Extrinsische vs. Intrinsische Motivation: Diese 3 Grundbedürfnisse treiben uns wirklich an
Seit fast 300 Jahren dreht sich der Großteil unseres arbeitenden Seins um Lektionen aus dem Industriezeitalter. Zu Beginn dieser Zeit sind Menschen nur Nummern gewesen, die auf Produktivität getrimmt waren. Selbstmanagement und unternehmerisches Denken des Einzelnen hatten keinen Platz, und erst recht nicht ein Verständnis dafür, wie wir psychologisch ticken. Arbeitende galten als Schachfiguren, die einzusetzen sind, und nicht als Spielerinnen oder Spieler mit eigener Verantwortung oder gar einer eigenen Motivation.
Diese Annahme geriet jedoch in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend ins Wanken. Den Grundstein dafür legte der US-amerikanische Ingenieur und Begründer der Arbeitswissenschaft Frederick Winslow Taylor zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Er glaubte, dass sich Arbeit hauptsächlich aus einfachen, nicht besonders interessanten Aufgaben zusammensetzt.
Der einzige Weg, Menschen dazu zu bringen, diese Aufgaben motiviert zu erledigen, besteht darin, sie mit angemessenen Anreizen schmackhaft zu machen und die Abläufe dabei genau zu überwachen. Das war die Geburtsstunde des Managements, wie wir es heute noch vielerorts kennen. Der eine denkt, der andere macht. Der eine bestimmt, der andere führt aus.
Damit die Person die Anweisung aus eigenem Antrieb ausführt, braucht sie lediglich einen fairen Lohn, und damit sie über sich hinauswächst, auch einen Ansporn. Das Besondere an Taylors Ansatz war dabei die Erkenntnis, diese Personen zu mehr Leistung zu motivieren, indem er auch Lohnerhöhungen in Aussicht stellte. Der Vordenker hat damit das System der äußeren Anreize in die moderne Wirtschaftswelt gebracht. Leistung zahlt sich aus, und das motiviert. Plötzlich wurde aus der Schachfigur eine Spielerin beziehungsweise ein Spieler, der ein eigenes Ziel verfolgt.
Diese Schule ist bis heute fest in den Köpfen der Menschen verankert. Belohnungen gelten als extrinsische Motivationsmittel und sind auch und vor allem bei anspruchsloser und fremdbestimmter Routinearbeit wirkmächtig. Vielen drängt sich dennoch das Bild des Esels mit der Karotte vor der Nase auf. Derartige Karotten in Form von Geld, so wissen wir heute, motivieren allerdings nur kurzfristig. Auf lange Sicht wirken sie eher wie Drogen: Man muss die Dosis immer weiter erhöhen, um überhaupt noch etwas zu spüren.
Intrinsische Motivation: Tatkraft aus dem Inneren
Eine größere Bedeutung wird inzwischen der intrinsischen Motivation zugesprochen, der, die von Innen herauskommt. Vor allem Kreativ- und Wissensarbeitende benötigen innere Impulse, um motiviert arbeiten zu können. Forscherinnen wie Teresa Amabile von der Harvard Business School haben sogar entdeckt, dass äußere Anreize in Form von Belohnung oder auch Bestrafung für kreative Arbeit verheerende Folgen haben können.
Bei diesen Tätigkeiten geht es meist darum, neuartige Probleme zu lösen oder etwas zu schaffen, auf das die Welt nicht mehr verzichten will. Die Lust daran, die besten Lösungen zu erarbeiten, lässt sich jedoch nicht durch äußere Einflüsse erzwingen. Natürlich braucht eine Art Director einer Werbekampagne ebenso wie ein Kassierer im Supermarkt einen fairen Lohn, um sein Leben zu leben. Jedoch benötigt Kreativität vorrangig Freiheit, um sich zu entfalten, und kein monetäres Bonussystem.
Anders als noch zu Taylors Zeiten, in denen Menschen vorwiegend Routinearbeiten in Fabriken erledigten, ist für viele Berufstätige der Job inzwischen vielschichtiger, interessanter und selbstbestimmter geworden – und macht damit auch mehr Spaß. Taylors Annahme hingegen beruht darauf, dass Arbeit keinen Spaß macht. Die Motivationslehre entwickelte sich deshalb weiter. Heute wissen wir um die Wirkmacht sowohl von äußeren als auch inneren Anreizen.
Nun lassen sich äußere Anreize leicht herbeiführen – ein sicherer Arbeitsplatz, ein fairer Lohn und vielleicht sogar der ein oder andere Bonus am Jahresende. Sowohl für den Einzelnen als auch für Organisationen stellt sich vielmehr die Frage, wie intrinsische Motivation funktioniert. Hier lohnt sich ein Blick auf die wissenschaftliche Arbeit der Verhaltensforscher Edward L. Deci und Richard Ryan. Ersterer gilt als Begründer der Forschung zur intrinsischen Motivation. Beide haben in den vergangenen 30 Jahren viel Zeit in die damit zusammenhängende Selbstbestimmungstheorie investiert.
Sie besagt, dass wir drei angeborene psychologische Grundbedürfnisse haben: Kompetenz, Autonomie und Zugehörigkeit. Kompetenz bedeutet, dass wir uns fähig fühlen und deshalb dazulernen möchten. Autonomie bedeutet, dass wir selbstständig Entscheidungen treffen und für die Konsequenzen verantwortlich sein möchten. Zugehörigkeit heißt nichts anderes, als dass wir uns mit einer Gruppe oder einer Sache verbunden fühlen möchten.
Wenn diese drei Bedürfnisse befriedigt sind, arbeiten wir laut Deci und Ryan motiviert und sind zudem auch noch glücklicher. Die intrinsische Motivation läuft auf Hochtouren. Sind diese Bedürfnisse jedoch ausgebremst, schwindet sie zusehends. Hier schließt sich auch der Kreis, warum extrinsische Motivationsmittel der Kreativität eher einen Bärendienst erweisen: Bonussysteme setzen eine Form von Überwachung nach Frederick Winslow Taylor voraus. Das geht zulasten des Autonomiegedanken.
Selbstbestimmtheit und Sinn sind Triebfedern
Sind Menschen nicht produktiv, greifen Unternehmen noch immer viel zu oft auf Belohnungssysteme zurück, anstatt das eigentliche Problem zu identifizieren und herauszufinden, wo es hakt: Fühlt ein Team-Mitglied sich unterfordert, fremdbestimmt oder gar nicht erst zugehörig? Diese Fragen zu stellen, sie zu beantworten und die Umstände zu verändern, ist die weitaus schwierigere Aufgabe, anstatt einfach nur zu sagen: Für zehn abgeschlossene Projekte bekommst du einen Bonus über zehn Prozent vom Lohn, bei weniger als fünf entfällt der Bonus hingegen komplett.
Dass die Quantität steigt, liegt auf der Hand. Wie sich solch ein System allerdings auf die Qualität der kreativen Arbeit auswirkt, bleibt offen. Glaubt man Deci und Ryan, eher negativ.
„Wer motiviert ist, überwindet Krisen. Wer nicht motiviert ist, fällt in einer Krise eher aus.“
Selbstbestimmtheit ist also ein wesentlicher Faktor für die intrinsiche Motivation, ein weiterer ist, den Sinn in einer Aufgabe zu erkennen. Die Sinnhaftigkeit treibt den Menschen schon seit der Antike an und mündete stets in die Frage aller Frage: Warum bin ich hier? Der Buchautor und Arbeitsexperte Simon Sinek hat diese Frage in seinem Bestseller „Start with Why“ in die moderne Arbeitswelt überführt und behandelt sie im Kontext des Erfolges von Individuen und Organisationen.
Er kommt zu dem Ergebnis, dass Außergewöhnliches nur geschehen kann, wenn Menschen von der Sinnhaftigkeit ihres Tuns überzeugt sind. Der Psychologieprofessor der University of Chicago, Mihaly Csikszentmihalyi, stimmt da ein und sagt, dass Sinnerfüllung die Aktivierungsenergie für unser Leben liefert.
Wer motiviert ist, überwindet auch Krisen. Wer nicht motiviert ist, fällt in einer Krise eher aus. Es kommt nicht von ungefähr, dass immer mehr Menschen insbesondere die Coronakrise als Anlass genommen haben, sich beruflich neu zu erfinden oder zumindest ernsthaft darüber nachzudenken. Laut einer Studie des Job- und Karriereportals Stepstone unter 28.000 berufstätigen Menschen hat sich jeder vierte vor dem Hintergrund der Pandemie dazu entschieden, den Job zu wechseln.
Die Gründe, die die Befragung zutage brachte, lesen sich wie aus dem Handbuch der Motivationsforschung: So gaben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an, dass sie durch Covid-19 den Nutzen ihres Jobs und somit den Sinn hinter alledem hinterfragt haben. Andere Teilnehmerinnen und Teilnehmer fragten sich, ob sie sich jobmäßig überhaupt noch fit für die Zukunft und somit hinreichend kompetent fühlen.
Auch haben sich viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer von ihrem Arbeitgeber bezüglich ihrer eigenen Bedürfnisse schlecht unterstützt gefühlt und hatten auch keine Möglichkeit, selbst aktiv zu werden. Mit der Selbstbestimmung ist es da insofern auch nicht mehr weit her gewesen. Die Folge ist, dass die Menschen hinschmeißen. Unter den Top-3-Gründen sind somit drei, die nachvollziehbar darlegen, dass die Menschen keinen inneren Antrieb mehr für ihren bisherigen Job aufbringen konnten.
Unternehmen tun somit gut daran, besser hinzuhören und auf die psychologischen Grundbedürfnisse ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzugehen. Was wir benötigen, ist ein moderneres Bewusstsein dafür, dass im Zentrum der menschlichen Handlung die Eigeninitiative und Eigenverantwortung stehen und eine Grundeinstellung, die geprägt ist vom Glauben an die Selbstbestimmtheit der Menschen. Sie tragen oft mehr Potenzial in sich, als sie in vielen Organisationen zeigen können. Motivation kann nicht verordnet werden.