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Ratgeber

Digitale Transformation: Das Mr.-Miyagi-Paradoxon

Digitale Transformation wird oft dargestellt wie ein Bauch-Beine-Po-Programm: in drei Quartalen zum Erfolg. Das ist ein gefährliches Narrativ, weil es die Zeit des Übens ausklammert. Dabei sind es gerade die schmerzhaften Erfahrungen, die Wandel befähigen.

Von Marcus Naumann
4 Min.
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(Foto: dpa)

Man kennt diese Szene aus zahlreichen Filmen wie Karate Kid und Co.: Ein schluffiger Kerl hat eine Mission, sieht dafür aber nicht fit genug aus, kommt in die Obhut eines Meisters, gerne mit Bart, meistens asiatisch und eigentlich immer männlich. Es folgen wilde Schnitte mit Liegestützen und Klimmzügen, erst wenige, dann immer mehr, ab und zu Tränen, vielleicht eine Schürfwunde, dann die schwarze Blende … das Bild zieht wieder auf, unser Protagonist steht mit konzentriertem Blick seinen Feinden gegenüber und besiegt sie in den folgenden Szenen meisterhaft.

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Es ist das Narrativ unserer Zeit: Am Anfang steht die Mission und am Ende der Erfolg, der Konflikt dazwischen wird zusammengefasst, das Lernen ausgeklammert und der Schweiß in wenigen schnellen Schnitten kürzestmöglich erzählt. Diese Abkürzung verzerrt unsere Wahrnehmung darüber, was es heißt, bestimmte Dinge zu erreichen und mit wie viel Aufwand es verbunden ist. Sie überträgt sich auf alle möglichen Bereiche des Lebens und Arbeitens und ist eben nicht nur Stilmittel im Film.

Alles ganz schnell

Mit dem Abkürzen und dem Überspringen des mühseligen Übens wird auch die digitale Transformation erfolgreich vermarktet. Nämlich dann, wenn Berater und Linkedin-Powerpoint-Gurus sie aussehen lassen wie ein Bauch-Beine-Po-Programm. In drei Wochen zum Traumkörper oder in einem Quartal zur Traum-Transformation: Man müsse nur dem Programm folgen – also den Phasen und Folien – und schon seien alle Mitarbeiter auf Spur, arbeiteten fröhlich, agil und kollaborativ. Zu suggerieren, Wandel ginge schnell, ist dabei schlimmer als zu suggerieren, Wandel sei einfach. „Übung macht den Meister“ wird zwar gern als Binsenweisheit abgetan, aber wenn es die vielzitierten 10.000 Stunden braucht, um in irgendetwas richtig gut zu werden, dann bedeutet das fünf Jahre harte Arbeit, auch für die digitale Transformation. (10.000 Stunden sind umgerechnet 1.250 Arbeitstage à 8 Stunden, das Jahr hat ungefähr 250 Arbeitstage = 5 Jahre.)

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Missgunst, Schadenfreude, Neid, Zweifel – die wahren Zutaten für Wandel

In etwas gut zu werden, bedeutet, durch eine lange Zeit zu gehen, in der man noch nicht gut ist. Aber je länger und konzentrierter wir etwas tun, desto besser werden wir darin – und desto mehr achten wir auf Details. Etwas neu zu erlernen verlangt, viele kleine Experimente durchzuführen und viele Male zu scheitern und sich so einen immer dichteren Insight-Teppich zu weben und immer bessere Fragen zu stellen. Transformation lebt von der Motivation, etwas bewusst zu tun, in dem man nicht gut ist und diese Sache sehr lange zu tun. Üben, bis es nicht mehr weh tut.

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Es gibt diesen Aphorismus, den Fitnesstrainer gerne bemühen: Schweiß ist Schwäche, die den Körper verlässt. Ein wunderbares Bild, weil es den Moment zelebriert, auf den es ankommt – nämlich das Üben selbst. Schweiß und Schmerz der Transformation sind Angst, Missgunst und Schadenfreude. Im Wandel wächst man wie beim Sport an den Konflikten, die man überstanden hat. Schaltet man aber von Anfang an auf Konfliktvermeidung, bleiben nicht viele Konflikte, mit denen man wachsen kann.

Schadenfreude – ein Gefühl aus dem menschlichen Miteinander

Schadenfreude heißt, jemand freut sich, wenn es woanders nicht läuft oder andere scheitern. Das Ziel digitaler Transformation ist es, die Wünsche und Entwicklungen motivierter Mitarbeiter so zu kanalisieren, dass ein gemeinsamer Wandel und eine eigene Selbstfindung darin möglich werden – der viel beschworene Kulturwandel.

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Wenn die motivierten Menschen den Wandel gestalten, wird es andere Mitarbeiter geben, die nicht mitziehen. In besagten fünf Jahren wird es sehr oft vorkommen, dass etwas nicht funktioniert, ein Projekt scheitert und Maßnahmen nicht greifen. Also wird es Häme von all denen geben, die nicht Teil des Projekts waren, weil sie es nicht sein wollten. Sie werden schadenfroh sein und sagen, es von Anfang an gewusst zu haben.

Schadenfreude entspringt aus dem menschlichen Miteinander. Es ist ein Gefühl, das Neid braucht. Starker Neid wiederum wird ausgelöst, wenn unser Alter Ego im Spiel ist, wenn also andere Menschen dort erfolgreich sind, wo man selbst gerne erfolgreich wäre. Wenn jemand anderes scheitert, wirkt das auf den Neider psychisch entlastend, weil es zu einer Aufwertung des eigenen Selbstbildes kommt. Ein Unternehmen ohne Schadenfreude gibt es nicht, denn es wäre ein Unternehmen ohne Leistungsgefälle.

In der Transformation ist das Unternehmen im Krieg mit sich selbst

Konflikt fördert Wandel. Wenn man Transformation als die gemeinsame Anstrengung begreift, die sie ist, dann versteht man, dass jede Taktik der Konfliktvermeidung (zum Beispiel durch Labs, also das Auslagern von Konflikten) schädlich ist. Der Grund: In der Konfliktsituation entstehen neue Beziehungen unter Mitarbeitern, wenn sie sich zusammenraufen, im Konflikt werden auch neue Tools ausprobiert, weil man dazu genug genervt und verärgert sein muss. Im Konflikt werden neue Prozesse ausprobiert, weil plötzlich alles infrage gestellt werden darf. Im Konflikt werden auch Menschen vor den Kopf gestoßen, die daraufhin das Unternehmen verlassen. Auch das gehört zum Wandel. Schadenfreude ist dabei die regulierende Instanz, die indiziert, was Mitarbeitern selbst wichtig ist und auch die Instanz, die etwaige Überambition erdet, zumindest aber kommentiert.

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CEO, die Wandel als Zustand konzentrierter Übung und Konflikt verstehen, optimieren deshalb auf den Schockmoment. Sie wissen, dass Wandel weh tun und viel länger dauern wird, als man selbst und als die Belegschaft glaubt. Wenn man etwas tut, um darin besser zu werden und nicht, um fertig zu werden, dann verändert es das Narrativ und macht die Mitte der Erzählung wichtig – wo geschwitzt und gestritten und wo Schadenfreude zu einem mächtigen Werkzeug späterer Anerkennung wird.

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