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Ratgeber

So entwickelst du erfolgreiche Ökosystem-Strategien

Unternehmen können durch Kooperationen in Ökosystemen ihr Angebot erweitern und auf noch unerschlossenen Märkten platzieren. Zur Strukturierung helfen vier grundlegende Strategie-Optionen.

7 Min.
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(Grafik: Shutterstock)

Wenn in der traditionsreichen Essener Zeche Zollverein Vorstände des Mischkonzerns Haniel mit den Mitarbeitern des hauseigenen Innovation Labs „Schacht One“ zusammentreffen, dann geht es meistens darum, den Stand der Digitalinitiativen zu besprechen. In letzter Zeit steht dabei immer wieder das Thema Ökosysteme auf der Agenda dieser Meetings. Die Digitalstrategen bei Haniel stellen zunehmend fest, dass die zukünftigen Angebote in den jeweiligen Märkten nicht mehr ausschließlich durch Einzelunternehmen angeboten werden können. Vielmehr werden vermehrt sogenannte Ökosystem-Partnerschaften aufgebaut, in denen ein gemeinsames Wertversprechen (Value-Proposition) für den Kunden angeboten wird. Das Neue dabei ist, dass die Unternehmen in diesem Zuge zunehmend mit Dienstleistern und sogar mit Wettbewerbern kooperieren. So bietet beispielsweise Karstadt schon bald einen Amazon-Counter an. Vor wenigen Jahren wäre eine derartige Strategie undenkbar gewesen.

Ökosysteme als Grundlage datenbasierter Angebote

Doch warum ist es für Mittelständler und Konzerne gleicherweise überhaupt wichtig, diese neuen Ökosystem-Angebote zu etablieren? Techplayer und Startups machen schon seit einiger Zeit vor, wie mit datenbasierten Geschäftsmodellen immer mehr Geld zu verdienen ist. Mit zunehmendem Fortschritt digitaler Technologien (wie etwa Blockchain, Internet of Things, künstliche Intelligenz) können sich die etablierten Unternehmen dem nicht mehr verschließen. Sie stellen fest, dass eine Transformation ihres angestammten Geschäfts hin zu Services und daten- beziehungsweise wissensgetriebenen Geschäftsmodellen notwendig ist. Mehr Daten und mehr Wissen über den User bedeuten dann auch die Verschmelzung vormals getrennter Branchen. Die besten Player richten sich schon heute letztlich – unabhängig von ihrer Branchenzugehörigkeit – konsequent an den Kundeninteressen und damit den Lebenswelten der Menschen aus. Hierfür sind jedoch in der Regel die notwendigen Werkzeuge und Kompetenzen in den Traditionsunternehmen nicht vorhanden. Gleichzeitig droht für nahezu alle Branchen der Angriff der Ökosystemgiganten (Amazon, Apple, Facebook, Microsoft, Alibaba, Tencent und Co.), die ebendiese als spezifischen Wettbewerbsvorteil aufgebaut haben.

Ökosysteme erfordern neue Strategiekonzepte

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Wie bereitet man sich also am besten auf das Ökosystemzeitalter vor? Wichtig ist vor allem ein klares Verständnis über die eigene Rolle als Ökosystem-Player. Dafür wird im Folgenden aufgezeigt, welche strategischen Optionen Unternehmen haben, um sich erfolgreich in einem Ökosystem zu positionieren. Auf Basis von Gesprächen mit über 500 hochrangigen Praktikern (zumeist Geschäftsführer/Vorstände, Digitalverantwortliche, Investoren und Gründer) wurde herausgearbeitet, welche Möglichkeiten Unternehmen haben, sich entsprechend aufzustellen.

Life-Areas und Positionierung rund um Kundenbedürfnisse als Orientierungsrahmen

Kerngegenstand des hier vorgestellten Konzepts ist eine Einordnung der Positionierung von Unternehmen in zehn so genannte Life-Areas. Unternehmen können innerhalb der Life-Areas verschiedene Rollen einnehmen.

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Life-Areas und Positionierungsoptionen im Ökosystem. (Grafik: Autoren)

Die Life-Areas beschreiben die wesentlichen Themenfelder des Alltagslebens eines Menschen beziehungsweise Kunden. Eine Positionierung des Unternehmens in mehreren Life-Areas wird bei den meisten Unternehmen aufgrund der zuvor beschriebenen ökosystemgetriebenen Entwicklungen die Norm sein.

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Unternehmen haben die Möglichkeit, sich als Orchestrator (Mittelsmann von Produkten und Diensten mittels einer Plattform), Realizer (Anbieter von Inhalten, Produkten und Services) oder als Enabler (Unterstützer der Realizer und Orchestrator durch Lieferung von Technologien, Inhalten, Produkten und Services) zu positionieren.

Das Konzept der Life-Areas hilft Unternehmen, ihren Blickwinkel über ihren direkten beziehungsweise nächsten Kunden bis zum Endkunden zu richten. Damit können sie verstehen, welchen Beitrag das eigene Unternehmen zur Erfüllung der gesamten Bedürfniskette leistet.

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Essenziell ist hierbei, für sich herauszuarbeiten, welche Rolle mit welchem Angebot übernommen werden soll. Hierzu dient die in der Abbildung am Beispiel Deutsche Telekom dargestellte Ecosystem-Strategy-Map als „Ökosystem-GPS“.

Ecosystem-Strategy-Map Deutsche Telekom. (Grafik: Autoren)

Am Beispiel der Deutschen Telekom soll das Konzept im Folgenden erläutert werden:

  1. Als Netzbetreiber ist die Telekom traditionell primär als Enabler positioniert und liefert die Infrastruktur für Internet und Telefon (Mobil und Festnetz).
  2. In der Life-Area Entertainment positioniert sich die Telekom mittels Kooperationspartnern in allen drei Rollen (Enabler, Realizer und Orchestrator). Dabei stellt sie ihren Kunden unter eigener Marke umfassende Inhalte (Content) zur Verfügung (etwa Fußball gemeinsam mit Sky).
  3. Insbesondere über die Businesskunden-Marke T-Systems werden in der Life-Area Arbeit als Enabler und Realizer umfassende Angebote und Lösungen für Unternehmensanwender entwickelt. Neben eigenen Services bestehen hier Kooperationen mit großen Partnern, primär aus dem Softwarebereich.

Die Anwendung des skizzierten Ansatzes erfolgt durch Leitfragen, mittels derer das vorgestellte Template ausgefüllt werden kann:

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  1. Wo bin ich und wo sind meine Kunden aktuell positioniert?
  2. Welches sind meine aktuellen Rollen in den Life-Areas?
  3. Welche Leistungen erhalten unsere Kunden von mir beziehungsweise meinen Kooperationspartnern?

Durch die Beantwortung der Fragen und die Nutzung der Ecosystem-Strategy-Map erhält das Unternehmen ein transparentes Bild über das eigene Ökosystem-Portfolio und seine Ökosystem-Positionierung.

Strategische Klarheit und Richtung durch Normstrategien

Auf Basis von Interviews mit Unternehmenspraktikern und der Verprobung in Praxisworkshops und -projekten lassen sich vier Normstrategien für die Positionierung in Ökosystemen ableiten.

Vier mögliche Normstrategien zur Ökosystempositionierung. (Grafik: Autoren)

Wir betrachten die Systematik zunächst weiter am Beispiel Deutsche Telekom. Dazu skizzieren wir bei den einzelnen Normstrategien zum besseren Verständnis noch zusätzliche Beispiele.

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1. Role-Focus

Bei dieser Normstrategie konzentriert sich ein Unternehmen auf die Positionierung in einer Rolle. Mit Blick auf die Telekom wäre ein Fokus auf die Enabler-Rolle naheliegend. Mit zunehmender Bedeutung des Internets der Dinge könnte die Telekom anstreben, einer der zentralen Enabler über alle Life-Areas hinweg zu werden. Als Unterstützer könnte sie so dafür sorgen, dass alle Ökosysteme der Zukunft durch den 5G-Standard betrieben werden können und Konnektivität in alle Lebensbereiche bringen.

Normstrategie I „Role Focus“ am Beispiel Deutsche Telekom und weiteren. (Grafik: Autoren)

2. Life-Area-Focus

Bei dieser Normstrategie konzentriert sich ein Unternehmen ausschließlich auf eine Life-Area. Darin kann entweder eine einzelne oder mehrere Rollen wahrgenommen werden. Würde sich die Telekom für so eine Strategie entscheiden, könnte dies etwa die Life-Area Entertainment sein. In diesem Bereich ist nämlich bereits historisch eine starke und umfassende Positionierung mit entsprechenden Angeboten vorhanden. Investments, Assets und (Management-)Kompetenzen könnten auf diese Rolle konzentriert werden, um der „Life-Area-Leader“ zu werden. In der Konsequenz wären für diese Life-Area verstärkt weitere Angebote zu entwickeln (etwa durch die vollständige Übernahme der Übertragungsrechte der Fußballbundesliga, der Produktion eigener Serien und Filme oder der Erweiterung des News-Angebots).

Normstrategie II „Life-Area-Focus“ am Beispiel Deutsche Telekom und weiteren. (Grafik: Autoren)

3. Life-Area-Expansion

Bei dieser Normstrategie erweitert ein Unternehmen seinen Fokus auf eine andere Life-Area, um neue Umsatz- und Erlöspotenziale zu erschließen. Auf die Telekom bezogen könnte das Unternehmen etwa versuchen, die potenzialträchtige Life-Area Bildung zu adressieren. In dieser Life-Area ist die Telekom bisher noch nicht vertreten und könnte sie etwa über Kooperationspartner erschließen. So wäre es beispielsweise möglich, Ausbildungs- und Trainingsprogramme anzubieten.

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Normstrategie III „Life-Area-Expansion“ am Beispiel Deutsche Telekom und weiteren. (Grafik: Autoren)

4. Life-Area-Integration

Bei dieser Normstrategie integriert ein Unternehmen in einer Life-Area eine vor- oder nachgelagerte Rolle (Orchestrator, Realizer oder Enabler). Dies kann entweder über den Aufbau eigener Aktivitäten, Kooperationen oder Übernahmen erfolgen. Für die Telekom wäre eine solche Strategie zum Beispiel in der Life-Area Arbeit denkbar. Die Telekom ist dort bereits in der Rolle des Enablers (Startpunkt) und des Realizers positioniert. Um den gesamten Lebensbereich zu füllen, könnte die Telekom etwa im Rahmen von New Work als Orchestrator Angebote entwickeln. Dies kann von der Bereitstellung von Büroflächen in den eigenen Einrichtungen bis hin zur Vermittlung von Arbeitsplätzen über Partner reichen, beispielsweise mittels einer Internetplattform wie Stepstone.

Normstrategie IV „Life Area Integration“ am Beispiel Deutsche Telekom sowie weiteren Beispielen. (Grafik: Autoren)

Anwendung der Normstrategien

Die dargestellten Normstrategien dienen dazu, exemplarisch mögliche Positionierungsoptionen aufzuzeigen und als Referenz für das eigene Unternehmen zu nutzen. Zur Ableitung möglicher Herangehensweisen können in der strategischen Diskussion folgende Leitfragen dienen:

  1. Welche Strategieoption(en) passt/passen zu meiner aktuellen Positionierung?
  2. Welches sind die relevanten Assets und Kompetenzen für einen bestimmten strategischen Archetyp und inwieweit sind diese in meinem Unternehmen bereits vorhanden?
  3. Welche erfolgversprechende Strategie kann mit vorhandenen oder neuen Ökosystem-Partnern umgesetzt werden?

Mit den vorgestellten Normstrategien können etablierte Unternehmen ein substanzielles Verständnis ihrer Handlungsoptionen im Ökosystems erlangen. Startups hilft die Systematik als Pitch-Story für Investoren in späteren Finanzierungsrunden oder bei der Identifikation von Exit-Zielen. Weiterhin können Investoren, Digitaleinheiten und Startup-Programme von Corporates die Normstrategien dafür einsetzen, das eigene Portfoliomanagement zu unterstützen.

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Alle drei Anwendungsfälle findet man übrigens beim eingangs erwähnten Mischkonzern Haniel und seinem Digitalprogramm „Schacht One“. Gerade für Unternehmen mit einem solch diversen Portfolio ist eine Überprüfung der jeweiligen Ökosystem-Positionierungen auf vorhandene Synergien und Marktchancen naheliegend. Kurzum: Ein umfassendes strategisches Ökosystem-Verständnis wird zunehmend zum kategorischen Imperativ für alle Unternehmen, die sich in der nächsten Welle der digitalen Transformation nachhaltig und zukunftssicher aufstellen wollen.

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