Won Dong Shin ist Doktorand an der École Polytechnique Fédérale de Lausanne in der Schweiz. Dort arbeitet er im Laboratory of Intelligent Systems an Zukunftstechnologien wie künstlicher Intelligenz und Robotik. Eine seiner wichtigsten Entdeckungen hat er aber in seiner Freizeit auf dem Campus gemacht, wie er gegenüber Spectrum berichtet.
Raven: Das kann die Vogel-Drohne
„Immer wenn ich Krähen auf dem EPFL-Campus gesehen habe, ist mir aufgefallen, wie sie laufen, über und auf Hindernisse und für den Start des Fluges in die Luft springen. Was ich immer wieder beobachtet habe, ist, dass sie auch dann gesprungen sind, um abzuheben, wenn sie eigentlich nur ihre Flügel hätten nutzen können“, verriet der Doktorand und Autor der Studie Fast ground-to-air transition with avian-inspired multifunctional legs (via Nature) im Interview.
Diese Erkenntnis hat ihn dazu gebracht, mit anderen Forscher:innen eine Drohne zu entwickeln, die wie ein Vogel aussieht. Die Drohne trägt den Namen Raven, hat eine Flügelspanne von etwa einem Meter und einen etwa 50 Zentimeter langen Körper. Durch das Design ist Raven in der Lage, Bewegungen von Vögeln ziemlich gut nachzuahmen. So kann die Drohne etwa eigenständig laufen sowie über Hindernisse mit bis zu zwölf Zentimetern Länge und 26 Zentimetern Höhe springen.
Und auch die Beobachtung des Doktoranden hat es in das finale Design geschafft. Raven kann etwa einen halben Meter in die Luft springen. Dann greift ein Propeller und beschleunigt die fliegende Drohne auf eine Geschwindigkeit von etwa 2,2 Metern pro Sekunde. Somit benötigt die Drohne keine Hilfe beim Start. Der Propeller ist allerdings nötig, weil Raven derzeit noch eine Drohne mit fixierten Flügeln ist.
Der wichtigste Bestandteil der Vogel-Drohne
Während der Arbeit an Raven stellten Shin und sein Team schnell fest, dass es Bauteile gab, die unabdingbar waren. Dazu zählen die Zehen des Roboters. Ohne sie würde die Drohne einfach beim Laufen nach vorn umkippen. Zudem können die Zehen – und damit der komplette Fuß – die Kräfte abfedern, die beim Springen und bei der Landung auftreten.
Der Doktorand sagt dazu: „Es war wichtig, ein passives, elastisches Zehengelenk zu verbauen, um mehrere Gangarten zu ermöglichen und sicherzustellen, dass Raven auch beim Start im korrekten Winkel vom Boden abspringt“. Diese gewichtseffiziente Lösung sorgt auch dafür, dass Raven nur rund 620 Gramm wiegt. Dennoch hat allein die Beinpartie ein Gewicht von 230 Gramm.
Was Raven für die Zukunft von Drohnen bedeutet
Der nächste logische Schritt wäre es, Raven zu skalieren und so für Aufgaben wie Lieferungen zu rüsten. Shin betont, dass die Skalierung in der Natur nicht möglich wäre. Größere Vögel vermeiden es, in die Luft zu springen, um zu starten. Stattdessen nutzen sie Anlauf oder lassen sich von höhergelegenen Bereichen nach unten fallen, um den Flug zu beginnen.
Die Idee eines größeren Raven hält er aber nicht für abwegig, da sich Roboter besser skalieren lassen. Um als Lieferdrohne zu fungieren oder andere Aufgaben zu erfüllen, muss Raven aber noch in anderen Bereichen weiterentwickelt werden. So kann die Drohne derzeit noch keinen Hindernissen im Flug ausweichen und auch die Landung ist bisher nicht unfallfrei möglich. Shin und sein Team arbeiten sogar an weiteren Flügel-Designs wie einklappbaren Flügeln, durch die Raven in der Lage wäre, für kurze Zeit durch schmale Lücken zu gleiten. Andere Raven-Modelle könnten hingegen bewegliche Flügel bekommen, um den Flügelschlag von echten Vögeln zu simulieren.