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Digitalisierung: Gute Fortschritte, fehlende Geschäftsmodelle

Die Digitalisierung ist im Mittelstand angekommen. Dennoch stehen viele erst am Anfang. Der nächste Schritt erfordert Kreativität und gute Ideen. Erst ein strategischer Einsatz der Digitalisierung bei den Primärprozessen kann das meiste rausholen, sagt unser Gastautor.

Von Siegfried Lettmann
4 Min. Lesezeit
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(Foto: everything possible/Shutterstock)

Tradition und Neues

Für Startups, viele jüngere Unternehmen und dergleichen ist die Digitalisierung schon länger Teil des Geschäfts. Aber auch in traditionellen Gewerben und der klassischen Industrie ist die Digitalisierung inzwischen in allen Köpfen – und, vor allem bei den internen Prozessen, bereits zu guten Teilen umgesetzt. Vielerorts betreffen entsprechende Maßnahmen aber nur einzelne Bereiche oder unterstützen nur die interne Organisation.

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Mittelfristig werden die größten Gewinner jene sein, die auch primäre Geschäftsprozesse bedenken und die Digitalisierung und ihre Möglichkeiten strategisch einsetzen – entsprechende zugkräftige Geschäftsmodelle inklusive. Der nächste Schritt wird dahin führen, die neuen Technologien nicht nur unterstützend, sondern wertschöpfend einzusetzen. Bei den meisten Unternehmen gibt es hier noch großen Nachholbedarf. Das liegt möglicherweise auch daran, dass die Vorzeige-Player beispielsweise für produzierende Gewerbe vermeintlich keine guten Vorbilder sind. Daneben trägt mit Sicherheit auch der Faktor Verantwortung, dass traditionelle Geschäftsmodelle nicht einfach so „auf digital“ umgestellt werden können. Das erkennt man auch daran, dass in einer Capital-Studie mehr als die Hälfte der Befragten angab, nicht zu wissen, welche Faktoren der Digitalisierung für die eigenen Unternehmen überhaupt wichtig sind.

Wenn die eigene Leistung auch digitalisiert aus einem Guss wirken soll, braucht es dafür ein entsprechendes Geschäftsmodell. Denn ein Faktor wird auf jeden Fall digitalisiert: Das (Einkaufs-)Verhalten der Kunden. Das führt in weiterer Linie dazu, dass die Nachfragestrukturen sich ändern, was wiederum auf die Angebotsstruktur weiterwirkt. Wenn die Geschäftsfelder und Wertschöpfungsketten sich ändern, muss das Wertschöpfungsmodell mitziehen, will es wirklich anschlussfähig sein.

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Neue Zugänge erarbeiten

Auch gibt es einige zugkräftige Mittel und Ansatzpunkte, um eine gute, innovative und zugkräftige Strategie zu entwickeln. Deloitte wies im Kontext bereits auf die starke Medienpräsenz ausschließlich oder ganz stark digitaler Geschäftsmodelle hin. Das kann mitunter etwas einschüchternd wirken. Aber auch viele Unternehmen, die nicht mehrmals wöchentlich durch die Medien geistern, sind dennoch erfolgreich – oft aufgrund ihrer guten Kundenbeziehungen. Gerade hier kann ein digitalisiertes Angebot sehr wirksam sein, wenn es den Bedürfnissen heutiger Kunden entgegenkommt.

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Das Gute an der Sache: Auch in dieser Hinsicht bestimmt die Nachfrage das Angebot. Es wurden deshalb gerade in den letzten Jahren einige Ansätze entwickelt, die in diesem Zusammenhang gewinnbringend eingesetzt werden können. Hierbei geht es stets darum, komplexe Organisationen durch eine grafische Schematisierung begreifbar abzubilden. Große Bekanntheit hat inzwischen etwa der Business-Model-Canvas von Alexander Osterwalder erreicht. Auf einem einzigen Blatt finden hier alle konstitutiven Elemente eines Geschäftsmodells Platz, was nicht nur für gute Übersicht sorgt, sondern auch die Verbindungen der einzelnen Bereiche untereinander deutlich und benutzerfreundlich abbildet. Ein weiteres Beispiel ist der von VDI und RWTH Aachen gemeinsam erarbeitete „VDI Industrie 4.0 Canvas“, der vor allem auf die Darstellung von Netzwerkbeziehungen digitaler Geschäftsmodelle ausgelegt ist und die Wertschöpfungsnetzwerke strukturiert abbildet.

Die Blaupausen werden für die weiteren Schritte immer dünner. Die Unternehmen müssen hier individuelle Zugänge erarbeiten, wobei andere Fähigkeiten eine Rolle spielen als jene, die im Tagesgeschäft wichtig sind. Viele haben schlicht wenig Erfahrung mit solchen Themen und Eingriffen. Das beeinflusst auch die eigene Perspektive: Man neigt dazu, Herausforderungen als schwieriger und komplexer einzustufen, als sie vielleicht wirklich sind, wenn zu wenig Erfahrung vorhanden ist. Im Prinzip ist der bedeutendste Ansatz nach wie vor der Kunde, seine Anforderungen und die eigenen Kernkompetenzen. Wer damit am besten umgeht, wird auch morgen noch erfolgreich sein. Von einer rein internen Vernetzung hat der Kunde aber oft nicht viel.

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Jobs-to-be-done – weg von der Produktzentrierung

Gute Ansatzpunkte für neue Geschäftsmodelle ergeben sich häufig durch eine Analyse der Aufgaben, für die die Kunden das eigene Angebot nutzen. Wenn man es schafft, hier analytisch und strategisch vorzugehen, erkennt man bald, was man besser machen könnte. Hier wird Theodore Levitts berühmtes Beispiel, dass der Kunde keinen Bohrer will, sondern ein Loch in der Wand, als Grundhaltung herangezogen. Das wertigste Angebot wäre hier eines, das das beste Loch garantiert – möglicherweise ist das gar keine Bohrmaschine. (Einmal ganz abgesehen davon, dass er das Loch sicherlich nicht zum Spaß haben will, sondern es einen bestimmten Zweck hat, der selbst ebenso überdacht werden sollte – wenn man auch einen Kleber nehmen kann, ist das Wettbewerbsumfeld sofort ein ganz anderes. Levitt greift also eigentlich immer noch ein bisschen zu kurz.) Die Digitalisierung gibt den Unternehmen völlig neue Instrumente an die Hand. Neue Geschäftsmodelle können in diesem Kontext auch zuerst zielgruppenspezifisch definiert und getestet werden. Wer ein gutes Kundensegment-Management hat, ist hier klar im Vorteil, und weiß genau, was spezifischen Kunden wichtig ist.

Viele Unternehmen denken zu produktorientiert. Diese Sichtweise ist traditionell gewachsen und hat ihre Daseinsberechtigung, kann aber mitunter in eine Sackgasse führen. Bleiben wir als Beispiel beim Loch in der Wand. Die beste Bohrmaschine könnte ausgedient haben, sobald das Laserbohren günstiger und energieeffizienter geworden ist. Schon jetzt hat eine Bohrung per Laser grundsätzliche Vorteile: Der Kraftaufwand ist für den Benutzer sehr gering und eine Laserbohrung spant nicht. Auch die Präzision ist ein Faktor, der die Laserbohrung für bestimmte Zielgruppen wie die Automotive-Industrie schon heute interessant macht. Ein entsprechender Servicevertrag, der die hohen Anschaffungskosten für die Kunden abfedert und damit gleichzeitig eine dauerhafte Kundenbindung erzwingt, würde auf dem heutigen Markt vielleicht einen größeren wirtschaftlichen Unterschied machen als ein besserer Bohrer.

Fakt ist: Produkte, vor allem digitale, sind wesentlich leichter zu kopieren als Geschäftsmodelle. Gute Geschäftsmodelle können daher nachhaltiger für bessere Umsätze sorgen. Viele der eingangs erwähnten Startups wissen das bereits. Für die traditionelleren Gewerbe wird das Erkennen dieses Umstandes vielleicht bald über ihr weiteres Bestehen entscheiden.

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