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DLD: „Europa könnte zu Digitalkolonie der USA oder Chinas werden“

Beim DLD in München wird in diesem Jahr vor allem die Kommerzialisierung des Netzes kritisiert. Europäische Staaten liefen Gefahr, zur digitalen Kolonie der USA und Chinas degradiert zu werden.

3 Min.
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Hubert Burda auf dem DLD 2020. (Foto: Sebastian Gabriel/Picture Alliance)

In München findet am Wochenende und heute der von der Burda-Gruppe averanstaltete DLD (Digital Life Design) statt. Die alljährliche Innovationskonferenz ist seit vielen Jahren ein Stelldichein von rund 1.500 Vordenkern aus unterschiedlichen Branchen – Techniker treffen auf Philosophen, Künstler auf Wirtschaftsexperten. Heraus kommt dabei stets eine spannende, manchmal etwas abgehobene, aber stets wenig erwartbare Mischung aus interessanten Gedanken international hochkarätiger Persönlichkeiten. In diesem Jahr stehen vor allem Themen wie künstliche Intelligenz, Klimawandel und Nachhaltigkeit und Zukunft der wirtschaftlichen Entwicklung im Vordergrund.

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Vor allem Kritiker amerikanischer Technologieriesen haben zum Auftakt der Innovationskonferenz DLD in München eine grundlegende Neuordnung der Digitalwirtschaft gefordert. Der Europa-Politiker Axel Voss (CDU) warnte, der Kontinent könne zu einer Digital-Kolonie der USA oder Chinas werden. Auch der Piraten-Politiker und Mitgründer der Website Pirate Bay, Peter Sunde, formulierte die Forderung, heutige wirtschaftliche Schwergewichte, die die Infrastruktur kontrollieren, müssten aufgespalten werden . Die philippinische Journalistin Maria Ressa warf Netzwerken wie Facebook vor, ihre Plattformen förderten den Aufstieg autoritärer Politiker.

Kommunikationskultur im Netz: Der Ton wird aggressiver

Ein viel diskutiertes Thema war auch die Kommunikationskultur, die immer mehr in Richtung Hatespeech tendiere. So prangert Ressa an, Facebook gebe Regimekritikern zwar auch die Möglichkeit, ihre Botschaften zu veröffentlichen, wobei sich Wut und Hass schneller verbreiten würden als weniger laute Botschaften. Diese Einschätzung unterstützte der US-Forscher Sinan Aral, der ein umfassendes Archiv von Twitter-Beiträgen ausgewertet hatte. „Gefälschte News haben sich schneller und weiter verbreitet als echte Nachrichten“, resümierte er.

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Voss, der eine zentrale Rolle bei der umstrittenen Reform des EU-Urheberrechts gespielt hatte, bemängelte unter anderem, dass aus Europa kein eigener Webbrowser oder eine Internet-Suchmaschine kämen. „Wenn Google morgen beschließt, seine Dienste für Europa abzuschalten, was würden wir auf dem Bildschirm sehen?“, fragte Voss. Sunde beklagte zudem die Naivität der Web-Pioniere, die eine utopische Vorstellung von einer freien globalen Netz-Community gehabt hätten – das Netz als Raum, in dem es Fairness und Gleichberechtigung per default gebe, sei eine Illusion und in der Praxis habe sich herausgestellt, dass das Internet dann von denen kontrolliert werde, die über Infrastruktur verfügten.

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Die Computerwissenschaftlerin Joy Buolamwini warnte, Diskriminierung und Rassismus im Alltag spiegelten sich auch in künstlicher Intelligenz wider – und könnten bestehende Vorurteile verfestigen. Das sei aus verschiedenen Gründen eine Gefahr. Buolamwini gründete in den USA eine Organisation, die sich dem Kampf gegen Ungerechtigkeit in Algorithmen widmet – die Algorithmic Justice League.

Themen zum DLD: Zwischen Hate-Speech und Klimawandel

Das Motto des DLD ist in diesem Jahr „What are you adding?“ – etwa: „Was bringst du ein?“. Die Frage soll zur aktiveren Beteiligung am aktuellen Wandel durch die Digitalisierung animieren. Das diesjährige Motto sei ihm zunächst fast ein bisschen aggressiv vorgekommen, sagte der Chef der Burda Media Group, Paul-Bernhard Kallen, bei der Eröffnung der seit Jahren auch weltweit beachteten Veranstaltung am Samstag. Doch da man über Gefahren für unsere Demokratien sprechen müsse, sei das Motto genau richtig. Es gehe darum, was jeder tun könne. Das gelte für viele der großen Probleme, egal ob für den enormen Hass in sozialen Netzwerken oder den Klimawandel.

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Es gebe so viel Kreativität, Intelligenz und – nicht zu vernachlässigen – jede Menge Geld in der Digitalbranche, sagte Clara Barnett, die für den Digital Service der britischen Regierung arbeitet. Und doch sei vieles im Internet ein ermüdender Strom endloser Produktwerbung oder ständiger Aufforderungen zur Selbstverbesserung, der die Menschen erreiche. „Wir müssen einen Schritt zurücktreten.“ Auch Bayerns Digitalministerin Judith Gerlach forderte, ein anderes Bewusstsein für die Probleme. „Wir müssen unser eigenes Verhalten überdenken.“ Zugleich biete die Digitalisierung genau die Möglichkeiten, die für die Lösung vieler Probleme nötig seien – und das nicht nur im globalen Maßstab.

Unter den weiteren Teilnehmern sind bis Montag (teilweise zum wiederholten Mal) Snapchat-Mitgründer Evan Spiegel, Facebooks Politik-Chef Nick Clegg, Wikipedia-Gründer Jimmy Wales, der Ex-Schachweltmeister und Putin-Kritiker Garry Kasparow sowie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Spannend ist zu beobachten, dass auf dem DLD seit Jahren immer wieder teilweise dieselben Persönlichkeiten zusammenkommen und auf einer der beiden Bühnen stehen, die Themen sich aber über die Jahre gewandelt haben. So ist der DLD ein bemerkenswertes Kaleidoskop, eine Art Thinktank aus international hochkarätigen Vordenkern geworden  – die sich größtenteils übrigens auf dem Weg nach Davos befinden und für die München quasi die regelmäßige Zwischenstation auf dem Weg dorthin ist. Mit Material von dpa

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Peter

„Europa könnte zu Digitalkolonie der USA oder Chinas werden“
Europa spielt beim Thema Digitalisierung jetzt schon praktisch keine führende Rolle. Konservative, verkrustete und bürokratische Hürden machen Europa in weltweiten Innovationsvergleich äußerst unattraktiv. Die deutsche Automobilindustrie, welche sich in diesem Jahrzehnt zunehmend in Richtung Elektro transformieren wird, hat in dem Bereich bereits verloren, der technologische Rückstand zu Tesla und den vielen chinesischen Herstellern lässt sich so ohne weiteres nicht mehr aufholen (ganz zu schweigen von der Sinnhaftigkeit der Elektroautos, aber solange die Gewinne steigen macht man halt alles mit).
Zudem gehen Fachkräfte vermehrt in die USA/China, weil dort eine entsprechende Innovationskultur gelebt wird. Die Automobilindustrie ist nur die Spitze des Eisbergs: Die Deutschland Politik ruht sich auf seinen Lorbeeren aus, im globalen Bereich daher größtenteils bereits verloren. Die breite Mittelschicht sollte Ihren Wohlstand genießen, für die meisten kommen in den kommenden Jahrzehnten bittere Zeiten zu…

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