Ethereum-Mitgründer Joseph Lubin: „Wir wollen das Web 3.0 bauen“
Eine Person oder eine Gruppe unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto hat die bekannteste Blockchain der Welt erfunden: die Digitalwährung Bitcoin. Doch die zweitbekannteste Blockchain der Welt namens Ethereum ist in vielerlei Hinsicht noch spannender, da sie dezentrale Applikationen und Verträge auf Grundlage der Blockchain erlaubt.
„Das Web 3.0 ist ein dezentrales Web mit dezentralem Speicher, dezentralem Computing.“
Ethereum ist damit mehr als digitales Gold – es könnte die Grundlage für eine neue Form des Internets sein, in der Dienste dezentral angeboten und mittels Token bezahlt werden, kleinen digitalen Einheiten, die nicht kopiert werden können. Zahlreiche Investoren wetten darauf, dass die Blockchain-Technologie die Grundlage für eine neue Form des Internets werden könnte – doch die Anwendungsbeispiele bleiben oft abstrakt.
Ethereum-Mitgründer Jospeh Lubin machte am Freitag auf dem Tech-, Musik- und Film-Festival South by Southwest (SXSW) ein wenig die damit verbundende Vision eines „Web 3.0“ etwas greifbarer: „Das Web 3.0 ist ein dezentrales Web mit dezentralem Speicher, dezentralem Computing.“ Doch was heißt das konkret?
Eine Art Amazon AWS auf Ethereum-Basis
Auf Grundlage der Ethereum-Blockchain wird derzeit beispielsweise eine Art Amazon AWS gebaut – also ein Netzwerk für Rechenkraft und Speicher aus der Cloud. Statt wie bei Amazon auf zentralen Rechenzentren des Unternehmens liegen die Daten dieses Cloud-Computers allerdings verschlüsselt auf allen Rechnern von Nutzern, die mitmachen. Wer Speicher oder Rechenkraft nutzt, bezahlt dafür in Form von Tokens. „Es ist eine offene Plattform, bei der durch die Tokens nicht ein Einzelner übermäßig profitiert“, sagt Lubin – also ein Gegenmodell zur der Plattformökonomie des Internets, die derzeit von Google, Apple, Facebook und Amazon dominiert wird. „Das Ganze wäre also ähnlich wie Amazon AWS aber günstiger, weil Speicher genutzt würde, der aktuell nutzlos herumliegt“, sagt Lubin.
Allerdings beschränkt sich die mögliche Anwendung der Blockchain nicht auf Cloud-Computing. Die Blockchain soll alle möglichen Wirtschaftsbereiche grundlegend verändern – von Logistik bis Musik. Für Musik verweist Lubin auf das Projekt Ujomusic.com, das eine dezentrale Rechteverwertungsplattform auf Grundlage der Ethereum-Blockchain baut und sich derzeit in der Beta-Phase befindet. Die Idee: Musiker stellen ihre Musik samt einem Rechtemanagement in der Blockchain online und die Zahlungen fließen ohne Mittelsmann direkt an die Künstler.
„Die Künstler definieren selbst, was mit ihrer Musik passieren darf“, sagt Lubin. „Die Rolle der Mittelsmänner, die heute bis zu 90 Prozent der Monetisierung abschöpfen, sinkt.“ Das Geld fließt direkt von den Käufern der Musik zu den Künstlern. „Die Kunden profitieren doppelt. Erstens müssen sie weniger bezahlen, zweitens wissen sie, dass sie die Künstler unterstützen und keine Mittelsmänner“, sagt Lubin. Zwar sei auch auf dieser Plattform eine Rolle für Vermittler denkbar – diese würden jedoch eine Entlohnung entsprechend ihrer Leistung erhalten und nicht wie heute die großen Musiklabels einen Großteil der Gewinne einstreichen.
Bei Ujo soll Geld direkt von Käufern an Musiker fließen
Noch ist das alles graue Theorie. Ujo ist in einer geschlossenen Beta-Phase, die in etwa drei Monaten weiter geöffnet werden soll, kündigte der Ethereum-Mitgründer an. Noch ist unklar, ob Künstler und vor allem Kunden das neue Modell annehmen werden – wie so oft bei neuen digitalen Technologien besteht ein Henne-Ei-Problem: ohne attraktive Künstler keine Kunden, ohne Kunden keine Künstler. Damit sich das „Web 3.0“ durchsetzt, bräuchte es mutige Pioniere unter Musikern, die sich gegen die großen Labels entscheiden.
„Unserer Meinung nach ist unser Land überreguliert.“
Und selbst wenn das passiert, hat Ethereum noch einige ungelöste Fragen: Die auch bei Bitcoin immer wieder kritisierte Energieverschwendung durch den Mining-Prozess zum Beispiel, wodurch auch die Transaktionen abgesichert werden. Deshalb will Ethereum vom Proof-of-work-Ansatz zum Proof-of-stake-Ansatz wechseln, wie Lubin auch in Austin nochmals betont. Damit würde vor allem das Problem der Energieverschwendung gelöst, da die Absicherung der Transaktionen mit deutlich weniger Rechenkraft mit dem Nachweis umgesetzt werden würde, dass ein Nutzer eine bestimmte Menge Ether hält. Ob die Umstellung technisch klappen wird, ist allerdings noch offen. An dem Problem der Skalierung arbeiten mehrere Gruppen intensiv, sagt Lubin. Ein Ansatz hieße beispielsweise State Channels, ein anderer Plasma.
Auch die zunehmend schärfere Regulierung der Kryptowährungen insbesondere in den USA ist eine Herausforderung. „Unserer Meinung nach ist unser Land überreguliert“, sagt Lubin – und betont gleichzeitig den heilsamen Effekt der Androhungen der US-Finanzmarktaufsicht SEC auf den Kryptomarkt. „Es ist gesund und vernünftig, dass die SEC sich das anschaut – alleine dadurch verhalten sich die Leute besser.“
Die kommende Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in der EU sieht er abgesehen von einigen Ausnahmefällen nicht als grundsätzliches Problem der Blockchain. „Wir sind ein offenes Protokoll, wer soll verklagt werden?“, fragt er. Eine Ausnahme sind aus seiner Sicht medizinische Daten wie die persönliche DNA, die verschlüsselt in der Blockchain gespeichert werden. Sollten die Verschlüsslung solcher in einer öffentlichen Blockchain gespeicherten Daten in den kommenden Jahrzehnten durch Quantencomputer geknackt werden, wäre das ein Datenschutz-Problem.
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