)

Vor einem Jahr, im Juli 2021, kam es im Landkreis Ahrweiler zur Flutkatastrophe. Nach außergewöhnlich starken Regenfällen trat der Fluss Ahr über die Ufer, Städte wurden überschwemmt. Kurz nach der Katastrophe fuhr Thomas Haase nach Ahrweiler. Sein Auftrag: Die Daten in der überschwemmten Region retten. Er hat sich um Datenträger eines Hotels und eines Steinmetzes gekümmert.

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Im Interview spricht der Security- und Data-Privacy-Experte Thomas Haase über seine Arbeit im von Überschwemmungen betroffenen Gebiet.

t3n: Herr Haase, Sie sind in den von Überschwemmungen zerstörten Landkreis Ahrweiler gefahren. Wie sind sie mit den Betroffenen in Kontakt gekommen?

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Thomas Haase: Der Steinmetz ist ein guter Bekannter meiner Schwester, sie lebt im Ahrtal. Noch kurz vor der Flutkatastrophe habe ich ihnen mit den Rechnern geholfen, da haben wir ein neues Büro eingerichtet. In dem Hotel arbeitet meine Schwester. Sie hat mich direkt nach der Katastrophe kontaktiert. Erst mal wusste keiner, was los ist, es war ein absolutes Chaos am Anfang. Ziemlich schnell haben wir dann diskutiert, was mit den Daten ist, mit den Rechnern. So haben wir entschieden, dass ich sie erst mal hole und sichere.

t3n: Wann ging es los?
Die Flutkatastrophe war am 14. Juli, am 18. Juli bin ich dann runtergefahren. Wir hatten auch Sorge, ob sie mich reinlassen, weil es vor Ort die Angst vor Plünderungen gab. Auch die Hilfskräfte mussten erst mal warten, dass sie das erste Mal durchfahren konnten.

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t3n: Wie war Ihre Ankunft?
Das Auto meiner Schwester war weggespült, überall standen Wasserflaschen, ständig kreisten Hubschrauber. Es ging erst mal darum, halbwegs etwas geregelt zu bekommen. Der Schlamm musste aus den Häusern gebracht werden, bevor er fest wurde. Ich bin etwas erschrocken und wollte helfen. Alle waren mit anderen Sachen beschäftigt – auch nicht unbedingt mit ihren Rechnern.

Per Schubkarre habe ich dann die Rechner geholt, teilweise waren sie stark mit Schlamm bedeckt.

t3n: Sie sind anschließend zum Hotel und zur Steinmetzerei gegangen. Was haben Sie dort vor Ort erlebt?
Das Hotel war bezüglich der Daten ziemlich gelassen. Ihnen war bewusst, dass kurzfristig erst mal nichts zu retten sein wird. Bei der Steinmetzerei war das anders: Da bestand die Gefahr, dass das komplette Lebenswerk weg ist. Sie hatten die Skizzen und die Auto-CAD-Zeichnungen für Grabsteine, Brunnen und mehr auf Rechnern und USB-Sticks. Ohne die Daten lassen sich ihre Maschinen nicht bedienen und die waren zudem weggespült worden. Als ich ankam war mir schnell bewusst, dass sich keiner groß um die IT Gedanken macht. Per Schubkarre habe ich dann die Rechner geholt, teilweise waren sie stark mit Schlamm bedeckt. Wir haben sie dann grob gereinigt, in Mülltüten getan, diese mit ihrer Zugehörigkeit beschriftet und dann in mein Auto gepackt.

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t3n: Wie viel haben Sie mitgenommen?
Beim Hotel war es ein Rezeptionsrechner, ein Server, NAS, zwei Rechner und ein Laptop. Bei der Steinmetzerei war es der Rechner der Werkstatt, zwei Bürorechner, zwei Laptops. Dazu kamen Daten in der Cloud und USB-Sticks.

t3n: Wie haben Sie die Rechner gereinigt?
Ehrlich gesagt haben wir alles gemacht, was man nicht machen soll: Wir haben sie erst mal abgespült.

t3n: Wie ging es dann weiter?
Ich bin dann erst mal wieder gefahren und bin die Sachen grob durchgegangen. Dabei hatte ich immer im Kopf, dass die Menschen gerade ganz andere Probleme haben. Sie haben erst mal versucht, Ordnung in ihren Alltag zu bringen. Geschichten über Plünderungen haben die Runde gemacht. Solche Sachen haben die Leute beschäftigt.
Ich hatte in der Zeit zwei Problemstellungen: Es ging es um die Wiederherstellung und darum, wie ich die Daten erst mal sichern kann. Das ist eigentlich sehr handwerklich. Ich habe die Rechner grob gesäubert und die Rechnertechnik ausgebaut. Sie kamen in destilliertes Wasser, dann habe ich sie einen Tag trocknen lassen. Anschließend habe ich sie angeschlossen.

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12 krasse Fehlprognosen der Techgeschichte: Auch Experten liegen mal daneben Quelle: Shutterstock/ Andrey_Popov

t3n: Haben das alle Festplatten geschafft?
Eine Festplatte hat beim Anschließen komische Geräusch gemacht, die war dann kaputt. Insgesamt habe ich neun Festplatten gefunden, die relevant waren. Dazu kamen drei USB-Sticks, eine SD-Karte und der Rezeptionsrechner mit dem Server.

Du hast nicht mehr den Rechner mit Struktur, sondern nur einen Haufen Daten.

t3n: Wie sind Sie dann beim Wiederherstellen und Sichern der Daten vorgegangen?
Nach dem Anschließen habe ich von Programmen die Daten auslesen lassen. Dann hatte ich terabyteweise Daten, das ist eine schiere Unmenge. Du hast nicht mehr den Rechner mit Struktur, sondern nur einen Haufen Daten. Da muss erst mal eine Struktur erkannt werden: Welche Daten braucht es im Alltag und welche Programme brauchen sie – du musst herausfinden, was wirklich relevant ist.

t3n: Wie haben Sie die Datenmengen entsprechend eingeordnet?
Ich bin mit den Beteiligten die Arbeitsabläufe durchgegangen. Beim Steinmetz haben wir zum Beispiel geschaut, wie eine Skizze gemacht wird und welche Programme dann genutzt werden.

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t3n: Welche Daten haben sich als besonders wichtig erwiesen?
Beim Hotel waren es hauptsächlich Kundendaten. Beim Steinmetz waren es besonders Rechnungen und Angebote. Außerdem sind die Skizzen und die Auto-CAD-Zeichnungen existenziell.

t3n: Hat das denn so ohne Weiteres geklappt?
Eine Hürde waren die Programme: Während die Daten gesichert waren, waren es die Programme nicht. Sie wurden aber benötigt, um die Daten nutzen zu können. Zum Glück haben sich die Hersteller da aber sehr kulant gezeigt. Ein Hersteller hat uns die alte Version eines Programms zur Verfügung gestellt. Ohne die wären wir aufgeschmissen gewesen.

Es ist wichtig, ein Bewusstsein für die Daten zu haben, es wird ja immer mehr über die Jahre.

t3n: Hat diese Erfahrung Ihre Sicht auf das Thema Datenspeicherung verändert?
Ja, ich achte jetzt mehr darauf, alte Sachen auch mal zu löschen. Es ist wichtig, ein Bewusstsein für die Daten zu haben, es wird ja immer mehr über die Jahre. Eigentlich kann man so gut zu einem Messie werden, das wird einem sehr leicht gemacht.

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t3n: Haben Sie Tipps, wie die Verwandlung in einen „Daten-Messie“ verhindert werden kann?
Es hilft wirklich, erst mal alles zu ordnen. Da mache ich jetzt auch regelmäßig eine Art Frühjahrsputz und sortiere bewusst aus. Was relevant ist, speichere ich auf einer Festplatte, Bilder lade ich in die Cloud. Die Cloud-Nutzung hat auch im Ahrtal geholfen: Das, was dort gespeichert war, konnte einfacher wiederhergestellt werden.

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