Ex-Duolingo-Manager: Warum zu viel Berufserfahrung in der KI-Ära zum Problem wird
Die größten Leistungsträger:innen sind nicht immer die mit der meisten Erfahrung, sagt Albert Cheng, ehemaliger Produktleiter bei Duolingo und Grammarly. Wie Business Insider berichtet, erklärte er im Gespräch mit Lenny Rachitsky, dem Host von Lenny’s Podcast, sogar, dass zu viel Erfahrung die Anpassungsfähigkeit in einer dynamischen Arbeitswelt behindern könne.
Klassische Fähigkeiten verlieren an Relevanz
Albert Cheng ist Experte für Wachstum und Produktentwicklung. Er arbeitete drei Jahre lang bei Duolingo und anschließend fast zwei Jahre bei Grammarly, wo er jeweils für die Bereiche Wachstum und Monetarisierung verantwortlich war. Heute ist er als Chief Growth Officer bei Chess.com tätig. Im Podcast von Lenny Rachitsky sprach er darüber, wie er Menschen einstellt, die durch Eigeninitiative überzeugen. „Interessanterweise geschieht vieles außerhalb des Vorstellungsgesprächs“, sagte er. „Vieles hängt davon ab, welche Fragen sie gestellt haben. Haben sie das Produkt tatsächlich ausprobiert und sich intensiv damit beschäftigt?“ Laut Cheng sind weitere Faktoren die Referenzen der Kandidat:innen, ihre Kommunikation bei der Terminvereinbarung und die Energie, die sie ins Gespräch einbringen.
Gute Arbeitszeugnisse und jahrelange Berufserfahrung sind allerdings längst nicht mehr alles, was zählt. „Ich habe gesehen, dass einige der Leistungsträger:innen einfach Menschen mit großer Handlungsfähigkeit waren, die eine hohe Schnelligkeit und Energie hatten“, so Cheng. „Sie interessierten sich für die Mission, mussten aber nicht unbedingt über fundierte Erfahrungen in diesem Bereich verfügen.“ Nach Chengs Einschätzung kann sogar das Gegenteil zutreffen, denn in einer von KI geprägten Welt könnte zu viel Erfahrung zum Nachteil werden. Es brauche stattdessen die Mentalität von Anfänger:innen, die unvoreingenommen an neue Herausforderungen herangehen. „Gerade in dieser Welt, in der sich die Grundlagen durch KI so schnell verändern, müssen viele der erlernten Gewohnheiten bewusst abgelegt werden“, meint Cheng.
Der Umgang mit KI wird zu einem zentralen Faktor
Mit dieser Haltung ist Cheng nicht allein. Auch andere Stimmen aus der Tech-Welt sind überzeugt, dass klassische Qualifikationen an Bedeutung verlieren. Liang Wenfeng, der Gründer des chinesischen KI-Labors Deepseek, sagte schon im Jahr 2023, dass Erfahrung zwar bei kurzfristigen Projekten wichtig sei, bei langfristig denkenden Unternehmen Kreativität und Leidenschaft aber mehr zählten. Eine ähnliche Position vertritt LinkedIn-CEO Ryan Roslansky: In Zukunft würden Initiative und Anpassungsfähigkeit entscheidend sein – vor allem, da KI eine immer größere Rolle spiele. „Ich gehe davon aus, dass die Zukunft der Arbeit nicht mehr den Menschen mit den besten Abschlüssen oder den besten Hochschulen gehört, sondern den Menschen, die anpassungsfähig, vorausschauend, wissbegierig und bereit sind, diese Tools zu nutzen”, so Roslansky.
Auch für deutsche Unternehmen ist das ein wichtiger Impuls. Während klassische Noten schon heute weniger zählen, geben laut dem „HR Insights Report 2025“ von Personio zwei Drittel (66 Prozent) der HR-Verantwortlichen an, dass Kompetenzen wichtiger seien als Abschlüsse. Eine Studie von Softgarden zeigt zudem, dass der Einsatz von KI-Tools im Bewerbungsprozess künftig ein entscheidendes Kriterium sein könnte. Seit 2023 hat sich der Anteil der Bewerber:innen, die KI nutzen, mehr als verdreifacht. Am häufigsten kommen Tools wie ChatGPT bei jungen Akademiker:innen zum Einsatz. Das sei laut Softgarden kein Zeichen von Bequemlichkeit – sondern von technologischem Verständnis. Bewerbungen mit hohem KI-Anteil zeigen, wie sicher Kandidat:innen neue Technologien bereits einsetzen können und sollten demnach positiv bewertet werden.
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