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Dieser Gründer will die Retourenquote bei Mode um bis zu 70 Prozent senken

Das deutsche Startup Dresslife verspricht, die hohen Retourenquoten im Onlinehandel drastisch zu senken. Im Interview erzählt der Gründer, wie er das schaffen will.

Von Yvonne Göpfert
4 Min. Lesezeit
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Julian Hensolt von Dresslife sagt: Runter mit der Retourenquote bei Mode. (Foto: Julian Hensolt)

Ein Startup aus Hannover ist angetreten, eines der größten Probleme im E-Commerce zu lösen: die Retourenquote senken. Dresslife hat dafür gerade einen weiteren Preis eingeheimst. „Dresslife – Weniger Retouren im Online-Modehandel“ zählt im Rahmen der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ der Bundesregierung zu den 100 „Ausgezeichneten Orten 2017“. Bis zu 70 Prozent der Retouren im Modehandel zu senken, sind eben ein gewichtiges Argument, um einen Preis zu bekommen.

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Erst letztes Jahr ist Nvidia auf das deutsche Unternehmen aufmerksam geworden und hat Dresslife den Artificial-Intelligence-Retail-Preis verliehen. Wir haben mit Julian Hensolt, einem der Gründer von Dresslife, über die Idee und das Geschäftsmodell gesprochen.

t3n.de: Mode aus dem Internet passt selten. Ihr wollt nun dafür sorgen, dass die bestellte Kleidung in Zukunft auch richtig gut sitzt. Wie wollt ihr dieses Ziel erreichen?

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Julian Hensolt: Wir nutzen die Maße der Kunden und Metaparameter zu den Kleidungsstücken. Hinter jedem T-Shirt und jeder Hose verbergen sich nämlich physikalische Parameter der Stoffindustrie wie Dehnbarkeit, Dämpfung, Dichte et cetera. Diese matchen wir dann mit den Kundendaten, um die optimale Größe für jeden Kunden herauszufinden. Zudem nutzen wir Informationen des Kunden, um dem Kunden Kleidung nicht nur in seiner Größe, sondern auch in seinen Lieblingsfarben vorzuschlagen.

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t3n.de: Und wo kommt Künstliche Intelligenz zum Einsatz?

Wir haben rund 100 Informationen zu einem Kleidungsstück. Wenn nun ein Kunde sagen wir fünf Teile behält und fünf Teile zurückschickt, wissen wir schon recht genau, welche Modelle dem Kunden passen. Hierdurch findet unsere KI heraus, was dem Kunden wirklich gut steht. Das senkt die Retouren um bis zu 70 Prozent.

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t3n.de: Wie beeinflusst eure Software in der Praxis das Online-Shopping?

Wenn der Kunde online bestellt und zwei verschiedene Größen eines Kleidungsstücks in den Warenkorb legt, ist klar, dass er eines der beiden zurückschicken wird. Wir fragen daher im Warenkorb mit Hilfe eines Popups nach Größe, Gewicht und Geschlecht des Kunden. Weil wir wissen, dass Teile von einer Marke besonders eng ausfallen oder Größe 38 bei Anbieter X Größe 40 bei Anbieter Y entspricht, können wir dem Kunden sagen: „Für dich ist Größe 38 genau richtig. Möchtest du nicht Größe 40 aus dem Warenkorb löschen? Dann musst du dich nicht um die Rücksendung kümmern.“ Denn allein mit Hilfe unserer Daten erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde das Kleidungsstück bestellt, das ihm wirklich passt.

t3n.de: Und wie sieht es bei Folgekäufen aus?

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Wir ziehen die Daten zur Retourenhistorie des Kunden in unser System. Anhand einer zurückgesandten Jeans, die ja aus recht festem Material besteht, lässt sich auf den Bau des Unterkörpers des Kunden schließen. Ein festeres Hemd definiert sehr gut den Oberkörper des Kunden. Damit wissen wir anhand der Retouren des Kunden, welche Größe der Kunde wirklich braucht.

t3n.de: Ihr kennt also die wahre Größe des Kunden anhand statistischer Vergleiche und Modelle. Macht ihr noch mehr als nur die passende Kleidung vorschlagen?

Ja, wir arbeiten auch noch mit Personas. Wir analysieren also, was bestimmte Kunden bestellen, vergleichen es mit ähnlichen Bestellungen anderer Kunden und bilden Cluster. Interessanterweise gibt es da gar nicht mal so viele verschiedene Gruppen. Wir kommen vielleicht auf 1.000 Cluster.

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t3n.de: Und was ist mit extrem großen oder extrem übergewichtigen Menschen?

Problematisch sind in der Tat die Ausreißer, sofern diese zum ersten Mal bestellen. Vor allem Menschen, die sehr lange oder sehr kurze Arme oder Beine haben. Hier haben wir die Möglichkeit, weitere Daten in das Kundenprofil einzutragen, indem wir ein erweitertes Formular anbieten, das auch Armlänge oder Hüftumfang heranzieht. Aber für den Kunden ist das schon wieder recht umständlich, da er diese Maße ja normalerweise nicht auswendig weiß und erst messen müsste, führt das schon wieder zu Aufwand. Theoretisch kann unsere Software anhand eines Fotos diese Maße auch ausrechnen. Doch unserer Erfahrung nach ist es den Kunden zu umständlich, ein Foto zu schicken und daher verzichten wir derzeit lieber darauf.

t3n.de: Der Modeberater Outfittery hat ja bereits mit einem Bodyscanner experimentiert, um die Retourenquote zu senken. Wird das die Zukunft sein – zumal aktuell ja Online- und Offline-Konzepte im Handel immer enger zusammenwachsen?

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Mit Scannern haben ja schon mehr Unternehmen experimentiert. Aber ich persönlich glaube nicht, dass sich das kurzfristig in der Breite durchsetzen wird. Denn ein Scanner kostet Platz im Laden – Platz, der als Verkaufsfläche fehlt. Bei Ladenmieten von 800 Euro pro Quadratmeter und mehr wird da viel Geld verschenkt. Daher glaube ich, dass sich dies eher bei sehr großen Unternehmen lohnt. Zudem sehen wir in ersten Versuchen, dass mit der statistischen Auswertung der Bestellungen und Retouren ein ebenfalls sehr gutes Ergebnis erzielt werden kann.

t3n.de: Stichwort wahre Größe: Bei nichts wird mehr gelogen als beim Gewicht und bei der Größe eines Menschen. Wie geht ihr damit um, dass bei euren Fragen eigentlich alle schummeln?

Wir arbeiten ja mit einem statistischen Modell. Je mehr Daten wir haben, desto mehr egalisieren sich die Lügen. Und wenn 50 Prozent lügen und 50 Prozent ihr wahres Gewicht und ihre wahre Größe angeben, dann können wir anhand der Retouren wieder Cluster bilden. Nach der Rücksendung von zwei bis fünf Hosen wissen wir übrigens ganz genau, welche Größe ein Kunde wirklich hat.

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t3n.de: Noch ein Wort zu eurem Geschäftsmodell: Wenn ein Modehändler eure Technik nutzen will, wie wird abgerechnet? Verkauft ihr eine Lizenz? Oder werdet ihr bezahlt je nach prozentualer Senkung der Retourenquote? Oder gibt es eine Provision auf verkaufte Kleidungsstücke, die nicht zurückgeschickt werden?

Wir sind aktuell sehr offen bei der Bezahlung. Für uns steht die Optimierung der Technik im Vordergrund, wir wollen lernen. Daher zwingen wir unseren Kunden kein Bezahlmodell auf, sondern verhandeln mit jedem Kunden individuell.

t3n.de: Wie sieht eure Zukunft aus?

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Wir gehen mit Dresslife dieses Jahr noch nach San Francisco. Das halbe Team wird sich dort niederlassen und Erfahrungen auf dem amerikanischen Markt sammeln. Ich selbst werde pendeln.

t3n.de: Vielen Dank für das Gespräch.

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Den

Wie soll das ganze Kleidungsstück und Kundenmaße gematche funktionieren, wenn sich die Hersteller nicht einigermaßen an übliche Kleidungsabmessungen halten.
Hatte kürzlich im Laden von drei Markenherstellern T-Shirts an und alle drei hatten unterschiedliche Vorstellungen zur Größe L. Auch innerhalb des Herstellers passte eine L, beim anderen Shirt mal ein L gerade so, und beim anderen Motiv auf dem Shirt musste in eine XL nehmen.
Gleicher Hersteller, gleiches Material, unterschiedliches Motiv, aber unterschiedliche Abmessungen!
Und bei verschiedenen Marken, ist sowieso alles unterschiedlich groß, auch wenn es die gleiche Größe sein soll.
Na dann viel Spaß beim Matchen.
Da wird trotzdem weiter zurückgesendet.

Antworten
lola

Na wenn man Restposten kauft dann sind die Größen eben unterschiedlich. Otto und Quelle hatten früher noch „Einkäufer die Waren bestellt haben, oder gar langfristige Verträge hatten.
Heute gibts nur Containerkäufer die einfach alles abnehmen.

Selber schuld und besten Dank an die EU den Verbraucher wenigstens etwas zu schützen

Antworten
Benny Lava

Auch eine Idee:
Man richtet überall Räume ein, wo die Hersteller ihre Kleidung schicken können und der Kunde probiert sie dort an und nimmt sich gleich das passende.

Vor diesen Räumen können die Hersteller ihre Ware auch noch passend presentieren, dann kann der Kunde zusätzlich noch auswählen.

Und am Ausgang kann ein Shoppingsystem installiert werden, wo der Kunde gleich vor Ort bezahlen kann.

Revolutionär, oder?

Antworten
thowe

Der Onlinehandel im Modebereich kann nicht so funktionieren wie in den vielen schönen einzelnen, Shops, Boutiquen, Geschäften etc…

Warum nutzt der stationäre Handel nicht die Lösung von Dresslife?

Ab ins Geschäft als Kunde mit Handy inkl. Dresslife-App. Mittels NFC, RFID oder was auch immer matcht der stationäre Handel während ich als Kunde eintrete. Eine freundliche Mitarbdeiterin – ja Mitarbeiterin (darauf bestehe ich) erhält die Infos was mir so gefällt, welche Größe ich habe etc…. und kann zielgerichtet nachdem Sie mich gefragt hat, was ich gerne hätte (modische Kleidung, was sonst) die „Wäsche“ zusammensuchen. Zwischenzeitig trinke ich einen Kaffe, Orangensaft oder was auch immer und lasse mich mit einer interaktiven Modeschauf inspirieren.

Das ist ein Einkaufserlebnis. Wenn schon alle profanen Dinge des Lebens ein Erlebnis sein müssen…. Kundenbindung und pure Emotionen inbegriffen….

LG thowe
NS: das ist meine Idee und wir im morgigen „Pitch“ auf ca. EUR xy,zzz Mrd. bewertet! ;-)

Antworten
Erin

ZARA macht sowas und es funktioniert ganz gut.

Antworten
Gerd Schwaderer

Schöne Idee fürs Datensammeln, könnte an dem schnellen Wechsel der Produkte scheitern. Zudem schätzt sich jeder tendenziell dünner al er ist. Und Frauen wollen 36 kaufen obwohl Sie 38 sind. Aber das könnte man dadurch abfedern, wenn man nach den ersten Retouren von Kunden deren Statur man kenn, rückschliessen kann welches Etikett da eigentlich rein sollte. Ok. Cool.

Antworten
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