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Elektroauto-Reichweite im Winter: Viel Lärm um nichts

Elektroautos haben im Winter eine geringere Reichweite. Das ist seit vielen Jahren bekannt – und im Alltag meist völlig unproblematisch.

Von Frank Feil
4 Min. Lesezeit
Der Mercedes-Benz EQE schafft bei -10 Grad auch ohne Wärmepumpe noch über 350 Kilometer auf der Autobahn. (Foto: Frank Feil)

Wenn es im Winter draußen kälter wird, brauchen Autos mehr Energie. Das war schon immer so – und das wissen auch alle, die jemals mit einen Diesel oder Benziner in den Skiurlaub gefahren sind. Unterschiedliche Untersuchungen kamen in den vergangenen Jahren zu dem Ergebnis, dass die Reichweitenverluste bei Verbrennern zwischen 10 und 25 Prozent liegen. Aber kaum jemand spricht darüber. Es ist einfach so – und man akzeptiert die Grundgesetze der Physik.

Ganz anders sieht die Sache bei einem Elektroauto aus. Sobald die erste Schneeflocke den Asphalt berührt, sind die Medien voll von Meldungen darüber, wie hoch die Reichweitenverluste von Elektroautos im Winter sind. Dass das in der Praxis für die meisten Fahrer:innen mit keinerlei Einschränkung verbunden ist, bleibt indes häufig unerwähnt.

Ja, Elektroautos haben im Winter eine geringere Reichweite

Grundsätzlich ist es völlig unstrittig, dass Elektroautos im Winter einen höheren Energiebedarf haben, als an wärmeren Tagen. Das hat einerseits chemische und physikalische Ursachen, denn im Winter nimmt die elektrische Leitfähigkeit innerhalb der Batterie ab, weshalb mehr Energie aufgewendet werden muss, um die gewohnte Leistung zu erbringen.

Andererseits sind Elektroautos – anders als Verbrenner – unglaublich effizient, wenn es um die Nutzung der vorhandenen Energie geht. Aus diesem Grund entsteht bei Elektromotoren auch deutlich weniger Abwärme. Genau das wird an kalten Tagen allerdings zum „Problem“, denn während Verbrenner einfach die Abwärme des Motors zum Heizen des Innenraums nutzen, muss ein Elektroauto diese Wärme erst erzeugen.

Bedeutet: Wenn man an einem kalten Wintermorgen mit einem kalten Elektroauto losfährt, und der Innenraum erst einmal auf 21 Grad geheizt werden muss, dann sinkt dadurch die Reichweite. Bei den meisten modernen Elektroautos belaufen sich die Reichweitenverluste auf 10 bis 20 Prozent. Es gibt aber natürlich Ausreißer (nach oben und unten). In einer erst kürzlich veröffentlichten Studie von Recurrent büßt beispielsweise der Jaguar I-Pace im Winter lediglich drei Prozent ein, das Tesla Model Y Long Range AWD 15 Prozent und der VW ID 4 sogar bis zu 30 Prozent. Bei einem Test des norwegischen Automobilverbandes NAF und der Fachzeitschrift Motor von Anfang diesen Jahres schneidet der VW ID.4 Pro dagegen mit lediglich 14,41 Prozent geringerer Reichweite deutlich besser ab.

Das liegt ganz einfach daran, dass bei solchen Tests teils ganz unterschiedliche Verfahren und Rahmenbedingungen Anwendung finden, weshalb allgemein gültige Rückschlüsse schwierig sind.

Der eigentliche Punkt ist aber ein völlig anderer: Selbst wenn man davon ausgeht, dass der ID 4 bei -8 Grad rund 30 Prozent seiner Reichweite einbüßt, dann sind das noch immer knapp 280 Kilometer. In Deutschland legen Autos pro Tag durchschnittlich 35 Kilometer zurück. Das heißt, dass in den wenigen Wochen, in denen es hierzulande überhaupt noch so kalt wird, den meisten Menschen trotzdem eine Ladung pro Woche ausreicht. Und selbst die Langstrecke von 500 Kilometern in den Skiurlaub lässt sich mit einem Ladestopp von 30 Minuten problemlos bewältigen.

Tipps für mehr Reichweite im Winter

Darüber hinaus gibt es natürlich auch Möglichkeiten, um die Reichweitenverluste im Winter zu minimieren. Wie eingangs erwähnt, wird die meiste Energie zum Heizen des Innenraums benötigt. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, gerade vor längeren Fahrten, das Auto vorzuheizen, während es noch an der Wallbox oder Ladestation lädt. Das wirkt sich nicht nur positiv auf die Reichweite aus, sondern man spart sich auch noch das Kratzen und steigt in ein warmes Auto ein.

Weiterhin kann man während der Fahrt die Sitzheizung statt der Klimatisierung nutzen, insgesamt vorausschauend fahren – und natürlich den Akku vor dem Laden vorkonditionieren. Letzteres ist elementar wichtig, denn wer mit kaltem Akku an den Schnelllader kommt, muss sich unter Umständen mit einem Bruchteil der eigentlich möglichen Ladeleistung begnügen.

Zu guter Letzt: Sofern verfügbar, sollte ein Elektroauto mit einer Wärmepumpe ausgestattet werden. Unabhängig vom Aufpreis, macht sich diese in puncto Reichweite bei fast allen Fahrzeugen im Winter positiv bemerkbar.

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5 Kommentare
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Stephen Putt
Stephen Putt

Ich würde immer noch ein Auto bevorzugen, das getankt und bei Bedarf ohne LKW abgeschleppt werden kann. Und brauchen nach langem Stau keinen Tieflader zum abschleppen.

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Gunar Gürgens
Gunar Gürgens

Können doch nen Generator anschließen, dann lädt das E-Auto auch auf dem Standstreifen. Ich stand jetzt mit dem E-Auto im Stau, habe den Verbrauch angeschaut. Der bewegte sich trotz Heizung auf 23°, Sitzheizung und teilweise Scheibenheizung nicht über 2kW. Die meiste Zeit der 20 Minuten war er bei 0.

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Dieter Petereit

Hier erkennt man den Elektro-Missionar sehr deutlich.

Bei meinem Ioniq 5 komme ich von 450 auf 250 Kilometer Reichweite bei einer 72 kWh-Batterie runter. Da finde ich die Aussage, ich schaffte ja immer noch die durchschnittlichen 35 Kilometer pro Tag, bestenfalls lächerlich. Zeitweise fahre ich mit einem Verbrauch von über 50 kWh, was mich an einer Schnellladesäule knapp 40 Euro kosten würde.

Es hilft dem Anliegen der Elektromobilität nicht, wenn man sich alles nur schön redet.

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Thomas
Thomas

Danke. Ich wollte so ziemlich da Gleiche schreiben.
Die mageren Vorteile werden in den Vordergrund gestellt, die gravierenden Nachteile teils mit Milchmädchenrechnungen zu relativieren versucht.
Der E-Hype ist von der Realität eingeholt worden und… „stagniert“, sage ich mal wohlwollend, daran ändern auch Artikel wie dieser nichts mehr.

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Gunar Gürgens
Gunar Gürgens

Wie fahren Sie bitte Auto?
Ich bin die Tage, die es mal gerne -12° hatte von einem Durchschnittverbrauch mit meinem Twingo E von 14,1 auf 14,6 gekommen. Reichweite laut Bordcomputer 170km bei vollem Akku (22kw/h). Der Akku hat, wie im Sommer locker für eine Woche Arbeiten gereicht.
Jetzt über Silvester bin ich 1100km gefahren, Autobahn, ich musste im Sommer 4 mal kurz Tanken und ich musste jetzt im Winter 4 mal kurz tanken.
Dazu die riesen Vorteile das Auto vorheizen zu können, nicht kratzen zu müssen. Selbst der Eispanzer nach dem Eisregen war durch Knopfdruck verschwunden.

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