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DSGVO: Namen dürfen auch ohne Zustimmung von Mietern auf Klingelschilder

Kuriose Auswüchse der neuen DSGVO? Das Namensschild an der Türklingel könnte plötzlich die Privatsphäre des Mieters verletzen. Datenschützer halten das für unsinnig. Eigentümer-Verbände fordern Klarheit vom Gesetzgeber.

3 Min. Lesezeit
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(Foto: Shutterstock / VCoscaron)

Verstößt das Klingelschild eines Mieters an der Haustür gegen die Datenschutzgrundverordnung? Über diese Frage ist ein heftiger Streit entbrannt. Der Immobilien-Eigentümerverband Haus & Grund empfiehlt der Bild-Zeitung zufolge aktuell seinen Mitgliedern, vorsorglich die Namensschilder zu entfernen. Nur so könne sichergestellt sein, dass die Privatsphäre der Mieter gewährleistet und Bußgelder in Millionen-Höhe für den Vermieter vermieden würden, zitiert die Zeitung Verbands-Präsident Kai Warnecke.

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Ohne explizite Einwilligung der Mieter seien die Namen an den Klingelschildern „möglicherweise unzulässig“, schreibt der Verband in einer aktuellen Mitteilung. „Es darf nicht sein, dass Vermietern hohe Bußgelder drohen, nur weil sie die Namen ihrer Mieter an den Klingelschildern anbringen“, sagte Warnecke.

Müssen Mieter jetzt also ihre Klingelschilder abschrauben? Datenschützer halten das für übertrieben. Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff empfiehlt Verbänden und Institutionen, sich vor etwaigen öffentlichen Ratschlägen bei den zuständigen Aufsichtsbehörden erst einmal nach der Rechtslage zu erkundigen. Ein Klingelschild mit Namen falle in der Regel gar nicht in den Anwendungsbereich der DSGVO.

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Keine automatisierte Datenerfassung

„Wir halten die DSGVO hier nicht für anwendbar, da es sich um keine automatisierte Datenerfassung handelt“, sagt auch Jana Schönefeld, Sprecherin der Berliner Datenschutzbeauftragten Maja Smoltczyk, der dpa. Das Regelwerk greife nur bei automatisierten Datenverarbeitungen und Dateien.

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„Offensichtlich geht es hier einmal mehr darum, die Menschen mit derartigen Absurditäten zu verunsichern und substanzlos gegen die neue EU-Datenschutzgrundverordnung zu wettern“, schätzt der netzpolitische Sprecher der Grünen-Faktion, Konstantin von Notz. Die Behauptung, die Klingelschilder müssten abmontiert werden, „entbehrt jeder Grundlage“, da sie überwiegend analog und deshalb datenschutzrechtlich nicht betroffen seien. Selbst bei digitalen Klingelschildern liege ein „berechtigtes Interesse im Sinne von Artikel 6 DSGVO“ vor.

Auch die Netzpolitikerin der SPD, Saskia Esken, sieht in der Diskussion lediglich einen Versuch, „die DSGVO zu diskreditieren und die Menschen zu verunsichern“. „Die Datenschutz-Grundverordnung verbietet keine Namen auf Klingelschildern“, sagt sie. Jeder könne selbst entscheiden, was an der Haustür stehe – „Datenschutz ist informationelle Selbstbestimmung“.

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Vor rund einer Woche hatte allerdings bereits die österreichische Hausverwaltung „Wiener Wohnen“ für Schlagzeilen gesorgt. Nach der Beschwerde eines Mieters entschied sich der Verband, an 220.000 Wohnungen sukzessive die Namensschilder gegen die Wohnungsnummer auszutauschen. Die für Datenschutzangelegenheiten der Stadt zuständige Magistratsabteilung schätze die Verbindung von Nachname und Wohnungsnummer als einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung ein, hieß es. Wer dennoch seinen Namen am Klingelschild haben wolle, müsse nun selbst einen Aufkleber anbringen.

Angst vor Mieterklagen

Die rechtliche Einschätzung aus Österreich sei nicht von der Hand zu weisen, sagte Haus-&-Grund-Präsident Warnecke der dpa. Der Verband mit Sitz in Berlin vertritt rund 900.000 Mitglieder. „Wir wollen nicht in die Situation kommen, dass jeder Mieter klagen könnte.“ Wer auf Nummer sicher gehen wolle, sollte deshalb die Namensschilder an den Klingeln entfernen lassen. Sofern sich kein Mieter beschwert habe, brauche jedoch niemand unbedingt aktiv zu werden. Warnecke erwartet jedoch, dass die Streitfrage nun von der Politik gelöst werde. „Das schreit nach einer Klärung.“

Er sehe keine Notwendigkeit, die Namensschilder abzumontieren, sagte dagegen der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri. Der Vermieter sei im Regelfall sogar verpflichtet, einen Namen an die Klingel zu schreiben. Nur bei einem Widerspruch müsse das Schild weg. Ähnlich sieht es auch der Präsident der bayerischen Datenschutzaufsicht Thomas Kranig. Die Entscheidung aus Wien halte er für übertrieben, sagte Kranig der Augsburger Allgemeinen.

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Auch die Berliner Datenschutzbehörde sieht keinen Grund zur Panik. Sie empfiehlt Vermietern, den Mietern bei Neuvermietung eine Wahlmöglichkeit zu bieten. Alle Namensschilder von Alt-Mietern zu entfernen, wäre dagegen „wirtschaftlicher Wahnsinn“, sagte Schönefeld. Bei möglichen Klagen würde ihre Behörde den Vermieter anschreiben. Die Verhängung von Bußgeldern hält Schönefeld – zumindest in Berlin – für unwahrscheinlich.

Die Datenschutzgrundverordnung ist nach einer zweijährigen Übergangsfrist seit Mai offiziell in Kraft und gilt erstmals europaweit. Zum ersten Mal sieht das Regelwerk auch empfindliche Bußgelder in Millionenhöhe bei Verstößen vor. Damit erhoffen sich die Datenschützer vor allem ein wirksames Instrument gegen wiederholte Verstöße etwa durch Internet-Größen wie Facebook und Google. In vielen Anwendungsfällen, etwa in kleinen Firmen, bei Vereinen – oder nun auch bei Vermietern – herrscht allerdings vielfach Unsicherheit über die tatsächliche Auslegung. dpa

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ICU

Kann micht nicht erinnern, dass ein Vermieter jemals bei meinen Wohnungen das Klingelschild angebracht hat. Das musste ich immer selber machen. Also selbst wenn es unter die DSGVO fallen würde, wäre es ja ein freiwilliger Akt meinerseits. Was soll dem Vermieter dann passieren?

Zurück zur Meldung: Hier wollen wieder nur Leute Klicks auf ihre Websites verkaufen ;-) Sonst ist das doch alles Quatsch.

Antworten
Thomas D.

Betrifft wohl vor allem große „Wohnbunker“ wie Hochhäuser mit entsprechender Verwaltung durch einen Hausmeister. Hat ja da auch was mit zu tun, dass es einheitlich aussieht und nicht jeder sein eigenes Schildchen anbringt.

Antworten
Titus von Unhold

Ich pflege weder ein Klingel-, noch ein Briefkastenschild zu haben. Das hat zwar auch Nachteile, die Vorteile überwiegen jedoch bei weitem. Insbesondere wenn man den anwaltlichen Rat befolgt an seiner Meldeadresse eine leere Wohnung vorzuhalten.

Antworten
Tobias Claren

Warum? Ich gehe ja selbst noch weiter, und rate dazu nie offiziell bei den Eltern auszuziehen, auch wenn das „illegal“ ist.
Und wenn ein Vermieter einen Ummeldenachweis verlangt, und man das trotzdem nicht will, auf dem Campingplatz oder in einem Wohnmobil leben. Theoretisch kann man den Campinplatz angeben müssen. Das Wohnmobil dort auch. Aber wenn man regelmäßig „umzieht“, woanders parkt, kann nicht verlangt werden ständig umzumelden.

Warum an der Meldeadresse also eine leere Wohnung?
Damit bei Durchsuchung etc. die Polizei keinerlei Probleme machen kann?
Ist aber ein teurer Luxus ;-) . Und gegen das Meldegesetz ist der Rat des Anwaltes dennoch, wenn man statt dessen woanders wohnt. Es gibt irgendwo einen Artikel der BZ oder anderer Berliner Polizei da jammert die Polizei dass sie Gesuchte immer häufiger nicht findet, weil die nicht da wohnen wo sie gemeldet sind ;-D .

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