Digitale Souveränität: Die EU knickt vor Big Tech ein – aber es gibt einen Ausweg
Das Jahr 2025 begann mit einer Zäsur. Trump wurde wiedergewählt. Elon Musk hatte sich erfolgreich in den Wahlkampf eingekauft. Und Mark Zuckerberg schaffte es gerade noch, mit einer 180-Grad-Wendung vor Trump in den Staub zu fallen, um sich unter seinem Schutzschirm zu verkriechen.
Es war die Gelegenheit für Big Tech, wieder in die Offensive zu kommen. Die Europäische Union wollte schärfere Regeln für Plattformen durchsetzen. Doch als Trump mit Strafzöllen drohte, legte sie aus Angst um die Autoindustrie die Pläne erst einmal auf Eis.
Wir brauchen digitale Souveränität
Wir haben Regeln, die Wettbewerb, Meinungsfreiheit und unsere Demokratie schützen – und die sollten wir auch durchsetzen. Dafür müssen wir weiter politischen Druck machen. Aber wir brauchen noch etwas anderes: digitale Souveränität. Ohne Alternativen bleiben wir in den Netzen von Zuckerberg, Musk und Co. gefangen.
Dieser Text ist in der Jubiläumsausgabe t3n 81 erschienen – ein Heft über die Technologien und Trends der nächsten 20 Jahre. Ab sofort könnt ihr es hier bestellen.
Wir haben leider nie gelernt, uns vorzustellen, dass es auch in der digitalen Welt demokratische Infrastrukturen geben kann. So, wie wir es in der analogen Welt kennen. Als Gesellschaft bauen und betreiben wir Straßen, den öffentlichen Nahverkehr, Schulen oder Bibliotheken gemeinsam als Teil der Daseinsvorsorge.
Warum glauben wir im Digitalen, dass Unternehmen die Infrastruktur bereitstellen und damit Geld verdienen müssen? Stellen wir uns das in der analogen Welt einmal vor: Mark Zuckerberg kauft die Straße vor unserer Tür und entscheidet über Nacht, dass wir auf dem linken Bürgersteig nur noch rückwärts gehen dürfen. Das würden wir doch auch nicht akzeptieren.
Eine Lösung liegt in Open Source
Eine Hoffnung liegt auf dem Fediverse. Darin schließen sich verschiedene soziale Netzwerke über offene Standards zusammen. Die Infrastruktur lässt sich sowohl gemeinschaftlich betreiben als auch durch Geschäftsmodelle finanzieren. Ein gutes Vorbild für diese Architektur ist das E-Mail-System.
Mit Mastodon existiert bereits eine funktionierende Basis für einen Kurznachrichtendienst nach dem Vorbild von Twitter. Viele empfinden die Plattform jedoch als zu technisch und wenig benutzerfreundlich – oft, weil Ehrenamtliche sie entwickeln. Genau hier kann der Staat ansetzen: Mit gezielter Innovationsförderung könnte er professionelle Designer zur Mitarbeit motivieren und die Nutzerfreundlichkeit verbessern.
Der Staat sollte Open-Source-Projekte als gemeinnützig anerkennen.
Die Entwicklung und der Betrieb von Open-Source-Infrastrukturen leben oft vom Einsatz freiwilliger Helfer. Damit diese Projekte langfristig bestehen können, brauchen sie bessere Rahmenbedingungen. Der Staat sollte diese Projekte als gemeinnützig anerkennen, dann würden auch Spendenmodelle besser funktionieren. Zudem sollte er den Betrieb gemeinwohlorientierter digitaler Dienste steuerlich fördern und das digitale Ehrenamt stärker unterstützen.
Eine bessere digitale Welt ist möglich. Wir müssen sie uns nur vorstellen – und dann gemeinsam bauen.
Zum 20-jährigen Jubiläum von t3n haben wir Expert:innen gefragt, welche Trends und Technologien die Zukunft prägen werden. Einer von ihnen ist der Autor dieses Artikels: Markus Beckedahl, Gründer des Zentrums für Digitalrechte und Demokratie sowie Mitinitiator und kuratorischer Leiter der re:publica-Konferenz.
Markus Beckedahl ist am 29. August mit dabei auf unserem „Yo Future!“-Gipfel. Seid dabei und diskutiert mit uns die Weichenstellungen für die kommenden zwei Jahrzehnte. Sichert euch hier kostenlos einen Platz beim t3n Virtual Summit.