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Interview
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Eve-Systems-CEO: „Komplexität bremst den Smarthome-Durchbruch aus“

Jerome Gackel, CEO des Münchener Homekit-Spezialisten Eve Systems, erklärt im t3n-Interview, warum der Smarthome-Markt die Masse noch nicht erreicht.

Von Berti Kolbow-Lehradt
5 Min. Lesezeit
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Weniger Bridges und Cloud-Konten, mehr Privatsphäre-Einstellungen braucht der Smarthome-Markt, ist Jerome Gackel, CEO von Eve Systems, überzeugt. (Foto: Eve Systems)

Während Technik-Dauerbrenner wie etwa Smartphones und TV-Geräte sich immer schleppender verkaufen, wächst der Smarthome-Markt stabil. Die Heimautomation hat die Nerd-Blase verlassen. Laut Bitkom nutzen drei von zehn Bundesbürgern mindestens eine Smarthome-Anwendung. Das macht Mut – selbst Ikea hat Blut geleckt.

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Aber so richtig gezündet hat der Hoffnungsträger Smarthome noch nicht. Von einem Durchbruch zum Massenmarkt kann bisher keine Rede sein. Woran liegt das? Und was muss passieren? Darüber sprachen wir mit Jerome Gackel, CEO des Münchener Smarthome-Spezialisten Eve Systems. Das Unternehmen stellt ausschließlich Zubehör für Apples Homekit-Plattform her. Dafür hat es eigenen Angaben zufolge bisher 900.000 Geräte verkauft – bis Ende des Jahres soll die Millionenmarke geknackt sein.

Eve Systems legt wie Apple den Marketing-Schwerpunkt auf das Privatsphäre-Argument. Der Umgang mit Daten war zuletzt ein häufiger Kritikpunkt am Smarthome-Markt. Aber das ist laut Jerome Gackel nicht die einzige Herausforderung.

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t3n: Was muss passieren, damit der Smarthome-Markt zum Massenmarkt wird?

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Jerome Gackel: Er muss übersichtlicher werden. Ich bin auf der Ifa 2019 durch die Smarthome-Halle gegangen und habe auf den Ständen der jeweiligen Hersteller sehr viele komplizierte Slogans gelesen. Mit sehr vielen technischen Argumenten und Kompatibilitätshinweisen. Das überfordert viele Konsumenten und schreckt sie ab. Wir haben unsere Aussage auf „100 Prozent Privatsphäre. Dein Zuhause. Deine Daten.“ reduziert, weil wir glauben, dass ein klares, nachvollziehbares Argument genügt.

t3n: Warum erklärt die Branche nicht verständlicher, was sie zu bieten hat?

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Viele Hersteller verfolgen den Ansatz, zu möglichst vielen Plattformen und Marken kompatibel zu sein. Wenn sich eine nicht durchsetzt, tut es hoffentlich die andere, so das Kalkül. Doch mehr Kompatibilität erhöht auch die Komplexität. Das ist ein fauler Kompromiss. Als Hersteller im Smarthome-Markt zu wachsen und gleichzeitig die Komplexität für den Nutzer zu reduzieren, muss das Ziel lauten.

t3n: Bisher gibt der Erfolg den Systemen mit breiter Marken- und Produktunterstützung recht. Praktisch alle Champions bieten leicht zugängliche Schnittstellen. Eve bindet sich an Apple Homekit, das hohe Hürden setzt. Wollen Sie etwa nicht schnell wachsen?

Wir haben binnen vier Jahren über ein Dutzend Homekit-Produkte auf den Markt gebracht – langsam ist anders. Allerdings lässt sich Wachstum in dieser Marktphase nicht mehr allein über ein breites Angebot oder großen Funktionsumfang erzielen. Der Flaschenhals ist die Akzeptanz. Es kommt darauf an, den Nutzer vom Mehrwert zu überzeugen. Deswegen haben wir uns hingesetzt und geprüft, was uns besonders macht. Eine Umfrage zeigte, dass viele gar nicht wissen, dass Eve-Produkte selbst kein Cloud-Konto erfordern und alle Daten lokal und damit privat speichern.

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t3n: Datenschutz wird hierzulande heiß diskutiert. Wenn man sich die Marktentwicklung anschaut, setzen sich in der Masse bisher aber trotzdem die erschwinglichsten und scheinbar bequemsten Lösungen durch. Woher kommt Ihr Optimismus, den Erfolg im Privatsphäre-Argument zu suchen?

Der Markt befindet sich an einem Wendepunkt. Die Hype-Phase ist vorbei. Vertrauen wird wichtiger, schließlich geht es um das eigene Zuhause. Jetzt sind keine Gadgets mehr gefragt, sondern Zuverlässigkeit. Ein smarter Lichtschalter soll 15 Jahre halten. Wer sich für einen Kauf entscheidet, will keine schnell veraltende oder angreifbare Technik.

t3n:Immer mehr Hersteller setzen im Marketing auf das Privatsphäre-Argument. Verwässert das nicht den Wert der Aussage?

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Ja, die Gefahr besteht. Aber es gibt unterschiedliche Ansätze. Verbraucher sollten genau auf die Wortwahl achten. Beispielsweise bezeichnen manche Hersteller ihre Philosophie als „Privacy by Design“. Damit betonen sie, dass das Thema bei der Produktentwicklung von Anfang an mitgedacht wird. Aber diese Formulierung schließt Sicherheitslücken im Betrieb keinesfalls aus, insbesondere wenn eine gewöhnliche Cloud-Infrastruktur zum Einsatz kommt. Eine Garantie für vollständige Privatsphäre sieht anders aus.

Warum nutzen Sie keine eigene Cloud?

Für den Anwender soll es so einfach und sicher wie möglich sein. Das ist unsere Philosophie. Ein extra Cloud-Konto mit Zugangsdaten erstellen und eine Bridge zum WLAN-Router installieren zu müssen, ist aus unserer Sicht genau das Gegenteil. Deshalb lassen sich unsere Smarthome-Geräte direkt mit dem iPhone steuern. Verlaufsdaten bleiben lokal. Außerdem liegt unsere Spezialität nicht darin, eine Cloud mit Hunderttausenden oder Millionen Zugängen abzusichern.

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Aber für die Fernsteuerung von unterwegs ist doch schon ein Cloud-Dienst nötig.

Ja, aber dafür kommt Apples iCloud zum Einsatz, die Nutzer für Homekit ohnehin eingerichtet haben. Sie ist End-to-End-verschlüsselt und damit als sehr sicher anzusehen. Jemand müsste sich schon des iPhones bemächtigen und es entsperren können, um sie zu knacken. Außerdem gibt Homekit keine persönlichen Daten an andere Zubehör-Hersteller weiter. Dieses Privatsphäre-Konzept steht mit unserer Philosophie im Einklang. Deshalb fokussieren wir uns auf diese Plattform.

Eve Door and Windows mit Apple Home auf iPhone bedienen

Es geht auch ohne eigene Cloud: Für die Bedienung von unterwegs nutzt Eve Systems die Infrastruktur von Apple Homekit und iCloud. (Foto: Eve Systems)

t3n: Die Infrastruktur von Apple Homekit gilt als sehr sicher. Die Geräte kosten aber im Marktvergleich in der Regel auch viel mehr. Wie soll das System da jemals die Schwelle zum Massenmarkt durchbrechen?

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Homekit ist derzeit nicht so groß wie Alexa, Google Home oder auch Smartthings. Aber der Smarthome-Markt ist in Bewegung und das Aufholpotenzial von Homekit besonders groß. Denn in Millionen von Haushalten ist mit der Home-App auf dem iPhone und iPad eine gebrauchsfertige Smarthome-Schaltzentrale vorhanden, ohne dass deren Besitzern das bewusst ist. Die Geräte warten nur darauf, eingesetzt zu werden. Wenn Apple erstmal beginnt, die Plattform aktiv zu promoten, werden wir eine dramatische Marktverschiebung jenseits der aktuellen Marktkonsolidierung erleben.

t3n: Welche Marktkonsolidierung?

Nach der Boom-Phase laufen die ersten großen Aufräumarbeiten. Für Außenstehende sind sie schwer erkennbar, weil seit Jahren fast die gleichen Smarthome-Marken unverändert präsent sind. Zwar musste bis jetzt niemand Relevantes dichtmachen, aber viele Wettbewerber könnten ohne neue Eigentümer nicht überleben. Unabhängig ist kaum noch jemand. Der Smarthome-Markt bietet genug Perspektive, um Investoren anzuziehen. Doch eine Gefahr sehe ich darin, dass sie in Quartalen denken und dann weiter mit universell kompatiblen, aber zu komplexen Produkten den Smarthome-Markt ausbremsen. Wir müssen in diesem Markt zehn Jahre und nicht nur drei Monate vorausblicken.

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t3n: Wie sieht der Smarthome-Markt in zehn Jahren aus?

Es wird Platz für drei große Plattformen geben. In Bezug auf die aktiven Hersteller wird die Markenlandschaft eine andere sein. Für viele Akteure wird es schwierig. Aber den Massenmarkt haben wir bis dahin erreicht. Auf ein Durchbruchsjahr möchte ich mich nicht festlegen. Doch die Dynamik ist da. Der Durchbruch wird gelingen.

t3n: Vielen Dank für das Gespräch.

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A. Gudera

Ich glaube nicht, dass es Komplexität ist, was Menschen hindert, das Haus zum SmartHome zu verwandeln. Vielmehr ist es eine (leider immer öfter begründete) Skepsis gegenüber den Online-Services, die hinter den SmartHome-Devices stehen.

Viele Komponenten werden primär, teilweise sogar ausschließlich über Apps und Webseiten der Hersteller parametriert. Damit gibt man logischerweise Informationen preis, die eigentlich nicht veröffentlicht werden sollten, so z.B. das WLAN-Passwort und durch die Nutzung die persönlichen Verhaltensweisen.

Firmwareaktualisierungen für die Komponenten sind oft Mangelware und das Verständnis für die informationelle Selbstbestimmung ist gestiegen.

Der Wunsch der Anbieter von SmartHome-Devices, mit Daten ein Zusatzeinkommen zu generieren, korrumpiert den Markt zusätzlich.

Ein reines, backbone-unabhängiges Offline-System würde vermutlich eine deutlich gesteigerte Akzeptanz beim Kunden hervorrufen.

Weiterhin sollte man bedenken, dass für SmartHome-Anwendungen eine recht starke Technikaffinität beim Kunden erforderlich ist.

Antworten
Titus von Unhold

Die Lösung heißt KNX.

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Markus

Wenn ich ein Heim gestalte, dann möchte ich Investitionsschutz, denn es in der IT Welt nicht gibt. Ständig ändert sich alles.

Seit 10 Jahren wohnen wir in einem SmartHome und ich denke ich weiss wovon ich rede. Daheim nutzen wir ein Offline System und es ist super im Hintergrund. Im Büro hingegen ein neues nur per App auf besonders einfach gemacht ohne Komplexität. Das System mit App und Cloud würde ich NIE wieder kaufen egal von welchem Hersteller.

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Friedrich

Ein „richtiges“ Smart Home sollte eben auch im Hintergrund seinen Dienst verrichten. Erst dann ist es auch intelligent. Da muss auch die KI mit eingebunden werden, um es zu schaffen, da sind wir aber noch weit von entfernt.

Denn die ganzen Sensoren und Co. müssen irgendwie vernünftig verwaltet und verknüpft werden und eben im Hintergrund laufen, ohne grossartig am jeweiligen System etwas einstellen zu müssen. Natürlich muss hier ebenfalls auch eine große Rolle der Datenschutz spielen.

Und die „Cloud“ muss nicht zwangsläufig auch immer böse, sondern sicher genug sein. Cloudbasierte Softwarelösungen wurden noch vor ein paar Jahren auch verteufelt und heute!? Die Hersteller sollen aber die Smart Home Systeme viel besser testen, bevor sie diese an ihre Kunden aushändigen.

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