300 Kilometer für einen vollen E‑Auto‑Akku: Das Problem mit dem kabellosen Laden auf der Autobahn
Auf der A6 startet ein Pilotprojekt zum berührungslosen Laden während der Fahrt. (KI-generiertes Bild: Midjourney / t3n)
Es klingt wie die Lösung aller elektromobilen Probleme: Kein Kabel mehr! Keine Suche nach Ladestationen! Nie wieder Reichweitenangst! So lauten die Verheißungen hinter dem induktiven Laden. Es funktioniert ähnlich wie bei einer elektrischen Zahnbürste oder einer Ladeschale für Handys: Spulen erzeugen ein Magnetfeld, sobald sich ein entsprechend ausgerüstetes Fahrzeug nähert. Dieses Magnetfeld induziert einen Strom in der Gegenspule des Autos, mit dem eine Batterie geladen werden kann.
Auf der A6 in der Nähe von Amberg beginnen jetzt Tests für eine rund einen Kilometer lange Ladestrecke. Die Technik stammt vom israelischen Unternehmen Electreon und dem Startup Seamless Energy Technologies aus Nürnberg. Begleitet wird das Projekt namens EMPower unter anderem von der Uni Erlangen-Nürnberg und der TH Nürnberg. Gefördert wird es vom Bundeswirtschaftsministerium und der bundeseigenen Autobahn GmbH. Ein ähnlicher Versuch läuft bereits in der Nähe von Paris.
Noch nicht nervig genug
Induktives Laden ist nicht neu. Doch bisher wurde es vor allem als bequeme Alternative zum Stecker beim stationären Laden vermarktet. In diesem Bereich konnte es sich bis heute allerdings nie durchsetzen. „Die Lösungen krankten daran, dass der zusätzliche Komfort des induktiven Ladens den Kunden den Aufpreis nicht wert war“, kommentiert Heise autos. „Dazu ist der viel billigere Stecker dann doch nicht nervig genug.“
Auch die Idee, Fahrzeuge während der Fahrt zu laden, gibt es schon länger. 2017 stellte der Chip-Konzern Qualcomm beispielsweise ein solches System in Versailles vor. Es konnte allerdings nur 20 kW übertragen werden. Das reichte mit Ach und Krach, die nötige Antriebsleistung eines Autos während der Fahrt zu liefern. Aber nicht, um darüber hinaus noch Batterien zu laden. Die Qualcomm-Technik wurde mittlerweile vom Lade-Pionier Witricity übernommen, der sich aber auf stationäres Laden konzentriert.
300 Kilometer für eine Akkuladung
Auch auf der A6 beträgt die Sendeleistung der Spulen lediglich 25 kW, wovon etwa 20 bis 21 kW beim Fahrzeug ankommen, so die Auskunft von Andreas Wendt, Geschäftsführer der Electreon Germany GmbH. Das System sei bis 130 km/h getestet worden, funktioniere aber grundsätzlich auch bei höheren Geschwindigkeiten.
Das grundsätzliche Problem bei solch niedrigen Leistungen verdeutlicht eine kurze Überschlagsrechnung: Um einen 60-kWh-Akku zu laden, müsste ein Auto drei Stunden lang über eine Induktionsspur fahren. Bei einem Tempo von 100 km/h entspräche dies einer Strecke von 300 Kilometern. Die nötige Antriebsleistung ist darin noch gar nicht mitgerechnet. Bei schweren Lkw, die rund eine Kilowattstunde pro Kilometer verbrauchen, würde die drahtlos übertragene Energie nicht einmal für den Antrieb reichen.

Die ein Kilometer lange Teststrecke auf der A6 ist mit Spulen ausgestattet, die Testfahrzeuge während der Fahrt laden sollen. (Foto: picture alliance/dpa | Daniel Vogl)
In Frankreich soll das System – zumindest im Stand – 200 bis 300 kW übertragen können. „Es ist auf die Demonstration hoher Leistungen ausgelegt“, erläutert Wendt. „In Deutschland lag der Forschungsfokus auf Produktion und Installation. Daher war es eine Budgetfrage, welche die Nutzung der Hochleistungs-Hardware (und des entsprechenden Netzanschlusses) nicht ermöglicht hat.“
Zwei Tonnen Kupfer pro Kilometer
Doch selbst bei höheren Ladeleistungen müssen Fahrbahnen auf hunderten Kilometern aufgerissen und mit Magnetspulen versehen werden. Pro Kilometer sind 600 Spulen nötig, installiert zwölf Zentimeter unter dem Asphalt. Den Kupferbedarf beziffert Wendt auf rund zwei Tonnen pro Kilometer. „Wir haben allerdings bereits nachgewiesen, dass Sendespulen aus Aluminium genauso effizient verwendet werden können“, sagt er. Der Zielpreis für das System sei eine Million Euro pro Fahrbahn-Kilometer.

Gegenspule im Fahrzeug. Diese nimmt die Energie aus den Spulen im Straßenbelag auf und leitet sie direkt in die Batterie weiter. (Bild: FAU/FAU/Harald Sippel)
Ob Kupfer oder Aluminium: Klar ist jedenfalls, dass lange induktive Ladestrecken ein riesiges Rohstoffgrab sind. Doch wie sieht es mit der Alternative aus: Laden mit hoher Leistung auf kurzen Strecken? Dies wäre zum Beispiel an Bushaltestellen, vor Ampeln oder vor Laderampen sinnvoll. Tatsächlich hat die TU Braunschweig bereits vor mehr als zehn Jahren ein induktives Ladesystem mit 200 kW für Busse entwickelt. Es hat sich nicht einmal in Braunschweig durchgesetzt. Ein ähnliches Projekt für die Zwischenladung von E-Bussen führt Electreon nun in Balingen durch. Aber viel schlichtere Verfahren haben sich bei Elektrobussen längst bewährt: Stecker oder Stromabnehmer („Pantographen“).
Die Empfängerspule für das induktive Laden lässt sich nach Angaben von Wendt sowohl an Lastwagen als auch an PKWs nachrüsten. Doch in erster Linie richtet sich das Induktions-Projekt an der A6 an den Schwerlastverkehr. „Dort ist der Bedarf und Nutzen größer, da hier Gewichtsersparnis (durch kleinere Batterien) direkt zu Kostenersparnis und größerer Wirtschaftlichkeit durch größere Ladungen führt“, so Wendt.
Das Henne-Ei-Problem
So ähnlich haben auch die Befürworter von Oberleitungen argumentiert. Doch die Versuche dürfen als gescheitert gelten. Grund eins: Das Henne-Ei-Problem. Lastwagen mit Stromabnehmern lohnen sich erst dann, wenn das Netz schon sehr weitgehend ausgebaut ist – und umgekehrt. Und ein wesentlicher Teil der Branche konnte sich nie mit Oberleitungen anfreunden. Electreon listet zwar VW (die Muttergesellschaft von Scania und MAN), Ford, Iveco, Stellantis und Toyota als Partner auf. Branchenschwergewichte wie Volvo Trucks oder Daimler Trucks fehlen aber.
Grund zwei: die Fortschritte in der Batterie- und Ladetechnik. Praktisch alle großen Hersteller haben mittlerweile schwere E-Zugmaschinen im Programm. Auf kurzen und mittleren Strecken sind sie heute schon praxistauglich. Und für längere Strecken etabliert sich gerade das Megawatt Charging System. Die erste deutsche Ladestation wurde kürzlich an der A2 in der Nähe von Bielefeld eröffnet.
Fazit
Fassen wir zusammen: Berührungsloses Laden soll Probleme lösen, die anderweitig längst einigermaßen zufriedenstellend gelöst sind. Der Bund finanziert ein Pilotprojekt, das just zu einem Zeitpunkt kommt, an dem alle Weichen längst gestellt sind. Und das nichts aus dem Scheitern der Oberleitungen gelernt hat. Dieses Verständnis von Technologieoffenheit nutzt niemandem.
Ich stimme dem Artikel voll zu. Induktives Laden auf Autobahnen ist ein technischer Selbstzweck, kein Fortschritt. Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Nutzen. Kupfer, Asphalt, Wartung, Energieverluste – alles nur, um ein Problem zu lösen, das moderne Schnelllader längst im Griff haben.
Gerade jetzt, wo Megawatt-Ladesysteme marktreif sind und Batterien effizienter werden, wirkt das Projekt wie ein Rückfall in die alte deutsche „Technologieoffenheit um jeden Preis“. Statt Milliarden in Asphaltspulen zu stecken, sollte man die Mittel in flächendeckende Ladeinfrastruktur, Netzstabilität und Energiespeicher investieren.
Hinzu kommt, dass man elektrische Leistung per Magnetspulen nicht verlustfrei übertragen kann – je größer die Distanz, desto schlechter die Übertragung! Bei Smartphones und Zahnbürsten liegt die Übertragungsdistanz im Bereich von Millimetern, und die Verluste sind gering. Aber bei Kraftfahrzeugen wird man einen Abstand zwischen der Sendespule in der Fahrbahn und der Empfangsspule am Fahrzeug-Unterboden von mindestens 10 cm haben. Im Bericht ist zu lesen, dass von 25 kW Sendeleistung nur 21 kW im Fahrzeug ankommen (vermutlich bei optimaler Ausrichtung des Fahrzeugs über den Spulen). Also gehen 4 kW als Verlustwärme oder Elektrosmog in die Umwelt!