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Kolumne

Entschleunigung für digitale Nomaden – so geht’s!

Vor gar nicht allzu langer Zeit war eine Fernreise noch ein Erlebnis. Heute? Mit der S-Bahn an den Flughafen, einchecken und zehn Stunden später ist man am anderen Ende der Welt. Ganz einfach. Die Gefahr, dabei abzustumpfen, ist für digitale Nomaden groß. Geht aber auch anders.

Von Robert Enskat
5 Min.
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(Grafik: t3n)

Ein ehemaliger Kollege von mir ist regelmäßig alle zwei Wochen von Hamburg nach Bangkok geflogen. Freitagmittag hin, Sonntagabend wieder zurück. Okay, er konnte sich das leisten. Angesprochen darauf, dass das doch etwas übertrieben wäre, zuckte er nur mit den Schultern und sagte: „Scheiß drauf, ist doch um die Ecke und geht schnell!“. Was er genau an solchen Wochenenden gemacht hat, will ich nicht wissen. Ich weiß nur, dass das Blödsinn war. Wie dem auch sei, hier ein paar Tipps, Ratschläge, Meinungen zum Thema Reisen als solches meinerseits.

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Mittlerweile ist es ein Klacks, zu reisen. Ganz gleich, wo man gerade auf der Welt ist, irgendwie geht es immer irgendwo hin. Gut so. Birgt aber auch die Gefahr, dass man das übertreibt. Auf der Reise zu sein, unterwegs zu sein, wird gerne zum Selbstzweck. In fast jeder Coworking-Station war Reisen das Thema Nummer 1 unter den Leuten. Wann, wohin, wie viel Geld das gekostet hat, wo man am besten bucht, wie lange der Trip dauert und so weiter.

Distanz

Als meine damalige Frau und ich beschlossen hatten, die Zelte in Deutschland abzubrechen, war das erste Ziel klar: Thailand. Da waren wir oft gemeinsam im Urlaub und hatten dort auch viele Freunde. Doch irgendwie schmeckte das uns beiden nicht so recht. Einfach alles verkaufen, Wohnung aufgeben, ab in den Flieger und zwölf Stunden später ein neues Leben anfangen. Nee. Eine Freundin von uns ist mal von Frankfurt nach London gezogen – und ist dafür mit dem Zug gefahren. Sie wollte die Distanz spüren. Dass sie wirklich und echt weiter weg ist und nicht mal eben auf den Wochenmarkt kann, um sich mit Freunden zu treffen. Daran mussten wir denken, als wir unsere große Reise planten. Mit dem Auto von Frankfurt nach Thailand? Etwas zu teuer und aufwendig. Also haben wir uns für die Bahnfahrt entschieden. Okay, nicht die ganze Strecke. Doch den größten Teil.

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Entschleunigung

Wir sind, nachdem alles erledigt war, von Frankfurt über Rumänien nach Moskau geflogen. Dort waren wir ein paar Tage und haben uns die Stadt angeschaut; was man halt so macht. Der Rote Platz, das Lenin-Mausoleum, der Kreml, das Gum, das Bolschoi und so weiter. Das war geil. Und heftig. Noch nie in meinem Leben habe ich so viele Polizisten auf der Straße gesehen. Etwa alle 30 Meter stand ein Streifenwagen. Jeder zehnte Mensch hatte eine Uniform und ein Maschinengewehr. Unfassbar. Keine Ahnung, sollte wohl auch die Menschen beruhigen und zeigen, dass die Sicherheit gewährleistet ist. Mir machte das einfach nur Angst. Der paradoxe Effekt vielleicht – wenn viel Polizei und Militär unterwegs sind, muss es wohl einen Grund dafür geben … Ich meine, hey, nach ein paar Stunden Spaziergang wollte ich eine Cola trinken. Weit und breit gab es nur einen McDonald’s. Okay, dann halt mal dahin. Am Eingang: Taschenkontrolle, Leibesvisitation und mein Rucksack ging durch ein Röntgengerät. Für eine Cola bei McDonald’s! Die Security am Frankfurter Flughafen ist dagegen ein Kindergarten … Selbst beim Verlassen die gleiche Prozedur. Na ja. Aufregende und erlebnisreiche Stunden und Tage. Dann endlich war es soweit. Gegen Mitternacht sind wir in die Transsibirische Eisenbahn gestiegen. Die Transsib! War irgendwie magisch. Vor uns lagen zehn Tage Bahnfahrt – von Moskau quer durch Russland bis zum Baikalsee, dann die Mongolei, China und Vietnam. Von Ho Chi Minh City dann irgendwie nach Thailand.

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Das war Entschleunigung pur. Und Distanz.

Nix da mit Arbeit!

Wir hatten eine gute Zeit gewählt, Anfang April. Da war nix los. Der Zug, etwa einen Dreiviertelkilometer lang, war leer. Außer uns waren noch fünf andere Menschen an Bord. Wirklich, komplett leer. Ebenso die vielen Bahnhöfe, die wir passierten. In Hochzeiten stehen da Unmengen an Menschen, die durch das Fenster Getränke und Essen und Souvenirs verkaufen. In unserem Fall. Ausgestorben. Dementsprechend war auch das Personal. Ausgestorben. Außer vom Undercover-Agenten. Er stieg mit uns in den Zug ein – in voller Militär-Uniform mit Kalaschnikow, Pistolen und so Zeugs. Fünf Minuten später lief er im Trainingsanzug als Tourist verkleidet durch den Zug und inspizierte ziemlich unverdächtig alle Passagiere und gab sich als Amerikaner aus. „Undercover“. Ich habe das genossen, diesen Luxus, einen riesigen Zug fast für mich alleine zu haben. Der Nachteil war nur das Personal. Für die paar Hansel, was soll man da schon die Steckdosen aktivieren? Dann lieber mit dem anderen Personal was essen. Selbst kleine Bestechungen, um doch bitte Saft auf die Steckdosen zu legen, halfen meist nur kurze Zeit.

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Mit anderen Worten: Smartphone, Laptop und Soundsystem waren nicht. Akku leer. Smartphone hätte mir eh nichts gebracht – kein Empfang, schon gar nicht in der Mongolei. Den ersten Tag hat mich das genervt. Aber danach nicht mehr. Ich bin richtig runtergekommen. Mag blöd klingen, aber stundenlang aus dem Fenster zu schauen, auf diese echt endlosen und eintönigen Gegenden, war Balsam für die Seele. Einmal damit abgefunden, dass Arbeit schier nicht möglich ist, war das ein Traum. Und die Transsib ist, je nachdem, welchen Zug ihr erwischt, in keinster Weise mit einem ICE vergleichbar. Die Heizung funktioniert über einen Kohleofen, kein Scheiß. Es rattert und rüttelt und man fährt mit gefühlten 60 Stundenkilometern durch die Gegend. Einfach ein Erlebnis. Könnte da seitenweise drüber schreiben, die Grenzkontrollen zur Mongolei (Russlands McDonald’s hoch zehn), das Austauschen der Radgestelle (andere Spurbreite in China), die tollen Tage und Abende mit den anderen an Bord, Peking, die atemberaubende Fahrt entlang Vietnams Küste, die drei Tage danach, die ich brauchte, um das Ruckeln aus dem Körper zu kriegen …

Im Nachhinein war aber das Tollste: das Entschleunigen, das Abschalten – und das Gefühl, dass man wirklich ans andere Ende der Welt fährt. Zwölf Stunden Flug oder zehn Tage Bahnfahrt. Das ist ein Unterschied. Da wurde mir wirklich bewusst, dass ich weg bin. Weit weg. Und nicht mal eben mit dem Flieger übers Wochenende nach Bangkok.

Cheers, Rob

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P.S.: Immer wieder mal sehe ich Angebote von Typen, die „Digital Nomad Transsib Retreat and Coworking“ anbieten – die gleiche Fahrt, die gleiche Route, der doppelte Preis. Finger weg davon! Wie soll das gehen? 20 Leute, die alle über eine einzige Steckdose in einer haben Stunde ihre Geräte aufladen? Bei dem Gedanken kriege ich das Lachen nicht aus dem Knie …

Du hast Lust, mehr über das Leben als digitaler Nomade zu erfahren? Kein Problem, bei Rob’n’Roll around the World liest du mehr!

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Dein t3n-Team

Marrtin

Genialer Artikel. Selbst der Artikel entschleunigt bereits und lässt einen in eine andere Welt gleiten :D

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