Jeff Bezos unter der Lupe: Ehemaliger Mitarbeiter gibt Einblicke in das Innenleben von Amazon

Wie war die Zusammenarbeit mit Jeff Bezos bei Amazon? (Bild: Shutterstock/Poetra.RH)
Steve Yegge ist ein amerikanischer Programmierer, der mittlerweile bei Sourcegraph arbeitet und dabei hilft, KI-Agenten für Unternehmen zu entwickeln. Im Laufe seiner Karriere hatte er allerdings auch sieben Jahre bei Amazon verbracht – genauer gesagt, zwischen 1998 und 2005. Gegenüber Business Insider berichtet Yegge, was er bei Amazon gemacht hat, welche Probleme es gab und wie die Zusammenarbeit mit Jeff Bezos aussah.
Amazon: Jeff Bezos und seine Mission
Zunächst arbeitete Yegge als Technical Program Manager bei Amazon. In dieser Zeit sollte Amazon schnell wachsen, weshalb zahlreiche Bewerber:innen eingestellt wurden. Yegge führte dabei teilweise mehrere Bewerbungsgespräche gleichzeitig und hetzte von einem Raum zum anderen, um den Bewerber:innen Fragen zu stellen.
Das Amazon-Gebäude soll laut dem ehemaligen Mitarbeiter damals „schäbig“ und die Büros „dunkel und schmuddelig“ gewesen sein. Allerdings hatten die Mitarbeiter:innen immer ein elektrisierendes Gefühl, sobald sie das Gebäude betraten. Laut Yegge soll das an Jeff Bezos gelegen haben: „Er war ein Chef, der anpackt und einen unverkennbaren Magnetismus an sich hatte“.
Bezos soll Mitarbeiter:innen jeden Tag herausgefordert haben, damit sie bessere Leistungen erbringen können. Zudem gab es immer wieder spontane Unterhaltungen mit langjährigen Mitarbeiter:innen, um sie zu erden und ihnen eine neue Perspektive auf das Unternehmen zu geben. Ferner betont Yegge, dass Jeff Bezos in seinen sieben Jahren bei Amazon niemals wütend geworden ist oder geschimpft hätte.
Zudem soll Bezos immer wieder zu Meetings der Customer-Service-Abteilung gekommen sein, bei der Yegge später im Laufe seiner Amazon-Karriere arbeitete. Er schaute sich die Daten genau an und wollte wissen, warum Kund:innen Amazon kontaktieren. Er wollte Kund:innen um jeden Preis zufriedenstellen. Das stimmt auch mit anderen Berichten des Unternehmensgründers überein. So soll Jeff Bezos in einem Meeting sogar selbst beim Amazon-Kundensupport angerufen haben, um Probleme mit der Hotline zu identifizieren.
Ein Chef mit Scheuklappen
Allerdings übt der ehemalige Amazon-Mitarbeiter auch Kritik an der Art von Jeff Bezos: „Die Arbeit mit Jeff war normalerweise ruhig und ernst, mit einem Hauch von Dringlichkeit, wie ein War Room. Die Leute waren sehr vorsichtig mit ihren Worten, wenn er dabei war. Wenn sie manchmal Bedenken geäußert haben, hat er ihnen ins Gesicht gelacht.“
Nicht nur bei Yegge entstand so das Gefühl, dass Amazon-Mitarbeiter:innen nichts Schlechtes über das Unternehmen sagen durften, wenn sie nicht gegen den Strom schwimmen wollten. Es gab enormen Druck, so viel zu arbeiten wie nur möglich. Mitarbeiter:innen vermieden es, Urlaub zu nehmen und einige beschimpften diejenigen, die es dennoch taten.
Laut Yegge war Bezos zwar ein Chef, der sich zwar regelmäßig einbrachte, aber nur dann, wenn es seiner Mission gedient hat: „Es war nicht wichtig, wenn die Toiletten schmutzig waren oder die Ingenieure die ganze Nacht per Pager gerufen wurden. Er hat sich nur darum gekümmert, wenn es ihn ausgebremst hat.“
Yegge arbeitete am Ende seiner Zeit bei Amazon an einem geheimen Projekt für Bezos. Dieses sollte eine Art Reddit für Amazon werden. Yegge hatte das Gefühl, nicht die notwendige Erfahrung für das Projekt zu haben, traute sich aber nicht, es Bezos zu sagen. Als er in dieser Zeit ein Angebot von Google bekam, nahm er es an und verließ Amazon.
Abschließend sagt er: „Amazon konnte ein furchtbarer Arbeitsplatz sein. Ich bin immer noch Kunde und boykottiere sie nicht, auch wenn ich nicht mit all ihren Praktiken übereinstimme. […] Es war dabei nie schwer, mit Jeff Bezos zu arbeiten, aber bisweilen konnte es aufgrund der enorm hohen Erwartungen schwer sein, für ihn zu arbeiten“.