Na, heute wieder nichts gemacht und erst gut, dann schlecht dabei gefühlt?
Prokrastination bringt zwei Dinge zusammen, die sie äußerst attraktiv machen. Erstens institutionalisiert sie das Gefühl des keine Lust habens. Und zweitens pappt sie einen kompliziert-coolen Begriff drauf. Trotzdem lässt sie uns teilweise mit einem unguten Gefühl zurück. Eine Wissenschaftlerin hat jetzt die verschiedenen Formen der Aufschieberitis analysiert und schlägt Lösungen vor.
Warum wir aufschieben und warum wir es lassen
Für ihre Arbeit hat Sahiti Chebolu sich Daten von Studierenden angeschaut, die innerhalb eines Semesters Versuchspersonenstunden ableisten müssen. Diese Stunden sind für Psychologie-Studierende Pflicht, aber eigentlich keine unangenehme Art, Zeit zu verbringen. Sie sind interessant, aber es gibt keine Note dafür. Das bedeutet: Idealerweise bringt man sie hinter sich, bevor sich die Prüfungen nähern.
Chebolu hat sich die Daten von 173 Studierenden angeschaut: Wann nahmen sie teil? Wie früh hatten sie alle geforderten Stunden erledigt? Die Neurowissenschaftlerin entdeckte Muster. Einige begannen früh und waren früh fertig, einige erledigten die Aufgabe in der Mitte des Semesters und einige kurz vor Schluss. Bei einer weiteren Gruppe zeigte sich kein klares Muster.
Gründe, warum die Studierenden ihre Stunden möglicherweise früher oder später absolvierten, gibt es einige. Eine Stellschraube, die dafür sorgt, dass Menschen handeln oder es lassen, ist die Verfügbarkeit von Belohnungen. Belohnungssensitive Menschen lassen Aufgaben, deren Belohnung weit weg liegt, möglicherweise liegen und wenden sich etwas angenehmeren zu. Deshalb scheitern Diäten und deshalb kommen so viele Steuererklärungen kurz vor der Deadline an.
Chebolu sieht neben diesem klassischen Grund aber noch weitere. Unsicherheit sei ein Faktor: Ist nicht klar, wie aufwendig eine Aufgabe sein wird, dann zucken wir zurück. Anderen fehle das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten oder den Sinn einer Aufgabe. Als Folge leide die Disziplin. Kommt dann ein niedriges Energielevel dazu, tut sich bald überhaupt nichts mehr.
Doch eine solche wissenschaftliche Diagnose hilft uns nicht dabei, fertig zu werden. Der Begriff der Prokrastination ist schick und klingt offiziell, aber er erledigt leider nicht den Job.
Einsicht ist der erste Schritt, Selbstvertrauen der zweite
Führt die Aufschieberei dazu, dass das Leben schwieriger wird, dann muss sich etwas ändern. Einsicht ist ein Schritt auf dem Weg zur Veränderung. Dabei hilft ein klarer Blick auf das eigene Leben: Hätte ich das hier früher gemacht, dann müsste ich es jetzt nicht unter Druck und mit niedrigem Energielevel tun. Das Ergebnis würde besser und der Prozess täte weniger weh. Und Feierabend hätte ich auch.
Solche Gedanken haben Menschen meist irgendwie ironisch: Ach ja, hätte ich mal. Aber aus Produktivitätssicht ist „hätte ich mal“ ein sehr wichtiger Gedanke. Er hat Folgen.
Wird das „hätte ich mal“ zu groß, zu wichtig, dann helfen zwei Strategien:
- Wertschätzung für die eigene Zeit
- Selbstvertrauen
Wer aufschiebt, dem ist seine eigene Zeit wenig wert. Das meint insbesondere die Freizeit. Und das ist eine ärgerliche Erkenntnis, aber sie muss sein: Wäre dir dieser Abend wichtiger gewesen, dann hättest du es früher erledigt. Umgekehrt hilft der Gedanke: Ich mache es jetzt, damit ich später freihabe. Jetzt geht es schneller und das Ergebnis wird besser.
Diese Gedanken sind ebenfalls wichtig, um anzufangen. Mangelndes Selbstvertrauen zeigt sich in der Forschung immer wieder als hemmender Faktor zum Durchziehen. Die Erkenntnis muss also sein: Ich kann das. Ich mache das. Und dann liegt es auch schon hinter mir.
Schlauer aufschieben
Wer wirklich aufschieben will, dem sei es gegönnt. Aber dann bitte mit Plan. Aufgaben bewusst nicht zu erledigen, kann eine Superkraft sein. Wer nach einer miesen Nacht unbedingt durchziehen will, den könnte das jede Menge Zeit kosten. Wer nach einem langen Tag nicht zum Ende kommt, der hat von seiner eigenen Leistung auch nicht mehr viel zu erwarten.
So wird Aufschieberei dann zum Erfolgskriterium, wenn sie klug erfolgt. Wann könnte ein guter Zeitpunkt sein, diese Aufgabe anzugehen? Wann muss sie fertig sein und in welchem Zeitraum könnte ein Pufferblock für alle Arten von Alltagskatastrophen liegen? Die klügsten Prokrastinierer könnten mit dieser Strategie die besten Planer werden.