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Facebook-Werbeboykott: Wie Unternehmen in Deutschland reagieren

Mehr als 90 Unternehmen weltweit verzichten aktuell auf Facebook-Werbung. Doch in Deutschland kommt der Boykott erst langsam an. Dabei kann es Unternehmen gut tun, Haltung zu zeigen.

5 Min. Lesezeit
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Mark Zuckerberg kämpft mit Hass und Hetze auf der Plattform. Unternehmen reagieren mit einem Werbeboykott. (Foto: Shutterstock)

Knapp 70 Milliarden US-Dollar Werbeumsätze hat Facebook 2019 gemacht, im Jahr davor waren es noch rund 55 Milliarden. Das Geschäft läuft gut – bisher konnte das soziale Netzwerk sein Geschäftsmodell, den Nutzern eine reine Plattform für den Austausch zu bieten, weiter ausbauen. Doch gerade die Hatespeech-Thematik hat gezeigt, dass Werbekunden noch stärker als bisher auf das Umfeld ihrer Werbebotschaften achten und nicht bereit sind, im Interesse der Brand-Safety Kompromisse zu machen.

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Experten aus der Mediaagenturlandschaft berichten schon lange, dass Kundenunternehmen es zunehmend den Agenturen anlasten, wenn Werbung in einem ungünstigen Kontext erscheint. Doch immerhin haben, so erklärt es ein Werber, viele Kunden zwischenzeitlich verstanden, dass Brand-Safety eher ein Problem der Display-Werbung und weniger bei Social-Werbung ist. Denn hier hat man naturgemäß aufgrund dynamischer Feeds ohnehin kein einheitliches Werbeumfeld.

Dennoch: Mittlerweile haben sich mehr als 90 Unternehmen einem Aufruf zum Werbeboykott auf Facebook angeschlossen. Während der Konsumgüterriese Unilever, die Bekleidungsmarke North Face oder der Autobauer Honda gezielt auf den Boykottaufruf reagieren, hat Coca Cola angekündigt, sich von allen sozialen Plattformen weltweit mit Werbung für 30 Tage fernzuhalten und währenddessen die Strategie zu überprüfen und zu optimieren. „Wir erwarten auch mehr Verantwortlichkeit und mehr Transparenz von unseren Social-Media-Partnern“, erklärt Konzernchef James Quincey in einer Mitteilung.

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Henkel und Unilever setzen Zeichen

Jetzt kamen aus dem deutschen Umfeld noch Henkel mit der Waschmittelmarke Persil und den Pflegeprodukten von Schwarzkopf hinzu. Das Unternehmen wolle im Juli auf Facebook-Werbung verzichten, heißt es. Überhaupt ist auffällig, in wie vielen der Mitteilungen die Rede von wenigen Wochen ist. Offenbar will man Facebook-Chef Mark Zuckerberg zu Veränderungen animieren, sich selbst und der eigenen Marke aber nicht gleich die Tür für längere Zeit verschließen. Henkel-Rivale Unilever setzt dagegen nach eigenen Angaben seine Werbung auf Facebook, Instagram und Twitter gleich für den Rest des Jahres aus.

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Will man mit größeren deutschen Unternehmen über das Thema sprechen, kommt oftmals keine Reaktion oder eine ausweichende. Etwa bei Procter & Gamble, wo man eigentlich für handfeste Marken wie Pampers, Ariel, Gilette oder Always steht: „Wir haben eine umfassende Überprüfung aller Medienkanäle, Netzwerke, Plattformen und Programme eingeleitet, um sicherzustellen, dass die Inhalte, auf denen wir werben, alle Menschen korrekt und respektvoll darstellen. Wir wollen nicht im Umfeld von Inhalten werben, die wir für hasserfüllt, verunglimpfend oder diskriminierend halten. Tatsächlich gibt es heute Hunderte von Programmen und Tausende von digitalen Kanälen und Websites, auf denen wir nicht werben, weil sie nicht unseren Standards entsprechen.“ Und zu Facebook und der aktuellen Thematik? Auch auf Nachfrage will man nicht konkreter werden.

(Foto: Shutterstock)

Facebook-Werbung: Großkonzerne geben sich zugeknöpft

In der Automobilwirtschaft wird Audi – und damit der Volkswagenkonzern – konkreter: „Der Volkswagenkonzern steht für ein offenes und gleichberechtigtes Miteinander. Ein Umfeld von Falschmeldungen oder Hassbotschaften ist daher für uns nicht akzeptabel. Daher setzen der Volkswagenkonzern und seine Marken zentral geschaltete Anzeigen auf Facebook aus“, erklärt eine Sprecherin. Gleichzeitig trete der Konzern zusammen mit seinem langjährigen Partner der Anti Defamation League, die zu den Initiatoren der Bewegung zählt, sowie seinen Werbeagenturen in den Dialog mit Facebook. „Hasskommentare, diskriminierende Äußerungen und Posts mit gefährlichen Falschinformationen dürfen nicht unkommentiert veröffentlicht werden und müssen Konsequenzen nach sich ziehen“, heißt es aus Ingolstadt.

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Schon im Mai hatte Microsoft seine Werbung bei Facebook und Instagram in den USA eingestellt und das inzwischen auch auf die weltweiten Maßnahmen ausgeweitet. Hierbei geht es vor allem um „Hassreden, Pornographie und Gewaltdarstellungen“, also die üblichen No-Go-Themen, die Unternehmen traditionell meiden. Weitere Angaben will die Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens nicht machen, aber schon die knappen Aussagen machen deutlich, wie sensibel das Thema für viele Unternehmen ist. Auch das Walldorfer Softwareunternehmen SAP kündigte am Dienstag an, vorerst keine Werbung via Facebook zu schalten.

Boykott der Unternehmen könnte finanziell wehtun

Andere Großkonzerne, die vor allem im B2B-Geschäft tätig sind, trifft das Thema naturgemäß weniger; sie schalteten ohnehin nur sporadisch Werbung bei Facebook. Bemerkenswert ist aber auch eine Haltung, die einige Unternehmen nicht in der Öffentlichkeit zeigen, sondern höchstens in Gesprächen anklingen lassen. Politische und gesellschaftliche Konflikte seien kein Thema für die Markenwelt – man meide den politischen Diskurs, weil man es nie allen recht machen könne, berichtet ein Unternehmen aus dem Finanzumfeld.

Auch wenn das Bild in Deutschland also wenig einheitlich ist, können die großen Unternehmen der FMCG-Branchen, die jeweils mit Millionenbudgets am Start sind, Facebook empfindlich treffen. Von Coca Cola etwa wird berichtet, der Etat, den das Unternehmen alleine in den USA bei Facebook lässt, liege bei 22 Millionen US-Dollar – hochgerechnet auf die Märkte und Unternehmen tut das dem Zuckerberg-Konzern also durchaus weh. Wohl unter dem wachsenden Druck kündigte Zuckerberg Ende vergangener Woche an, künftig stärker gegen Hassnachrichten vorzugehen, Falschmeldungen unmittelbar vor der US-Präsidentenwahl zu löschen sowie die Standards für Werbung zu erhöhen.

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Gesellschaftliche Haltung als Markenwert

Andererseits haben auch viele Unternehmen inzwischen verstanden, dass Haltung ein Teil des Marketings und des Kerns einer Marke ist und man sich mit Purpose vom Mitbewerber absetzen kann. Philipp Thurmann, Geschäftsführer Strategie der digitalen Kreativagentur Buddybrand, beobachtet hier ein Umdenken in den letzten Jahren: „Wir empfehlen unseren Kunden, eine Haltung zu den wichtigen Themen unserer Zeit zu beziehen – hinhören und mitreden statt Rückzug.“

(Foto: quka/ Shutterstock)

In Dialog zu treten, könne eine positive Wahrnehmung schaffen. Die sozialen Plattformen seien das geeignete Mittel, um bestimmte Zielgruppen optimal anzusprechen, an die man anders nur noch schlecht herankomme. „Das Zurückziehen aus diesen Kanälen kann nicht die Antwort sein – denn eigentlich muss man in den Dialog mit den Konsumenten gehen und als Unternehmen Haltung zu zeigen.“ Thurmann hat im Übrigen nach eigenen Angaben derzeit noch keine Kunden, die bei Facebook-Werbung gänzlich auf die Bremse treten.

Einsparungen wegen Corona oder echtes Statement?

Die Initiative #StopHateForProfit mag zwar der Urheber dieser Bewegung in den USA gewesen sein, sie wirkt aber auch weltweit, also auch in Deutschland. Für Facebook sind es gar nicht mal so sehr die quantitativen Einschnitte (auch wenn diese zweifelsohne wehtun werden) als vielmehr die Abstimmung mit den Füßen, die dem Unternehmen zu denken geben dürfte. Hinzu kommt aber gerade in den USA auch ein anderer Faktor: die Präsidentschaftswahlen im Herbst und ein Wahlkampf, der zumindest teilweise auch in den sozialen Medien ausgetragen werden wird.

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Dass es sich dabei nicht in erster Linie um Sparmaßnahmen, die aus der Coronakrise resultieren, handelt, zeigt der Umstand, dass beispielsweise der Lebensmittelkonzern Unilever angekündigt hat, die Budgets nicht einzusparen, sondern die vorgesehenen Etats umschichten zu wollen. Auch in Deutschland wäre es falsch, die Zurückhaltung der Unternehmen ausschließlich mit der Coronakrise in Verbindung zu bringen. Klar ist: Die Unternehmen haben Macht und Einfluss auf die Plattformen – in einer Dreiecksbeziehung, in der jeder seinen Platz und seine Daseinsberechtigung hat: die Unternehmen, die mit den Werbespendings die Plattformen finanzieren und am Laufen halten, die Nutzer, die die Debatten führen, und nicht zuletzt auch die Plattformen in ihrer Moderatorenrolle, die die Rahmenbedingungen schaffen – oder eben nicht.

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