Doo-Gründer Frank Thelen: „Es reicht eben nicht, viele Preise zu gewinnen“

Doo-Gründer Frank Thelen im t3n-Interview. (Foto: Doo)
Nach zweieinhalb Jahren ist Schluss: Die oft gelobte aber auf dem Papier weitgehend erfolglose Dokumenten-App Denn noch im vergangenen November hatte die Spitze um Doo-Gründer Frank Thelen im Gespräch mit t3n große Neuerungen angekündigt. Wir wollten jetzt von ihm wissen: Was steckt hinter dem plötzlichen Ende und wie geht es für das einst millionenschwer finanzierte Startup in Zukunft weiter?
t3n.de: Seit Freitag ist die Dokumenten-App Doo zumindest auf dem Papier Geschichte. Was hat euch das Genick gebrochen?
Frank Thelen: Das Engagement der Nutzer mit unserer App lag am Ende weit hinter unseren Erwartungen. In Parametern ausgedrückt bedeutet das: Durch die große Unterstützung, die wir von Konzernen wie Apple, Google und Microsoft, aber auch der Presse erhalten haben, konnten wir mit 300.000 Nutzern zwar ein solides Wachstum schaffen. Allerdings muss es dann auch gelingen, mit diesem Wachstum im Rücken eine täglich aktive Nutzerbasis aufzubauen. Und hier stellen uns die Zahlen ein wirklich schlechtes Zeugnis aus. Deshalb haben wir eingesehen, dass unser Geschäftsmodell nicht länger funktioniert. Wir haben Doo gegründet, um mit einem großen Team ein bedeutendes Produkt am Markt zu etablieren. Dieser Markt ist in Wahrheit aber eine totale Nische, das haben wir falsch eingeschätzt. Aktuell wollen die Leute dort draußen einfach noch kein ernsthaftes Dokumenten-Management im Haushalt betreiben.
Doo-Gründer Frank Thelen: „Es reicht nicht, viele Preise zu gewinnen“
t3n.de: Der Markt für die digitale Dokumentenverwaltung ist eine Nische? Die Konkurrenz um Gini oder Doctape ist doch da …
Frank Thelen: Natürlich gibt es diesen Markt und wir waren selbstverständlich nicht allein in diesem Segment unterwegs, auch große US-Player versuchen sich am papierlosen Büro. Es reicht aber eben nicht, als Startup viele Preise zu gewinnen und die beste Lösung am Markt zu haben, es müssen auch die eigenen Zahlen stimmen. Das tun sie aber nicht. Zudem haben wir uns natürlich auch die Konkurrenz angeschaut. Heutzutage sind die App-Stores relativ offen. Das heißt: Man kann sich ziemlich genau anschauen, wie viele Downloads zum Beispiel Gini im Vergleich zu Doo hat. Das ist ja keine Rocket-Science. Und wenn ich mir den Markt hier insgesamt ansehe, gibt es in dieser Hinsicht aktuell wenige Startups, an denen ich gerne beteiligt wäre. Selbst die größten Player wie De-Mail müssen schon Konzertkarten für „Fanta 4“ verlosen, damit sich überhaupt jemand einen Account anlegt.

Aus der Traum vom papierlosen Büro: Das Bonner Startup Doo schließt seine Pforten und plant neues mit alten Technologien. (Bild: doo)
t3n.de: Die Einstellung der App kommt trotzdem überraschend. Schließlich hast du im November noch über die Zukunftspläne von Doo gesprochen, unter anderem auch Partnerschaften mit Banken und Corporates angekündigt. Was ist daraus geworden?
Frank Thelen: Wir haben die Gespräche natürlich geführt und das Interesse von Seiten einzelner Banken und Unternehmen hat es auch gegeben. Nur: Die Zahlen lügen nicht. Wir wussten schließlich, wie wenig Nutzer wir aus unserem Wachstum generieren. So haben wir am Ende auch bei den potentiellen Partnern nicht mehr die notwendige Perspektive gesehen, die ein entsprechendes Engagement in dieser Richtung gerechtfertigt hätte.
t3n.de: Wann genau kam denn der Entschluss, Doo einzustellen?
Frank Thelen: Vor wenigen Wochen erst, das war ein sehr kurzfristiger Entschluss. Vorher sind wir gar nicht vom Gas gegangen. Deswegen habe ich im November auch noch voller Enthusiasmus über das Produkt gesprochen. Alles andere wäre auch falsch. Aber irgendwann fängt man an, die eigenen Fehler für sich bei einem Glas Rotwein zu reflektieren und sagt sich: „Jungs, wir haben alles versucht aber es geht nicht mehr.“ Insofern haben wir uns mit dem Team zusammengesetzt und gemeinsam entschieden, die App einzustellen.
Frank Thelen: „Das Aus von Doo tut mir persönlich sehr weh.“
t3n.de: Welche Lehren zieht ihr aus dem gescheiterten Doo-Projekt? Was habt ihr falsch und was richtig gemacht?
Frank Thelen: Eine sehr schwierige Frage. Ich glaube zunächst, dass wir uns in den vergangenen zweieinhalb Jahren einer großen wie herausfordernden Idee mit viel Herzblut und Begeisterung angenommen haben. Das fehlt in Deutschland manchmal. Unser Fehler lag letztlich darin, dass wir ein Produkt geschaffen haben, für das es keinen richtigen Markt gibt. Das muss man ernst nehmen, vor allem, weil dadurch natürlich auch eine Menge Geld verloren gegangen ist. Ich sage aber auch: Wer ein Startup gründet, muss sich auch einfach mal etwas trauen, seinem Gefühl folgen und sagen: „Ich glaube, dieses Produkt wird benötigt und darum gebe ich jetzt Vollgas.“ Hier die richtige Balance zwischen Passion, einfach mal loslegen und sehr überlegtem Handeln zu finden, ist ungeheuer schwierig.
Natürlich hätten wir mit Doo auch den klassischen „Lean-Startup“-Weg gehen können. Dann hätten wir mit etwas ganz kleinem angefangen, die Nutzerentwicklung beobachtet und bei entsprechendem Wachstum das nächste Teilstück an das Produkt gebaut. Das ist ein professioneller und guter Ansatz. Nur entwickelst du als junges Unternehmen so natürlich kein revolutionäres Konzept. Als myTaxi gestartet ist, haben alle gesagt: Das wird nicht funktionieren – und es hat funktioniert. Als Wunderlist gestartet ist haben alle gesagt: Warum denn noch ein Task-Manager, das ist doch bescheuert – und es hat funktioniert. Als Dropbox gestartet ist, haben alle gesagt: Wir haben schon Cloudspeicher, das ist doch bescheuert – und es hat funktioniert. Was ich damit sagen will: Mit Doo war unsere Intention nicht anders, nur hat es eben nicht funktioniert. Das tut mir persönlich sehr weh, ich sage aber auch: Man kann Fehler machen und etwas in den Sand setzen, aber es ist wichtig, dass man diesen Gründer- und Pioniergeist bewahrt und auch in Zukunft weiter offen für verrückte Dinge wie Doo ist.

Das Doo-Hauptquartier in der Argelanderstraße in Bonn: Hier tüftelte das Startup zweieinhalb Jahre lang an der Vision des papierlosen Büros. (Foto: Doo)
t3n.de: Wie geht es mit Doo denn jetzt weiter? Schließt ihr die Doo GmbH komplett oder wird nur ein neues Produkt unter altem Dach entwickelt?
Frank Thelen: Die GmbH und ein Großteil des Teams (etwa 30 Mitarbeiter, Anm. d. Red.) bleiben bestehen, nur die Produktstrategie wird geändert. Wir wenden uns von Dokumenten ab, weil diese Art von Produkt derzeit im Consumer-Bereich einfach nicht funktioniert. Wir sind aber der festen Überzeugung, trotz des Scheiterns mit der Dokumenten-App Doo eine Technologie im Sync- und Sicherheitsbereich aufgebaut zu haben, die so im Markt nicht existiert. Deswegen widmen wir uns jetzt einem allgemeineren Thema, das genau diese Technologie benötigt.
t3n.de: Wie können wir uns das neue Produkt vorstellen?
Frank Thelen: Es wird um Sync-Technologie, aber auch um Dateien und Sicherheitsaspekte gehen.
„Doo-Gründer: „Es wird zwei neue Produkte geben.“
t3n.de: Also praktisch Doo als cloudbasiertes Bezahlprodukt für Enterprise-Kunden?
Frank Thelen: Nein. Doo wäre ja wieder explizit die Dokumenten-App. Aus diesem Grund haben wir gesagt, dass nicht Doo schließt, sondern die Dokumenten-App. Wir glauben nicht daran, dass irgendein Konsumer-Startup in den nächsten ein bis drei Jahren im Dokumentenbereich Erfolg haben wird. Dafür haben es inzwischen einfach zu viele Player probiert. Es wird zwei neue Produkte von uns geben, wovon eines schon in wenigen Wochen auf den Markt kommen wird und sehr anspruchsvoll ist. Einerseits in Sachen Logik, andererseits in Sachen Design.
t3n.de: Finde ich das neue Produkt denn zuerst auf meinem iPhone oder im Web-Browser?
Frank Thelen: Wir glauben nach wie vor nicht ans Web. Das Web funktioniert nicht. Man kann im Web einfach nicht sauber verschlüsseln, auch kann man über den Web-Browser keine gute User-Experience bieten. Wir gehen weiter den Weg über native Apps mit der bestmöglichen Experience und der höchsten Sicherheit. Das ist wieder eine Herausforderung, aber wir geben Vollgas.