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Female Finance: Deshalb passen Bankprodukte für Frauen oft nicht richtig

Frauen verdienen immer mehr Geld, finden aber oft noch nicht die zu ihrer Biografie passenden Geldanlageprodukte und Beratungsangebote. Warum die Banken hier reichlich Umsatzpotenzial verschenken.

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Nicht immer werden Frauen mit den bestehenden Geldanlageprodukten glücklich. (Foto: bbernard / Shutterstock)


Brauchen Frauen eine andere Herangehensweise an das Thema Banking und eine gesonderte Ansprache durch Bankberater:innen? Vieles deutet darauf hin, wie eine Female-Finance-Studie des S-Hubs der Sparkassen nahelegt. Fragt man Bankexpert:innen, wird schnell deutlich, dass einige Institute diesen Bereich als interessantes Wachstumsfeld der Banken sehen, gleichzeitig aber viele Initiativen an den Bedürfnissen der Kundschaft vorbeigehen. Und viele Banken haben – im Gegensatz zu verschiedenen Fintechs und Beratungsgesellschaften – das Thema noch nicht so richtig auf dem Schirm. Dabei gäbe es gute Argumente dafür, hier intensiver auf Kundinnenfang zu gehen.

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Klar ist: Die Vermögenswerte des weiblichen Teils der Bevölkerung nehmen weltweit zu, unter anderem getrieben von der anhaltenden Bewegung hin zu mehr ökonomischer, rechtlicher und sozialer Teilhabe und Gleichberechtigung. Auch wenn Frauen – alleine für sich oder in einer Beziehung – berufstätig sind und Geld verdienen, sind die Antworten auf Fragen wie Altersvorsorge und Investieren sehr oft von männlichen Biografien getrieben. Doch das One-fits-all-Prinzip vieler Bank- und Versicherungsprodukte passt auf weibliche Lebensläufe mit Care-Arbeit, Aussetzen im Beruf, möglicherweise Elternzeit und daraus resultierenden niedrigeren zu erwartenden Altersbezügen nicht so wirklich.

Das sieht auch Börsenexperte Ulrich Müller, CEO der Ulrich-Müller-Wealth-Academy in Hamburg so. „Schon allein durch die Elternzeit sind viele Frauen oft länger aus dem Beruf heraus als Männer, wodurch sie Rentenpunkte verlieren. Entsprechend sind sie mit Renteneintritt deutlich häufiger von Altersarmut betroffen. Die Statistiken dazu kennt jeder. Sie müssen sich bewusst machen, dass auch sie sich selbst mehr um die Themen Reichtum, Geld und Altersvorsorge sowie Investieren kümmern müssen.“

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Female Finance: Die Nische wird größer

Auch die gezielte Vorsorgeberatung für Frauen fristet ein Dasein in einer Nische – die in den letzten Jahren immerhin größer geworden ist. In unserer modernen Gesellschaft sind hierbei die unterschiedlichsten Konstellationen denkbar – von der alleinerziehenden Gründerin über die meist mitverdienende Teilzeitbeschäftigte bis zur Karrierefrau, die ausreichend finanzielle Freiheit für einen vorzeitigen Ruhestand erreichen möchte.

Eine der zentralen Erkenntnisse der Studie: Den Gender-Gap gibt’s auch in der Banking-Welt im Hinblick auf die Ansprache der Kundinnen. „Jede Kundin sollte individuell entsprechend ihrer jeweiligen Lebensphase und den daraus resultierenden Bedürfnissen beraten werden. Dies ist aktuell jedoch nicht der Fall“, stellt Milena Rottensteiner, Leiterin des S-Hub, fest. Böser Wille ist das nicht, sondern eher das Übersehen von Chancen. Die Banken lassen hier in der direkten, aber auch in der medialen Beratung viel unversucht und das bleibt nicht ohne Folgen, wie die Zahlen belegen.

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Demnach sind acht von zehn Frauen der Meinung, dass die Berater:innen nicht ihren Bedürfnissen gerecht werden oder diese gar nicht komplett verstehen, und immerhin 73 Prozent sind unzufrieden mit ihrem Finanzanbieter. Wichtiger als bei männlichen Kunden, die nur zu 25 Prozent auf Berater:innen setzen, investieren 37 Prozent der Frauen mithilfe einer Beratung und 60 Prozent empfinden ein Gefühl der Sicherheit durch professionelle Beratung. Für Finanzinstitute besteht deshalb Handlungsbedarf, wenn sie den Anschluss an Beraterinnen wie Frau & Geld oder Fintechs wie Ellevest oder Heyfina nicht verlieren wollen.

Frauen suchen andere Features in Anlage-Apps

Handlungsbedarf besteht aber nicht nur bei der Beratung selbst, sondern auch bei Finanzplanung und -management, Investmentthemen und Krediten. Auch wenn 85 Prozent der Frauen stark in die kurzfristigen Finanzentscheidungen ihres Haushalts involviert sind, hat eine Umfrage ergeben, dass sich gerade mal 20 Prozent der Frauen in Deutschland selbst um die Langzeitplanung ihrer Finanzen kümmern. 21 Prozent teilen sich die Verantwortung mit dem Partner und 60 Prozent geben die Verantwortung dafür komplett an ihren Partner ab. Diese wenig emanzipierte Strategie kann gerade angesichts des sich wandelnden Scheidungs- und Unterhaltsrechts mittelfristig zum Nachteil für Frauen werden.

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Beim Finanzmanagement und auch beim Investieren wird dagegen deutlich, dass Frauen oftmals vorsichtiger und abwägender agieren, dadurch aber gar nicht mal weniger Rendite einfahren. Diesen Gender-Unterschied sieht auch Ulrich Müller: „Frauen setzen häufiger auf die Buy and Hold Strategie, während Männer eher sprunghaft handeln. Vor dem Kauf einer Aktie analysieren sie genau die fundamentalen Daten eines Aktienunternehmens und bewerten die Qualität einer Aktie entsprechend. Männer kaufen Aktien eher irrational.“

Bei der Aktienauswahl sind Frauen, das belegen die Daten der S-Hub-Studie eher ESG-orientiert, also ökologisch, sozial und mit gesellschaftlicher Verantwortung. „Auffällig ist, dass Frauen tendenziell häufiger in grüne (ESG-konforme) Geldanlagen investieren – sie gehen damit einem Trend voraus, den nahezu alle Kapitalanlagegesellschaften im Blick haben“, beobachtet auch Anlageexperte Ulrich Müller. Technologisch braucht es also wohl gar keine besonderen oder anderen Lösungen, wohl aber im Hinblick auf das Hervorheben bestimmter Features: Prognosen und Übersichten in Anlage-Apps sind gefragt, auch individualisierte Finanzübersichten zur Optimierung und Planung des verfügbaren Vermögens.

Diese können Aufschluss darüber geben, wie sich in verschiedenen Lebensphasen der finanzielle Bedarf ändert. Bestenlisten mit den erfolgreichsten Teilnehmern einer Anleger-App sind dagegen wohl eher ein Männerthema, wohingegen der kommunizierende Austausch über Wertpapiere auch bei typischen Anlage-Apps für Frauen wichtig ist, ebenso digitale Budget-Planer, Schulden- und Zinsrechner, Portfolioübersichten oder auch In-App-Learning oder Coaching-Sessions. Die BW-Bank beispielsweise bietet ihren Kundinnen im Rahmen des BeWoman-Projekts bereits die Möglichkeit, sich innerhalb eines stetig wachsenden Netzwerks mit anderen Frauen auszutauschen, und auch die Comdirect bietet mit den Finanzheldinnen die frauenspezifische Community mit inzwischen 125.000 Fans.

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Ungerechtigkeit bei Kreditvergabe

Niedriger ist unter den Anlegerinnen der Anteil der Börsen-affinen Kundinnen, mehr als zwei Drittel der Geldanlegenden sind hier männlich. Die Mehrheit der Frauen bevorzugt noch immer das klassische Sparen, statt ihr Geld am Kapitalmarkt anzulegen – das bringt nicht nur weniger Rendite, sondern verzehrt angesichts von Inflation und Niedrigzins sogar Kapital. Und wenn sich Frauen für Investments am Kapitalmarkt entscheiden, investieren sie anders als Männer beziehungsweise legen andere Schwerpunkte: So legen 84 Prozent der Anlegerinnen Wert auf einen positiven Impact für Umwelt und Soziales. 48 Prozent der Anlegerinnen wollen in Zukunft sogar nur noch in nachhaltige Unternehmen investieren.

Interessant sind auch ein paar Zahlen aus dem Kreditwesen: Demnach sind Frauen bei Krediten nicht nur unterversorgt, weil volatile Lebensphasen wie Elternzeit und die Gender-Gaps die Kreditwürdigkeit erschweren. Kredite sind für Frauen auch aufgrund ihres durchschnittlich geringeren Einkommens im Mittel acht Prozent teurer als für Männer – und Frauen haben ohnehin eine statistisch gesehen geringere Chance, überhaupt einen Kredit bewilligt zu bekommen. Dabei sind Frauen die zuverlässigeren Schuldnerinnen, sind seltener überschuldet und zahlen Kredite in größeren Raten zurück. In der Praxis sollte deshalb bei der Kreditvergabe auf eine ganzheitliche Einschätzung gesetzt werden, um insbesondere für Frauen die Krediterfahrung zu verbessern.

Female Finance bleibt großer Wachstumsmarkt

Unterm Strich zeigen die Erkenntnisse und Zahlen, dass es gute Argumente gibt, bei Themen wie Altersvorsorge, Sparen und Investieren die Geschlechterfrage zu stellen. Doch um den Wünschen und Ansprüchen der weiblichen Zielgruppe besser gerecht zu werden, braucht es vor allem eine Ausrichtung auf entscheidende Lebensphasen durch bedarfsgerechte Angebote. Und vielleicht können diverse Teams hier besser die unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. An den entscheidenden Stellen in den Banken hat sich in Sachen Diversität zwar schon einiges getan, doch noch immer werden viele Services an der Zielgruppe vorbei gestaltet. So oder so wird eine frauenspezifische Herangehensweise an Finanzthemen kommen – entweder durch die Banken selbst oder (wie bisher auch) durch spezifische Dienstleister und Fintechs, die sich des Themas annehmen.

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