ESOP, VSOP und Co: Welche Gefahren bergen Mitarbeiterbeteiligungen?
Nach einer Bitkom-Umfrage aus diesem Jahr wäre für drei Viertel (73 Prozent) der Startups eine höhere Attraktivität von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen wichtig. Bislang beteiligen 4 von 10 (38 Prozent) Beschäftigte am Unternehmen, weitere 48 Prozent können sich das in der Zukunft vorstellen.
Eine solche Gewinnbeteiligungen ist für sie ein wichtiger Pluspunkt im Recruiting. Oft konkurrieren Startups mit großen Konzernen um die Spitzentalente – können aber bei keine Spitzengehältern zahlen. Das Versprechen, Mitarbeiter:innen am späteren Erfolg des Unternehmens zu beteiligen, ist da ein Ausweg. Zwar werden die Anteile mit jeder Finanzierungsrunde verwässert, proportional steigt aber gleichzeitig der Wert des Unternehmens und der Anteil des Mitarbeiters ist unterm Strich mehr wert – so zumindest der Idealfall.
Der Arbeitnehmende hat also die Aussicht auf einen hohen Bonus, und das Startup verliert in den ersten Jahren keine Liquidität – denn die Auszahlung des Beteiligung wird ja erst später fällig. Gleichzeitig bindet es die Mitarbeiter:innen auch enger an sich und schwört sie auf den Erfolg der Firma ein.
Welches Programm passt zu wem?
Doch welche Form der Beteiligung passt zu welchem Unternehmen? Laut Rechtsanwältin Natalie Hsiao, Partnerin bei der Kanzlei Greenberg Traurig, bestimmt unter anderem die Rechtsform, für wen sich welche Form der Mitarbeiterbeteiligung eignet. „ESOP (Employee Stock Option Plan) werden in Deutschland häufig in großen Aktiengesellschaften eingesetzt, um leitende Mitarbeiter:innen zu incentivieren. Im Venture-Capital-Markt kommen dagegen deutlich häufiger virtuelle Beteiligungen (Virtual Stock Option Plan – VSOP) oder sogenannte Hurdle Shares zum Einsatz, weil sie passender für Startups sind, die zumeist als GmbH oder Unternehmergesellschaft firmieren“, sagt sie.
Neben der Frage, ob es um eine reine Gewinnbeteiligung oder eine „echte“ Beteiligung am Startup gehen soll, müssen sich Gründer:innen auch fragen, wen sie denn eigentlich so einbeziehen wollen: Alle Mitarbeiter:innen oder doch nur ausgewählte Führungskräfte?
Das sind die grundsätzlichen Vor- und Nachteile der Modelle:
Wie funktioniert ein ESOP?
In einem Employee Stock Ownership Plan (ESOP) ist ein:e Mitarbeiter:in direkt am Unternehmen beteiligt – auch gesellschaftsrechtlich. Zu welchen Konditionen er oder sie die realen Anteile bekommt, wird vertraglich festgelegt. Das können beispielsweise bestimmte Leistungen oder Positionen im Unternehmen sein. Der:die Mitarbeiter:in erwirbt dann schrittweise, in einer sogenannten Vesting-Periode, die Eigentumsrechte.
Verbreitet ist diese Form bei US-Startups, die als Kapitalgesellschaften organisiert sind.
Zum deutschen Gesellschaftsrecht passen die Programme weniger gut. Denn sie haben hier einen entscheidenden Nachteil: ESOP müssen stets notariell beglaubigt werden, was sowohl für das Unternehmen als auch für Arbeitnehmer:innen ein aufwendiger Prozess ist. Ein weiterer Grund, der dagegen spricht: Mitarbeiter:innen haben dann auch Stimm- und Informationsrechte, was die Entscheidungsprozesse im Unternehmen kompliziertet macht und besonders unbequem wird, wenn er oder sie gar nicht mehr dort arbeitet.
Wie wird ein ESOP versteuert?
Auch steuerlich ist die ESOP-Variante in Deutschland bislang extrem unattraktiv. Das liegt an einem Effekt, der „Dry Income“ genannt wird. „Aktuell ist es noch so, dass die Anteile grundsätzlich in dem Moment besteuert werden, in dem sie auch gewährt werden“, erklärt Steuerrechtler Florian Deitel von Greenberg Traurig. Durch eine gesetzlich vorgesehene Stundung wird die Besteuerung in die Zukunft verschoben. In diesem Fall kann es zu einer Besteuerung beim Exit des Unternehmens kommen, aber auch schon früher, wenn Mitarbeiter:innen kündigen oder nach der gesetzlich festgeschriebene maximalen Laufzeit von zwölf Jahren. „In den beiden letzten Fällen ergibt sich dann ein klarer Nachteil für den Arbeitnehmenden, der zu diesem Zeitpunkt noch gar kein Geld bekommen hat – trotzdem aber die Steuer zahlen muss“, sagt Deitel.
Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz soll das Dry-Income-Problem nun aber beseitigt werden. „In dem Fall, dass ein:e Mitarbeiter:in geht, kann der Arbeitgeber dann die Haftung für die zu zahlende Steuer übernehmen und so eine Verlängerung der Stundung bis zum Veräußerungszeitpunkt erreichen“, erklärt der Steuerexperte. Außerdem wird die maximale Laufzeit eines ESOP auf 20 Jahre verlängert – danach geht der Gesetzgeber davon aus, dass ein Unternehmen nun wirklich kein Startup mehr ist oder ein Exit vollzogen wurde.
Was ist ein VSOP?
In einem Virtual Stock Option Plan (VSOP) erhalten Mitarbeiter:innen statt echter Aktien oder Beteiligungen eine virtuelle Option, die den Wert des Unternehmens widerspiegelt. Erst bei bestimmten Ereignissen, wie dem Börsengang oder Verkauf des Startups, werden sie in einen Barausgleich umgewandelt.
Gesellschaftsrechtlich sind Mitarbeiter:innen aber nicht am Unternehmen beteiligt. Das heißt, sie haben auch keine Stimm- oder Informationsrechte.
Wann werden VSOP ausgezahlt?
Das häufigste Szenario für die Auszahlung von VSOP ist wie beim ESOP der Exit des Startups – also ein Börsengang oder Verkauf. In diesem Moment wird der Wert der virtuellen Optionen realisiert, und die Mitarbeiter:innen erhalten einen Barausgleich. Der entspricht dem Wert, den sie erhalten hätten, wenn sie tatsächliche Aktienoptionen gehalten hätten.
Die Steuerproblematik des Dry Income gibt es hier nicht. „Für Mitarbeiter:innen ist es vorteilhaft, wenn sie keinen Kauf- oder Ausübungspreis aufbringen müssen, sondern die virtuelle Option als eine Art Exitbonus über ein schuldrechtliches Versprechen erhalten“, rät Greenberg Traurig-Anwältin Hsiao.
Hurdle Shares sind wieder echte Beteiligungen am Unternehmen, Mitarbeiter:innen erhalten also Aktien, deren Wert aber zunächst bei 0 liegt und erst steigt, wenn bestimmter Unternehmensziele („Hurdles“) erreicht werden.
Die Hurdles können finanzielle Meilensteine sein oder andere Wachstumsindikatoren. „Hurdle Shares eignen sich vor allem, um ausgewählte Mitarbeiter:innen besonders zu incentivieren, weil sie echte Gesellschafter werden sollen, etwa wenn ein:e spätere:r C-Level Mitarbeiter:in einsteigt und eine gründerähnliche Funktion haben soll“, sagt Greenberg Traurig-Rechtsanwältin Hsiao.
Welche Gefahren bergen Mitarbeiterbeteiligungen?
Jedes Startup hofft auf den großen Erfolg. Doch rein statistisch gesehen ist es viel wahrscheinlicher, das ein Jungunternehmen es nicht schafft. Mehr als 80 Prozent aller Startups scheitern innerhalb von drei Jahren. Im Fall der Insolvenz oder eines Notverkaufs gehen dann auch die beteiligten Mitarbeiter:innen mitunter leer aus.
Denn wenn ein Unternehmen verkauft wird, erhalten Investor:innen mit der sogenannten Liquidationspräferenz als erste ihr investiertes Kapital nebst eines festgelegten Zinses oder eines Vielfachen ihres Investments. Erst danach wird der verbleibende Erlös unter den anderen Anteilseigner:innen aufgeteilt – was bedeuten kann, dass auch die beteiligten Mitarbeiter:innen deutlich weniger oder gar nichts erhalten, wenn der Verkaufserlös nicht ausreicht, um die Liquidationspräferenzen vollständig zu befriedigen.
Auch die Abwertung eines Startups in einer Finanzierungsrunde kann dazu führen, dass die Mitarbeiter:innen in die Röhre gucken. So erging es im vergangenen Jahr beispielsweise Angestellten von Klarna. Sie mussten teilweise draufzahlen.