Die Netflixisierung von Disney Plus: Wie euch der Streaming-Dienst länger vor dem Bildschirm halten will
Mit hartem Vorgehen gegen Account-Sharing will Disney sein Streaming-Geschäft vorantreiben. Doch die Abonnent:innen-Zahlen ist nicht das einzige, das für Disney Plus höhere Einnahmen bescheren soll. Wie das Wall Street Journal (WSJ) von aktuellen und ehemaligen Disney-Angestellten erfahren hat, wird vor allem der Faktor „hours per subscriber“ intern diskutiert – also die Zahl der Stunden, die jede:r Abonnent:in letztlich streamt.
Indem diese Zahl erhöht wird, soll sowohl die Treue der Nutzer:innen als auch der Absatz durch Werbeeinnahmen gesteigert werden. Und um die Abonnent:innen dazu zu bringen, häufiger und mehr zu streamen, sind mehrere neue Funktionen im Gespräch.
So will Disney Plus zu häufigerem und längerem Streamen animieren
Den Insider-Informationen zufolge plant Disney Plus unter anderem einen stärker personalisierten Algorithmus und individuelle Werbebanner für neue Inhalte. Wer eine Serie nach wenigen Folgen abbricht oder länger nicht weiterschaut, soll per E-Mail daran erinnert werden, sie fortzusetzen.
Selbst unentschlossene Nutzer:innen, die sich noch nicht aktiv für einen Inhalt entschieden haben, sollen zum Streamen animiert werden. Wer keine Lust hat, mühsam durch die Content-Listen zu scrollen, soll zudem mit Pop-up-Livekanälen unterhalten werden, die einem – solange man nicht wegschaltet – eine vollständige Serie wie Die Simpsons oder das gesamte Marvel Cinematic Universe herunterspielen.
Disney Plus nimmt sich Netflix zum Vorbild
Penetrante E-Mails und datenbasierte Vorschläge – das erinnert nicht nur zufällig an Netflix. Genau diesen Streamingdienst, den Disney-Chef Bob Iger laut dem WSJ erst im Mai als „goldenen Standard“ der Branche bezeichnet hat, nimmt sich Disney Plus den Insider:innen zufolge nun zum Vorbild.
Bislang hat Disney Plus seine Inhalte manuell durch Mitarbeiter:innen sortieren lassen und sie hierbei in verschiedene Kategorien wie Marvel, Pixar oder Star Wars eingeteilt. Netflix hingegen verlässt sich ganz auf seine Algorithmen und schlägt Abonnent:innen damit individuell neue Inhalte vor.
Ein weiteres Vorbild: Klassisches Fernsehen
Noch an ein weiteres Entertainment-Model erinnern die geplanten Neuerungen: an klassisches Fernsehen. Wer da nicht um- oder ausschaltet, wird weiter berieselt, so wie es auch Disney Plus mit seinen Live-Kanälen plant.
Wie beim Fernsehen könnten auf diesen Live-Kanälen Werbepausen eingespielt werden. Eine weitere Möglichkeit der Monetarisierung seien Sponsoren-Deals.
Knackt Disney Plus langsam das Erfolgskonzept?
Nachdem das gesamte Streaming-Konzept lange Zeit auf wackeligen Füßen stand, scheint sich der Markt langsam zu erholen. Dem Wirtschaftsmagazin Quartz zufolge machen Unternehmen wie Warner Bros. und Netflix mittlerweile Profit mit Streaming.
Möglich machen das unter anderem bei Nutzer:innen unbeliebte Maßnahmen wie Unterbindung von Account-Sharing, erhöhte Preise und die Einführung von Werbung. Laut Variety konnte auch Disney im Mai erstmals schwarze Zahlen im Bereich Streaming schreiben, als die Abonnent:innen-Zahl auf 117 Millionen geklettert ist. Jetzt müssen die nur noch richtig viel Zeit vor dem Bildschirm verbringen.