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Analyse

Wahlprogramm im Digitalcheck: Was will die Linke?

„Sozial. Gerecht. Frieden. Für alle.“, betitelt die Linke ihr Wahlprogramm – doch was bedeutet das für die Digitalpolitik? Die Linkspartei im t3n.de-Digitalcheck zur Bundestagswahl 2017.

7 Min.
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Wahlprogramm im Digitalcheck: Was will DIE LINKE? (Grafik: dpa / t3n.de)

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„Sozial. Gerecht. Frieden. Für alle.“ Das Wahlprogramm der Linken setzt auf einprägsame Begriffe. Sie sieht die Welt aus den Fugen geraten und will sie regulatorisch in den Griff kriegen. Das Vorhaben reicht bis in die digitale Welt hinein. Denn die Linkspartei sieht im Netz nicht nur Chancen, sondern auch Risiken – und zwar vor allem für die Menschen, die darin arbeiten. Im Wahlprogramm wird ein Thema besonders aufgegriffen: der Schutz der Bürger vor ausbeutenden Arbeitsverhältnissen. Auf Seite 16 des Bundeswahlprogrammes unter dem Titel „Statt digitales Prekariat: soziale Absicherung für alle Beschäftigten“ arbeitet die Partei sich daran ab. „Digitalisierung und die Arbeit und Auftragsvergabe über Clouds und Plattformen schaffen neue, oft entgrenzte und prekäre Beschäftigungsformen“, schreiben die Verfasser.

Gig-Economy: Prekäre Arbeitsverhältnisse

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Für die Partei ist klar, das im Zuge der fortschreitenden digitalen Vernetzung zwar eine große Vielfalt an neuen Formen von Arbeit und Beschäftigung entsteht, die aber kaum arbeitnehmerfreundlich gestaltet sind. Unternehmen könnten im Internet auf eine große Menge von Arbeitskraftanbietern zugreifen und sie für Teilaufgaben beauftragen. Die Beschäftigten hätten jedoch meist keine soziale Absicherung. Die Linken warnen: „Die Zahl der digitalen Tagelöhner, die ihre Arbeit per Internet anbieten, wächst stetig. Die große Mehrheit verdient wenig. Freelancer sind zumeist nicht für Zeiten der Erwerbslosigkeit versichert und haben keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.“

Das betrifft vor allem Reinigungskräfte, Lieferboten, aber auch Texter und Designer, die entweder als Freiberufler oder per Mini-Job ihre Dienste anbieten. Das Problem, das die Partei adressiert, ist in jedem Fall real, ihm ist jedoch nur schwer beizukommen. Denn wer beispielsweise die Selbstständigkeit wählt, ist auch selber dafür verantwortlich, sich zu versichern. Für Deutschland hat eine Gewerkschaftsuntersuchung kürzlich ermittelt, dass 1,2 Millionen Menschen mindestens die Hälfte – aber weniger als 100 Prozent – ihres Einkommens in der Plattform-Wirtschaft erzielen, 150.000 Menschen bestreiten ihren kompletten Verdienst mit Gig-Arbeit. Wie soll diesen Menschen geholfen werden?

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Die Linkspartei plädiert zum einen für branchenspezifische Mindesthonorarregelungen, die bundesweit gelten. Sie sieht zudem die öffentliche Hand in einer Vorreiterrolle mit einer Mindesthonorarordnung bei öffentlich finanzierten Aufträgen. Außerdem fordert sie in einem ersten Schritt, dass der Mindestbeitrag der privaten Sozialversicherungen sich nach der Geringfügigkeitsgrenze – aktuell 450 Euro im Monat – bemisst und sich ab dieser Grenze der Beitrag nach dem tatsächlichen Einkommen richtet. Selbstständige sollen so mehr Geld in der Tasche haben. Die Ideen scheinen großartig, werden jedoch im Bundestag mit großer Sicherheit auf Gegenwehr stoßen.

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Bildung: Zugang durch Digitalisierung vorantreiben

Ein Herzensthema der Linkspartei findet sich seit jeher im Bildungsbereich. Die Digitalisierung bietet da große Chancen, denn sie kann vielen Menschen einen schnellen Zugang zu Informationen ermöglichen. Das geschieht aber nicht von selbst, mahnt die Partei, sondern muss durchgesetzt werden. Sie sagt, dass der Ausbau der IT mit der Ausbildung und den Fortbildungsangeboten für Lehramtsstudierende und aktiven Lehrkräfte einhergehen muss. Die Partei glaubt insofern nicht an ausreichend vorhandene Kompetenzen in den Schulen. Eine Annahme, mit der sie durchaus richtig liegen dürfte.

Einige Forderungen lesen sich grandios, dürften jedoch kaum auf Bundesebene umzusetzen sein. Bildung ist Ländersache. Die Linkspartei will allen Kindern ein mobiles Endgerät als Teil der Bildungsausstattung zur Verfügung stellen und sie frühzeitig und regelmäßig mit den Prinzipien digitaler Technologien vertraut machen. Darunter fallen Funktionsweise von Speichern, Sensoren und Programmierkenntnisse. Der IT-Unterricht soll somit wesentlich umfassender werden als bislang. Ob und welche Unterrichtsfächer dafür zurückgeschraubt werden, lässt sich nicht aus dem Wahlprogramm herauslesen.

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Digitale Medien dürften zudem nicht zum Einfallstor für Privatisierung der Bildung durch private kommerzielle Anbieter, Unternehmen oder Verlage werden, heißt es in dem Wahlprogramm. In Bildungseinrichtungen soll deshalb nur Freie Software eingesetzt werden und die Hardware nach Möglichkeit offen spezifiziert sein. Letzteres dürfte vor allem bedeuten, dass beispielsweise Apple-, Samsung- oder auch Microsoft-Geräte im Grunde genommen keinen Einzug in Schulen halten dürften. Diese Geräte punkten jedoch vor allem durch Nutzerfreundlichkeit und haben sich am Markt und somit im Privat- und Arbeitsleben etabliert.

Das verbraucherfreundliche Internet für alle

Ein nicht unerheblicher Teil des Wahlprogramms beschäftigt sich mit der Frage, wie die digitale Infrastruktur, das Netz, in Zukunft aufgebaut und geregelt sein sollte. Ein Dorn im Auge der Linkspartei ist beispielsweise, dass Internetprovider bei ihren eigenen Angeboten tricksen. „Die von Internetzugangsanbietern beworbenen Verfügbarkeiten und Geschwindigkeiten der Anschlüsse müssen auch tatsächlich zur Verfügung stehen: Wo 100 MBit draufsteht, müssen auch 100 MBit drin sein“, schreibt die Partei. Sie möchte künftig die Anbieter dazu zwingen, die garantierte Mindestmenge anstatt die zu erreichende Datenmenge anzugeben.

Im vergangenen Jahr hat die Bundesnetzagentur diesbezüglich bereits eine neue Transparenzverordnung herausgegeben, die zudem vom Bundeskabinett beschlossen wurde und seit dem 1. Juni 2017 in Kraft getreten ist. Anbieter werden darin verpflichtet, dem Endnutzer die vertraglich vereinbarte minimale und maximale Datenübertragungsrate sowie die tatsächlich gemessene Datenübertragungsrate offenzulegen. Im Grunde genommen ist die Forderung der Linkspartei damit bereits erfüllt. Lediglich an Rechtsmitteln für den Verbraucher fehlt es noch. Hier müsste die Linkspartei ansetzen.

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Außerdem möchten die Politiker, dass der Zugang zu Informationen und Kommunikationsmöglichkeiten zum Existenzminimum gehört. Damit meint sie, dass jedem Bürger die Verfügung über einen Computer und Internetzugang ermöglicht werden muss. Sie will sich diesbezüglich konkret dafür einsetzen, dass jeder Haushalt ein Anrecht auf einen bezahlbaren, schnellen Breitband-Internetanschluss hat. „Der D21-Digital-Index zeigt, dass 2016 fast alle Menschen, die mehr als 3.000 Euro Haushaltseinkommen haben, das Internet nutzen. Bei Bürgern, die weniger als 1.000 Euro zur Verfügung haben, sind es nur gut die Hälfte“, erklärt die Partei.

Auch das Vorantreiben einer Open-Data-Strategie liegt den Linken am Herzen. Für die Partei ist klar, dass Daten und Informationen, die von Regierungen mit öffentlichen Geldern gesammelt und erstellt wurden, „allen Menschen frei zugänglich und nutzbar gemacht werden“ müssen – unter Berücksichtigung des Datenschutzes, heißt es weiter. Wo die Grenzen gezogen werden sollen – etwa bei personen- und/oder unternehmensbezogenen Daten –, erfährt der Wähler jedoch nicht. An dem Punkt sind andere Parteien wie die FDP, die ebenfalls für Open-Data- und Open-Government-Strategien eintritt, etwas konkreter.

Damit der Bürger sich frei informieren, weiterbilden, äußern und partizipieren kann, will die Linkspartei die Telekommunikationsnetze in öffentliches und gemeinwirtschaftliches Eigentum überführen. Dadurch will sie auch die Netzneutralität garantieren, die maßgeblich ist, um die Innovationsfähigkeit des Internet sicherzustellen. Zudem soll die Glasfaserinfrastruktur anschließend rasch und flächendeckend ausgebaut werden. Für den Bund würde das bedeuten, enorme Mehrausgaben einzuplanen. Bislang sind die Netze in privatwirtschaftlicher Hand und der Bund steuert lediglich Förderungen dazu.

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Überwachung durch Unternehmen und staatliche Stellen

„Die widerrechtliche Erhebung, Speicherung und Weitergabe persönlicher Daten sowie ihre Zusammenführung zu Personenprofilen ist heute sehr weit verbreitet“, schreibt die Linkspartei und macht in ihrem Wahlprogramm deutlich, dass ihr das widerstrebt. Vor allem sensorgestützten Datenerhebungen wie beispielsweise Geolokalisationsdiensten, aber auch der massenhaften Erhebung und Analyse des Internetverkehrs will die Linkspartei etwas entgegenstellen. „Um Privatsphäre im Internet unter der Bedingung des permanenten Datenflusses zu gewährleisten, ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nur mit einem Recht auf Ende-zu-Ende-Verschlüsselung in persönlicher Kommunikation realisierbar“, heißt es.

Damit auch staatliche Stellen keine Einsicht mehr in die digitalen Kommunikationswege der Bürger bekommen, wollen die Linken sich dafür einsetzen, dass das geforderte Recht auf Ende-zu-Ende-Verschlüsselung auch nicht durch Hintertüren des Staates ausgehöhlt wird. Die Linkspartei, die sich sonst entschieden für mehr staatliche Kontrolle und Einflussnahme ausspricht, schlägt in der Hinsicht einen ganz anderen Weg ein. Die Realisierung der Forderung schützt den Bürger jedoch nicht nur vor kommerziellen Interessen und staatlicher Überwachung, sondern auch vor kriminellen Übergriffen. Denn Hacker nutzen in der Regel staatliche Hintertüren aus, um sensible Personendaten abzugreifen.

Fazit: Und wer löst künftig das Kompetenzgerangel?

Das Wahlprogramm der Linken kommt im Digital-Check ganz gut weg, jedoch einzig und alleine, weil sie dringende Fragen stellt, die bislang von anderen Parteien kaum konkret beantwortet werden – nämlich zum Thema, welchen Platz der Mensch noch in Zeiten der Digitalisierung einnehmen soll. Die Linke hat erkannt, dass allein mit Weiterbildungsmaßnahmen kaum geholfen ist. Es braucht konkrete Regelungen, beispielsweise in der Plattform-Wirtschaft, hinsichtlich der Honorare und Vergütungen. Denn klar ist auch, dass sich vor allem in wirtschaftlich schlechten Zeiten vermehrt Menschen auf die Tagelöhner-Portale stürzen würden und der Preiskampf dadurch noch heftiger ausgefochten wird.

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Bezüglich der Pläne zur Verstaatlichung der Netze und des damit einhergehenden beschleunigten Netzausbaus wird der Steuerzahler erhebliche Mehrkosten fürchten müssen, weshalb sich wiederum die Frage stellt, wie die Linken die Gelder eintreiben wollen. Dem Staat die Netze zu überlassen statt dem Markt würde allerdings bedeuten, dass auch der technische Wettbewerb hier ausgeschaltet wird – mit möglicherweise fatalen Konsequenzen für technische Innovationen.

Die Linkspartei setzt sich derzeit für eine starke Erhöhung des Kindergeldes ein und vor allem auch für eine Anhebung des Grundfreibetrags. Das sind Steuergeschenke für den normalen Bürger, an die sich in der Form keine andere Partei wagt. Viel Geld ausgeben, aber wenig Geld einnehmen? Das klingt nicht besonders wirtschaftlich. Der Plan, die Körperschaftssteuer wieder auf 25 Prozent zu heben, könnte da nur bedingt Abhilfe leisten – und könnte den in Deutschland ohnehin nicht stark ausgeprägten Gründergeist weiter bremsen.

Erfreulich wäre zudem gewesen, wenn die Linkspartei sich zur Auflösung des Kompetenzgerangels der Parteien hinsichtlich der Digitalpolitik geäußert hätte. Um die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft vernünftig gestalten zu können, wäre eine Bündelung der Zuständigkeiten hilfreich. Aktuell teilen sich offiziell drei Behörden die Aufgabe. Jedoch rühren eigentlich fast alle Bundesministerien darin herum. Wofür plädiert die Linke? Für ein Digitalministerium? Für einen Staatsminister im Bundeskanzleramt? Die Frage bleibt offen. Andere Parteien wie die FDP und CDU/CSU sind da konkreter. Erstere plädiert im Wahlprogramm für ein Digitalministerium und Letztere für einen Staatsminister.

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Die Wahlprogramme der Parteien im Überblick:

Wahlprogramm im Digitalcheck: Was wollen CDU/CSU?

Wahlprogramm im Digitalcheck: Was will die SPD?

Wahlprogramm im Digitalcheck: Was will DIE LINKE?

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Wahlprogramm im Digitalcheck: Was will das Bündnis 90/Die Grünen?

Wahlprogramm im Digitalcheck: Was will die FDP?

Wahlprogramm im Digitalcheck: Was will die AfD?

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Dein t3n-Team

Josef

Welche Partei ist jetzt für Legalisierung von Cannabis ?
Die hätte dann Ca 3mio Wähler, warum traut sich niemand. Siehe Kanada, es funktionier

Antworten
Patrick

Soweit ich weiß ist die FDP u.a. für die Legalisierung von Cannabis. Gibt da ein Zitat von Christian Lindner

Antworten
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