- Projekt: Energiewende – bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein
- „Fortschritte bei der Effizienz sind durch Wachstum weitgehend kompensiert worden“
- Auch fehlender Klimaschutz kostet
- Die Sektoren im Überblick
- Photovoltaik
- Problematik bei Solarmodulen aus China
- Windkraft an Land
- Windkraft auf See
- Biogas
- In der Biogaserzeugung gibt es noch Luft nach oben
- Speicher
- Neue Photovoltaikanlagen gleich mit einer Batterie
- Wärme
- „Strom war in Deutschland pro kWh oft dreimal so teuer wie Erdgas.“
- Verkehr
- Antrieb im Schwerlasttransport
Energiewende in Deutschland: So schaffen wir die Klimaziele doch noch
Besser könnte es gar nicht laufen: Energieverbrauch und Strompreise sinken, Wind- und Solarstrom eilen von Rekord zu Rekord, die deutschen Klimaziele scheinen erreichbar.
Trotzdem steigen die Temperaturen auf neue Höchstwerte, die letzten deutschen Photovoltaik-Produzenten machen dicht, und die Sanierung der Gebäude schleppt sich hin. Schlechter könnte es gar nicht laufen.
Dieses Interview ist zuerst in der Ausgabe 6/2024 von MIT Technology Review erschienen. Darin setzen wir uns kritisch mit dem Stand der Energiewende in Deutschland auseinander. Hier könnt ihr die TR 6/2024 als Print- oder pdf-Ausgabe bestellen.
Projekt: Energiewende – bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein
Das Projekt Energiewende, gestartet Anfang der 2000er-Jahre, tritt jetzt in seine kritische Phase. Vieles, was seitdem gesät wurde, ist aufgegangen – vieles jedoch nicht. Und vieles ist noch nicht einmal gesät. Der Leidensdruck wird stetig größer: Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein. Das sind nur noch gut zwanzig Jahre – weniger, als das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bereits existiert. Das EEG hat zwar dazu beigetragen, die Stromversorgung umzukrempeln – in einem Umfang, der damals undenkbar schien –, aber eben auch nur beschränkt auf die Stromversorgung. Wind- und Sonnenenergie waren vergleichsweise niedrig hängende Früchte, von denen die meisten bereits gepflückt wurden. Nun müssen die anderen Sektoren liefern: Gebäude, Verkehr, Industrie.
Am einfachsten lassen sich Treibhausgase in diesen Segmenten senken, indem man schlicht weniger Energie verbraucht. Eine Kilowattstunde, die gar nicht erst erzeugt werden muss, verursacht schließlich weder Kosten noch Emissionen. Die gute Nachricht: Es ist tatsächlich möglich, den Verbrauch vom Wirtschaftswachstum abzukoppeln. Die sogenannte „Energieproduktivität“ (also der Energieverbrauch im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt) verbesserte sich in Deutschland von 2008 bis 2022 durchschnittlich um 1,6 Prozent pro Jahr.
Die schlechte Nachricht: Fortschritte bei der Effizienz sind durch wirtschaftliches und demografisches Wachstum „sehr weitgehend kompensiert worden“, konstatiert der aktuelle Bericht der Expertenkommission zum Energiewende-Monitoring. Das Ziel der Bundesregierung, den Endenergieverbrauch bis 2030 um mehr als ein Viertel gegenüber 2008 zu senken, werde wahrscheinlich „sehr klar verfehlt“, sagt die Kommission voraus.
„Fortschritte bei der Effizienz sind durch Wachstum weitgehend kompensiert worden“
Bei den Treibhausgasen sieht es auf den ersten Blick besser aus. Die Emissionen liegen derzeit 46 Prozent unter dem Niveau von 1990. Damit hat Deutschland seine Zwischenziele klar unterboten. Allerdings geht ein erheblicher Anteil der gesunkenen Emissionen auf das Konto der nachlassenden Konjunktur.
Ein gebremstes Wirtschaftswachstum würde der Klimabilanz zwar nutzen, bringt aber auch die Gefahr sozialer Verwerfungen mit sich. „Jede Klimapolitik hat Verteilungswirkungen, und es besteht die Gefahr, dass Menschen mit weniger Geld davon stärker betroffen sind – übrigens auch von den Klimafolgen“, sagte Brigitte Knopf, Gründerin des Thinktanks Zukunft Klimasozial, in einem Interview mit Riffreporter. Jetzt komme die Klimapolitik in eine neue Phase: „Bisher betraf sie vor allem Firmen. Jetzt geht es aber um Verkehr und Wohnen, zum Teil auch Ernährung, und damit rücken wir viel näher an die Menschen heran.“
Das sieht auch die Expertenkommission so: „Je nach Definition lebten 2022 zwischen 4 und 25 Prozent der Haushalte in Deutschland in Energiearmut. Die Energiewende birgt das Risiko, diese ungleiche Belastung noch zu verstärken.“
Um dem entgegenzusteuern, hatte die Ampel-Koalition versprochen, ein sogenanntes „Klimageld“ an alle Haushalte auszuzahlen. Die Expertenkommission wünscht sich aber eine gezieltere Umverteilung: Sie solle nicht nur „pauschal entlasten, sondern auch zur Dekarbonisierung besonders betroffener Gruppen führen, um nachhaltig hohe CO2-Kosten zu vermeiden“. Mit anderen Worten: Das Geld sollte eingesetzt werden, um Häuser zu dämmen oder sparsamere Elektrogeräte anzuschaffen, damit hohe Energiekosten erst gar nicht entstehen.
Auch fehlender Klimaschutz kostet
Wie soll es nun weitergehen? Viele Ratschläge der Wirtschaftsweisen klingen wenig neu: den CO2-Ausstoß verteuern; nationale und europäische Instrumente miteinander verzahnen; klimaschädliche Subventionen und bürokratische Hürden abbauen.
Was sie aber besonders betonen, ist die politische Verlässlichkeit: „Eine kohärente und koordinierte Politik ist ein wesentlicher Faktor für den Erfolg von Klimaschutzmaßnahmen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Maßnahmen vor dem Hintergrund beschränkter fiskalischer Spielräume langfristig durchhaltbar sind. Dies gilt insbesondere für die Maßnahmen, die privatwirtschaftliches Engagement auslösen sollen, etwa beim Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft oder dem Ausbau der Netzinfrastruktur.“
Und genau hier liegt einiges im Argen. Seit das Bundesverfassungsgericht die Umwidmung von Corona-Hilfsmitteln in den Klima- und Transformationsfonds verboten hat, hat die Ampel viele zentrale Baustellen aus Geldmangel zusammengestutzt. Dabei kostet fehlender Klimaschutz auch: Sollte Deutschland seine Ziele verfehlen, muss es Zertifikate aus anderen EU-Ländern kaufen.
Zudem sind Investitionen nicht das Gleiche wie Kosten. Langjährige Unterstützung hat beispielsweise dazu geführt, dass Strom und Wind zu den günstigsten Energiequellen überhaupt geworden sind – und dass ihre Verfügbarkeit zu einem Standortvorteil geworden ist. Auf diesen Hebel zu verzichten, muss man sich erstmal leisten können.
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Die Sektoren im Überblick
Wo genau stehen wir bei der Energiewende? Einen Überblick darüber gibt der 440 Seiten starke Monitoringbericht der Expertenkommission, bestehend aus den Wirtschaftsweisen Andreas Löschel, Veronika Grimm, Felix Matthes und Anke Weidlich. Wir stellen die wichtigsten Baustellen vor.
Photovoltaik
Die Photovoltaik ist der strahlende Star der Energiewende. Nach jahrelangem Siechtum hat sie laut energy-charts.info im vergangenen Jahr ihren bisherigen Zubau-Rekord fast verdoppelt. Wolf-Peter Schill vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht drei Gründe für diesen Boom: „Erstens war der technologische Fortschritt über viele Jahre deutlich schneller, als sich viele Beobachter das vorstellen konnten. Zweitens wurde die Herstellung von PV-Zellen und Modulen vor allem in China in viel größerem Maßstab skaliert, als man erwarten konnte. Und drittens wurde die Vorteilhaftigkeit von solarer Teil-Eigenversorgung sowohl in Haushalten als auch im Gewerbe lange unterschätzt.“
Fast die Hälfte des Zubaus entfiel auf kleine Anlagen unter 20 Kilowatt. Ein weiteres Viertel machte das leistungsstärkste Segment aus: Freiflächenanlagen über 1000 kW. Mittelgroße Anlagen, etwa für die Dächer von Supermärkten oder Logistikzentren, wuchsen hingegen nur schwach. Das könnte sich demnächst ändern: Das im Mai in Kraft getretene „Solarpaket 1“ hat die Bedingungen für dieses Segment verbessert: Es gibt nun eine höhere Förderung, ein größeres Ausschreibungsvolumen und diverse bürokratische Lockerungen. Auch für Solarmodule auf Wohngebäuden und auf Freiflächen gab es ähnliche Erleichterungen. Besonders profitieren davon die boomenden Balkonkraftwerke. Sie liefern zwar jeweils nur wenige Hundert Watt, in Summe tragen sie aber schon fast ein Fünftel zum Leistungszubau bei.
Problematik bei Solarmodulen aus China
Beflügelt wurde der Ausbau quer durch alle Segmente auch durch die stark gesunkenen Kosten. Allein in den letzten zwölf Monaten haben sich diese fast halbiert. Mainstream-Module sind jetzt schon für rund zwölf Cent pro Watt zu haben. Dieser Preisverfall könnte sich künftig noch verschärfen: Chinesische Hersteller können ihre Photovoltaik-Module kaum noch im eigenen Land absetzen und drängen deshalb mit Kampfpreisen ins Ausland. Da große Abnehmer wie die USA und Indien aus politischen Gründen keine Solarzellen aus China mehr importieren wollen, landet ein großer Teil der chinesischen Überkapazität im größten europäischen Markt: Deutschland.
Das macht den Ausbau hierzulande zwar billiger, hat aber trotzdem seinen Preis. In China sei die PV-Produktion „nicht so umweltfreundlich wie nötig und möglich“, warnt Christian Rehtanz von der TU Dortmund. Hiesige Hersteller wie Solarwatt oder Meyer Burger schließen derweil ihre Produktion beziehungsweise verlagern sie ins Ausland. Das erhöht die Abhängigkeit von China weiter.
Windkraft an Land
Windkraft an Land ist das eigentliche Arbeitspferd der Energiewende. Im vergangenen Jahr erzeugte sie ungefähr doppelt so viel Strom wie die Photovoltaik. Umso gravierender, dass ausgerechnet dieses Arbeitspferd seit einigen Jahren lahmt. Der Zubau hat sich zwar wieder etwas erholt, ist aber nur gut halb so hoch wie im Rekordjahr 2017.
Die Gründe sieht die Expertenkommission in „Hemmnissen in den Planungs- und Genehmigungsprozessen“. Unter anderem muss ein Betreiber bereits die „immissionsschutzrechtliche Genehmigung“ für einen Windpark vorlegen, damit er überhaupt an einer Ausschreibung teilnehmen kann. Entsprechend wenige Projekte nehmen diese Hürde.
Der Bund habe mittlerweile die Ausweisung von Flächen verbessert und die Verfahren beschleunigt, loben die Wirtschaftsweisen. „Diese Änderungen werden jedoch auf Landesebene noch nicht ausreichend umgesetzt.“ Bayern beispielsweise wehrte sich lange mit Händen und Füßen gegen Windräder. Mittlerweile hat die CSU-Regierung zwar verkündet, bis zum Ende des Jahrzehnts 1000 neue Windräder errichten zu wollen. Doch zu bemerken ist davon wenig. Seit 2017 dümpelt der Ausbau im niedrigen zweistelligen Megawattbereich vor sich hin. Das entspricht vielleicht einem Dutzend Windturbinen.
Damit ist der Freistaat noch nicht einmal das Schlusslicht. Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg bauten jeweils weniger als zehn Megawatt zu, Sachsen gar nichts, und in Thüringen ging die installierte Leistung unter dem Strich sogar zurück.
Praktisch der gesamte Zubau ging 2024 auf das Konto von nur fünf Bundesländern: Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. An der Spitze liegt NRW. Die schwarz-grüne Landesregierung hatte im Oktober 2022 eine „Task Force zum beschleunigten Ausbau der Windenergie“ gegründet.
Windkraft auf See
Offshore-Windkraft ist so lukrativ, dass Betreiber einander überbieten, um Windparks errichten zu dürfen. Drei Milliarden Euro brachte das 2023 dem Staat ein. Die Auktionen machen vor allem zahlungskräftige Großkonzerne wie EnBW und RWE unter sich aus. Auch der Mineralölkonzern Total Energies sicherte sich eine Fläche.
Wurden seit 2020 kaum neue Anlagen installiert, kamen Anfang 2024 auf einen Schwung mehrere Hundert Megawatt hinzu. Trotzdem wird das wohl nicht ausreichen, bis 2030 das Ziel von 30 Gigawatt zu erreichen. „Es fehlt nicht an interessierten Projektierern und Investoren, sondern an verfügbaren Flächen mit Netzanschluss“, schreibt die Expertenkommission. Dazu kommen „der Mangel an Fachkräften und Schiffen, ein zu langsamer Ausbau der Häfen sowie fehlende Produktionskapazitäten für Windkraftanlagen und Konverter“.
Das meiste davon lässt sich nicht per Gesetz herbeizitieren. Das Bundeswirtschaftsministerium hat immerhin bekannt gegeben, dass es zu keinen weiteren Verzögerungen wegen fehlender Netzanschlüsse kommen soll, weil es für die meisten Projekte entsprechende Rahmenverträge gebe. Zudem will der Bund die Konverterproduktion beschleunigen. Hierfür hat er Ende 2023 ein Gelände in Warnemünde freigegeben, an dem sich private Unternehmen ansiedeln können.
Biogas
Anfang der 2000er wurde Biogas noch massiv gefördert, doch um 2010 kippte das Image. Es sprach sich herum, dass Energiepflanzen, angebaut in riesigen Monokulturen, nicht wirklich umweltfreundlich sind. Zudem würde ein Solarpark auf gleicher Fläche ein Vielfaches der Energie erzeugen.
2012 deckelte die damalige Bundesregierung den Einsatz von Mais in Biogasanlagen, zwei Jahre später senkte sie deren Förderung. Seitdem geht es bergab. Mittlerweile ist ihr jährlicher Zubau auf unter 100 Megawatt gefallen, so wenig wie noch nie.
Doch Kleinvieh macht auch Mist: Derzeit trägt Biomasse immerhin knapp zehn Prozent zur gesamten Nettostromerzeugung bei – nicht viel weniger als Erdgas und deutlich mehr als die Offshore-Windkraft (die dabei anfallende Wärme noch gar nicht eingerechnet).
In der Biogaserzeugung gibt es noch Luft nach oben
Heute werden die Biogas-Fermenter etwa zur Hälfte mit eigens angebauten Ackerpflanzen gefüttert, zur anderen Hälfte mit Reststoffen wie Gülle oder Grünschnitt. Es gibt dabei offenbar noch eine gewisse Luft nach oben: Die Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe schätzt, dass erst 20 bis 25 Prozent der verfügbaren Abfälle für die Biogaserzeugung eingesetzt werden. Trotzdem lassen sich Ackerflächen und Abfälle nicht beliebig ausweiten. Aber auch ohne einen einzigen Kubikmeter zusätzlich zu produzieren, könnte die Biogasbranche eine weitaus wichtigere Rolle in unserem Energiesystem spielen – nämlich als Ausgleich zu Wind und Sonne.
Dazu ist eine sogenannte „Überbauung“ nötig: Betreiber von Biogaskraftwerken müssen größere Gasspeicher und stärkere Generatoren installieren, damit sie flexibel auf das Angebot auf dem Strommarkt reagieren können. Alternativ dazu ließe sich das Biogas auch aufbereiten, in das Erdgasnetz einspeisen und andernorts verstromen.
„Bei gleichem Biogasaufkommen kann die Generatorleistung bis 2040 auf 24 Gigawatt erhöht werden“, sagt Michael Sterner von der OTH Regensburg. Das ist fast das Doppelte der 12,5 Gigawatt, die das Bundeswirtschaftsministerium an Gaskraftwerken zubauen will. „Damit kann ein wesentlicher Teil der Dunkelflaute im Kohleausstieg abgesichert werden“, sagt Sterner. Allerdings fehlten dafür bislang die wirtschaftlichen Anreize.
Die Expertenkommission sieht die Rolle von Biomasse hingegen weniger in der Verstromung als dort, wo Alternativen fehlen – etwa als Kraftstoff für Schiffe und Flugzeuge oder für Hochtemperatur-Prozesswärme für die Industrie. Doch dafür fehlten die richtigen wirtschaftlichen Anreize.
Speicher
In nicht einmal zehn Jahren haben Batterien die großen Pumpspeicherwerke überholt – zumindest, was die Leistung (Kilowatt) betrifft. Bei der Energie (Kilowattstunden) liegen sie immer noch weit dahinter: Können die derzeit installierten Batteriespeicher im Schnitt 1,5 Stunden ihre volle Leistung liefern, sind es bei Pumpspeichern rund 6 Stunden.
Der Batterie-Boom geht vor allem auf Heimspeicher zurück. „Schon heute sehen wir, dass bei 80 Prozent der Dachinstallationen die Batteriespeicher gleich mit installiert werden“, sagt Andreas Bett vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme. Dem Stromnetz nutzen viele Heimspeicher per se allerdings nur wenig: Sie dienen meist der Erhöhung des Eigenverbrauchs und lassen sich nur selten „netzdienlich“ fernsteuern.
Neue Photovoltaikanlagen gleich mit einer Batterie
Bis 2035 erwartet die Expertenkommission, dass praktisch alle neuen Photovoltaikanlagen gleich mit einer Batterie installiert werden – bis hin zu großen Solarparks. Und auch bei Windparks dürfte dies bald zur Standardausstattung werden. Ende Juli beschloss das Bundeskabinett die Umsetzung der EU-Richtlinie RED III, die den Bau solcher Speicher erleichtert.
Den Großspeichern winken künftig auch ganz neue Jobs. Bisher liefern sie fast ausschließlich „Primärregelleistung“ – also Strom, der innerhalb von 30 Sekunden Schwankungen in der Netzfrequenz ausgleicht. Künftig sollen sie auch zunehmend die Erträge von großen Wind- und Solarparks optimieren, Engpässe im Netz überbrücken oder die Lastspitzen von Fabriken abfedern.
Um eine hartnäckige Dunkelflaute abzufangen, bräuchte es allerdings die tausendfache Kapazität. Dafür kommen vor allem chemische Energieträger wie Wasserstoff infrage, die mit Strom erzeugt und später wieder mit Kraftwerken zurückverstromt werden.
Wärme
Der Energieverbrauch für die Wärmeerzeugung stagniert seit zehn Jahren; es werden jedes Jahr nur halb so viele Gebäude saniert wie nötig; die Installation von Wärmepumpen liegt weit hinter Plan – und ist weiter rückläufig. Keine Frage: Bei der Wärmewende könnte es besser laufen.
Ein Grund: „Strom war in Deutschland in den vergangenen Jahren pro kWh oft mehr als dreimal so teuer wie Erdgas“, bemängelt der Monitoringbericht. „Dadurch sind bereits die Betriebskosten einer Wärmepumpe höher als bei einer Gasheizung, zusätzlich zu höheren Anschaffungskosten.“ Ein Blick in das europäische Ausland zeige, dass Länder, die den Preisunterschied zwischen Strom und Erdgas durch politische Maßnahmen reduziert haben, einen deutlich höheren Anteil an Wärmepumpen haben.
„Strom war in Deutschland pro kWh oft dreimal so teuer wie Erdgas.“
Einen Schritt in die richtige Richtung habe die Bundesregierung schon 2022 mit der Abschaffung der EEG-Umlage gemacht, loben die Wirtschaftsweisen. Doch es sei durchaus noch mehr drin – zum Beispiel durch die Senkung der Stromsteuer auf das „europarechtlich zulässige Mindestniveau“. Oder durch „dynamische Netzentgelte“, die sich nach der aktuellen Belastung des Stromnetzes richten. Vorschläge dafür hat die Bundesnetzagentur Ende Juli vorgelegt – allerdings vor allem für industrielle Großverbraucher, nicht für private Endverbraucher:innen.
Auch bei der Sanierungsquote mangelt es am Finetuning. Ein steigender CO2-Preis soll fossile Brennstoffe unattraktiver machen. Doch trotz dieser Aussichten können sich viele Eigentümer:innen eine Sanierung nicht leisten. Deshalb empfiehlt die Kommission, „Fördermittel stärker auf Eigentümer mit niedrigem Einkommen zu konzentrieren“.
Ambivalent ist die Entwicklung der Fernwärme: Es sind aktuell zwar gut ein Fünftel mehr Haushalte angeschlossen als 2012, aber der Fernwärmeverbrauch ging in den letzten Jahren leicht zurück, vor allem wegen der milden Witterung und besser gedämmter Gebäude.
Verkehr
Während der Energieverbrauch bei privaten Haushalten, Industrie und Gewerbe zumindest stagnierte oder leicht sank, stieg er im Verkehrssektor sogar an. Verursacher war vor allem der Straßengüterverkehr. Dessen Emissionen liegen „seit 1995 um mindestens 35 Prozent über dem Niveau von 1990“, heißt es im Monitoringbericht.
Es spricht wenig dafür, dass die Ampel in der Lage oder Willens ist, diesen Trend umzukehren. Die Förderung von E-Autos ließ sie beispielsweise auslaufen. Deren Neuzulassungen brachen daraufhin um 18 Prozent ein, Benziner und Diesel legten wieder zu. Dabei zählen die Wirtschaftsweisen Investitionen in die Elektromobilität zu den „No-regret“-Maßnahmen, weil sie nicht nur Treibhausgase senken, sondern auch die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern und die Luft verbessern. Doch selbst kostenlose Maßnahmen wie Tempolimit, Ende des Dienstwagenprivilegs, Angleichung der Dieselsteuer scheitern am politischen Willen.
Bei der Bahn geht es ebenfalls nicht weiter. Für 2024 hatte sich die Bahn zum Ziel gesetzt, 70 Prozent ihrer Fernzüge pünktlich ankommen zu lassen. Schon im Juli musste sie dieses Ziel kassieren: In der ersten Jahreshälfte waren nur 63 Prozent der Fernzüge pünktlich – ein neuer Negativ-Rekord. Das trägt wenig dazu bei, Auto- oder Flugverkehr auf die Schiene zu bringen.
Eine Ursache: Mangelnde Finanzierung des Schienennetzes. Darunter leidet auch der Güterverkehr. Zudem ist er auch durch die hohen Trassenpreise gegenüber LKWs benachteiligt. „Das von der Ampelkoalition angepeilte Ziel, 25 Prozent des Gütertransports bis 2030 auf die Schiene zu bringen, gilt als gescheitert“, bilanziert der Spiegel.
Antrieb im Schwerlasttransport
Bleibt die Alternative, Lastwagen klimafreundlicher zu machen. Drei Konzepte konkurrierten lange miteinander: Wasserstoff, Oberleitungen, Batterien. Mittlerweile zeichnet sich ab: Die Batterien werden wohl das Rennen machen. Sie sind offenbar der kleinste Nenner, auf den sich die LKW-Hersteller einigen können. Schwere Akku-Trucks haben fast alle im Angebot.
Um während einer gesetzlichen Lenkpause genügend Strom tanken zu können, sind Ladeleistungen bis zu einem Megawatt nötig – etwa dreimal so viel wie beim CCS-Standard für PKWs. Ein entsprechender Ladestandard wird bereits in der Praxis erprobt. 2025 sollen die ersten Ladesäulen im Einsatz sein, verspricht die bundeseigene Now GmbH, die den Ausbau koordiniert. Für eine flächendeckende Versorgung wären bis 2030 deutschlandweit 1000 bis 2000 Hochleistungsladepunkte nötig, hat das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung berechnet. Derzeit schreibt die Now GmbH Ladeparks an 350 Rastanlagen aus. Bis das Megawatt-Laden serienreif ist, sollen dort CCS-Ladepunkte mit bis zu 400 Kilowatt genutzt werden.
Für Langstreckenflüge ist die Elektrifizierung keine Option. Hier sind chemische Energieträger gefragt – etwa Wasserstoff, synthetisches Kerosin oder Biotreibstoffe, zusammengefasst unter dem Kürzel SAF (Sustainable Aviation Fuels). Hier ist die Luftfahrt stark von den anderen Branchen abhängig. Solange es nicht genügend Biomasse, Sonnen- oder Windstrom, Elektrolyseure oder Import-Wasserstoff gibt, können die SAF nicht abheben.