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Kolumne

Agiles Arbeiten: Mit Effectuation durch die Ungewissheit

Agilität erfordert ein neues Mindset, gerade in unsicheren Zeiten. Dabei kann Effectuation helfen – und auch das Management beim Umdenken unterstützen.

Von Daniel Konrad
4 Min.
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(Foto: Wright Studio / shutterstock)

Gerade das abgelaufene Jahr hat gezeigt, wie sich nicht nur das Arbeitsleben, sondern auch der private und gesellschaftliche Bereich in Zeiten der Corona-Pandemie unberechenbar verändert. Diese Zeichen weisen auf die oft zitierte VUCA- Welt (Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity). Gerade hier sind damit jedoch gravierende Nachteile und Risiken verbunden, da viele Folgen von Entscheidungen nicht oder nur unzureichend bedacht werden.

Die neue, volatile und komplexe Welt ist eine dynamische Umgebung, die eine neue Denkhaltung und Handlungslogik erfordert. Als eine solche Logik versteht sich Effectuation. Laut Wikipedia ist Effectuation „eine unternehmerische Entscheidungslogik, die in Situationen der Ungewissheit eingesetzt werden kann. Sie basiert nicht auf vergangenheitsbezogenen Daten und darauf gründenden Vorhersagen der Zukunft“. Stattdessen wird Effectuation „vor allem bei der Entwicklung von Geschäftsmöglichkeiten und Geschäftsmodellen in Situationen angewandt, in denen belastbare Prognosen aufgrund hoher Unsicherheit nicht möglich sind.“

Eigenständige Handlungs- und Entscheidungslogik

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Der Effectuation-Ansatz wurde von Saras D. Sarasvathy, Professorin an der University of Virginia, begründet und baut auf Erkenntnissen aus der Entrepreneurship-Forschung auf. In ihrer Promotion untersuchte Sarasvathy die Entscheidungen von erfolgreichen Mehrfachgründern. Aus diesen Ergebnissen kristallisierte sich heraus, was die zahlreichen Gründer miteinander verbindet und empirisch belegt ist. Effectuation ist kein einheitlicher Ansatz oder geschlossenes theoretisches Konstrukt. Vielmehr versteht es sich als eigenständige Handlungs- und Entscheidungslogik.

Die Effectuation-Prinzipien lassen sich am besten im Kontrast zu den Prinzipien kausaler Logik erklären:

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Kausale LogikEffectuation
Stabiles Umfeld: geringes Risiko, bekannte Zukunft Dynamisches Umfeld: Ungewisse, unberechenbare Zukunft
Zielorientierung: Erst Ziel festlegen und dann Mittel und Wege finden, um die Ziele bestmöglich zu erreichenMittelorientierung: Effectuation beginnt hingegen bei den vorhandenen Mitteln: eigene Fähigkeiten, Kompetenzen, Soft Skills und das Netzwerk bestimmen, was machbar ist
Festgelegter Handlungskorridor: Intensive Vorhersage und Planung, Zufälle ausschließen, Überraschungen gefährden die ZielerreichungFlexible Gestaltung: Überraschungen in Chancen verwandeln und Nutzen aus dem Ungeplanten zu ziehen
Erwarteter Ertrag: Kausale Logik orientiert sich am erwarteten Ertrag. Man wählt Ziele aus, die den besten Ertrag versprechen.Leistbarer Verlust: Da sich in einer ungewissen Zukunft der VUCA-Welt keine Erträge vorhersagen lassen, sollte man nur das aufs Spiel setzen, was man zu verlieren bereit ist.
Konkurrenz: Unterscheidung zwischen „den richtigen Partnern“ und Abgrenzung gegenüber potenzieller Konkurrenz Partnerschaften: Frühzeitig aus dem eigenen Netzwerk heraus Partnerschaften eingehen, die sich selbst selektieren und früh an einem noch unsicheren Vorhaben beteiligen

Effectuation unterstützt Akteure dabei, Neues in die Welt zu bringen. Dabei ermöglicht es die Logik, eine Zukunft aktiv zu gestalten, wenn das Umfeld unsicher ist und exakte Vorhersage oder Planung nicht möglich sind. So kann Effectuation zur Entwicklung neuer Produkte, Dienstleistungen und Problemlösungen aus vagen Ideen beitragen. Eine Kultur, in der Co-Kreation gelebt wird, kann auch neue Partnerschaften hervorbringen. Diese Vereinbarungen werden zwischen denen geschlossen, die bereit sind, anzufangen und das Neue mitzugestalten.

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Übernachten in Eis und Schnee

Mit einer vagen Idee begann auch das weltweit bekannte Eishotel im schwedischen Jukkasjärvi, das 1980 aus einem Eis- und Schneeskulpturenkurs heraus entstand. Yngve Bergqvist, Gründer des Hotels, errichtet jeden Winter eine Unterkunft aus Eis, die inzwischen jedes Jahr ausgebucht ist. Um die eigene Zukunft, auch in Zeiten des fortschreitenden Klimawandels, weiter zu gestalten, baute Bergqvist ein weiteres Hotel im Eis und eröffnete es 2016. Die Besonderheit: Auf den 2.100 Quadratmetern des Eishotels 365 können Gäste auch im Sommer in Eis und Schnee übernachten. Während der Sommermonate liefern Solarpanele auf dem Dach Strom für die Kühlung. Zwischen Mitte April und Mitte August wird es praktisch nicht dunkel, sodass der entsprechende Energieüberschuss an andere Gebäude weitergeleitet werden kann.

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Bergqvist begann mit den vorhandenen Mitteln und seinen Fähigkeiten und schuf eine Attraktion aus Schnee und Eis. Sein Denken und Handeln war dabei geprägt von Effectuation. Wichtig ist in diesem Kontext die Unterscheidung der Schlüsselbegriffe, die für Effectuation von zentraler Bedeutung sind:

  • Ein bekanntes Risiko ist eine optimale Bedingung für kausales, zielgerichtetes Denken und Handeln. Ein kalkulierbares Risiko lässt sich jedoch nur ermitteln, wenn es eine möglichst begrenzbare Bemessungsgrundlage und eine lineare Entwicklung im damit vorhersehbaren Möglichkeitsraum gibt. Sollte dieser Raum nicht eingrenzbar sein, liefert der Risikowert keine nützliche Orientierung.
  • Von Unsicherheit ist die Rede, wenn es verschiedene Variablen, Parameter und Szenarien für den Verlauf gibt. In solchen Situationen lassen sich, je nach Risiko, Eintrittswahrscheinlichkeiten für Ergebnisse beziehungsweise Umweltzustände angeben. Ob diese näherungsweise oder präzise vorhergesagt werden können, hängt davon ab, ob empirisches Datenmaterial für die Handlungsalternativen vorliegt.
  • Eine Entscheidung unter Ungewissheit liegt vor, wenn keine Eintrittswahrscheinlichkeiten berechenbar sind. Dies kann der Fall sein, wenn, in Relation zur Komplexität der Entscheidung, nur unzureichendes Datenmaterial vorhanden ist.

Das ist die Verbindung zur „agilen Welt“. Auch hier liegt eine Umgebung von Ungewissheit vor. Die richtige Antwort ist eine iterativ-inkrementelle Vorgehensweise mit Experimenten, um zu bestmöglichen Entscheidungen unter einem möglichst geringen Maß an Unsicherheit zu gelangen. Organisationsberater und Coach Michael Faschingbauer betont den Beitrag, den Effectuation auch bei modernen Veränderungsprozessen, wie beispielsweise agilen Transformationen, leisten kann:

  • Agile Teams werden unterstützt, um sich in einer Umgebung von Unsicherheit beziehungsweise Ungewissheit besser zurechtzufinden.
  • Auf allen Ebenen der Organisation, nicht nur in den agilen Teams, agieren gestaltende Akteure lokal und handlungsfähig – gerade in Phasen hoher Komplexität.
  • Die Mittelorientierung im Effectuation-Ansatz unterstützt das Management bei iterativem Vorgehen jenseits von eingespielten Vorgehensmodellen. Sie wurden meist in stabilen Zeiten entwickelt. In Veränderungsprozessen tragen sie häufig zum Scheitern bei.
  • Agile Coaches können beispielsweise in der Rolle des Conflict-Navigators Konfliktdynamiken entschärfen und organisationsinterne Netzwerke unterstützen.
  • Effectuation kann den Paradigmenwechsel in Organisationen verstärken: Wenn eindeutige Ziele fehlen, kann die Ausrichtung auf multivalente Ziele durch passende Steuerungskonzepte begleitet werden.

Die VUCA-Welt erfordert neue Denk- und Handlungslogiken, um besser mit den verschiedenen Graden an Unsicherheit und Ungewissheit umgehen zu können. Aus der Entrepreneur-Forschung hat sich der Effectuation-Ansatz entwickelt. Viele Parallelen zum agilen Mindset und zu iterativen Vorgehensweisen sind erkennbar. Gemeinsam können sie dazu beitragen, dass neues Denken und Planen in der VUCA-Welt immer besser gelingen kann.

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Oliver

Agiles Arbeiten ist definitv ein guter Ansatz, um auf ständig ändernde Bedingungen zu reagieren.
Aber Effectuation scheint für mich eher wieder der wohlbekannte Blick in die Glaskugel zu sein.
Nette Gedankenspielerei aber nach viel mehr sieht das nicht aus.

Antworten
Daniel Konrad

Hallo Oliver,
Effectuation und Agiles Arbeiten haben vieles gemeinsam. Dabei ist für mich die Mittelorientierung (eigene Stärken, Fähigkeiten, Netzwerke) besonders wichtig. Ganz persönlich habe ich als freier Journalist begonnen, wurde Kommunikationsberater, dann Agile Coach und IT Berater. Ich hatte immer eine starke Mittelorientierung. Effectuation hilft überall, wo z.B. wegen Unsicherheit und Ungewissheit keine klaren Zielen formulierbar sind.

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