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Female Tech – was Deutschland von Lettland lernen kann

Was Frauen im Technologiesektor angeht, schneidet Deutschland schlecht ab. Unsere lettische Gastautorin arbeitet in Deutschland und fragt sich: Warum ist Lettland so viel weiter in der Geschlechtergerechtigkeit im Techsektor?

Von Kristine Metuzale
5 Min.
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(Foto: fizkes / shutterstock)

Eines vorneweg: Deutschland hat mir persönlich sehr viel ermöglicht. Ich habe hier mehrere Jahre studiert und gearbeitet, und arbeite auch heute noch gerne mit deutschen Unternehmen. Dabei habe ich die Deutschen und ihre Sprache kennen und lieben gelernt – doch eines muss sich Deutschland schon vorhalten lassen: Warum arbeiten so wenige Frauen in der Digital- beziehungsweise Techbranche?

25 Prozent mehr Lohn für deutsche Männer

Ein paar Zahlen und Fakten: In Deutschland gibt es zwar insgesamt mehr arbeitende Frauen im Technologiesektor als in jedem anderen EU-Staat, aber tatsächlich machen sie nur knapp 17 Prozent der gesamten Arbeiterschaft in dem Feld in Deutschland aus. In Lettland hingegen beträgt dieser Anteil rund 30 Prozent. Der Unterschied in der Bezahlung ist ebenfalls bemerkenswert: Der viel zitierte Gender-Pay-Gap im Techsektor ist in Lettland bei immer noch zu hohen 10,9 Prozent; in Deutschland liegt er bei unglaublichen 25 Prozent. Noch einmal, weil es so erstaunlich ist: Männer in Deutschland bekommen im Technologie-Bereich ein Viertel mehr Gehalt als Frauen.

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Um den Unterschied genauer zu betrachten, machen wir zunächst einmal einen Ausflug nach Riga, laut Sifted der größte Startup-Hub in den baltischen Staaten und für viele osteuropäische Tech-Unternehmen das Tor nach Europa. Hier ist es nicht unüblich, dass ebenso viele Männer wie Frauen in einem Digitalunternehmen arbeiten – auch innerhalb von Entwicklungsabteilungen. Natürlich war das in Lettland kein Selbstläufer. Viele Faktoren haben dazu geführt, dass Frauen in Lettland im Beruf heute wichtige Positionen auch in technischen Unternehmen bekleiden.

Starke weibliche Vorbilder

Es ist kein bloßer Zufall, dass heute in Lettland deutlich mehr Frauen MINT-Fächer studieren als in Deutschland und später auch in entsprechenden Berufen arbeiten. Die baltische und lettische Geschichte ist ebenso wie die deutsche geprägt vom Zweiten Weltkrieg. Viele Frauen haben die Rolle ihres Mannes einnehmen müssen, der im Krieg gefallen war und mussten Familie und Beruf gezwungenermaßen verbinden. In der Sowjetunion – Lettland war von 1940 bis 1991 unter sowjetischer Herrschaft – wurde das Bild der arbeitenden Frau normalisiert und heute haben wir zwei weibliche Generationen, die stark von diesen zielstrebigen Frauen geprägt und mit Selbstbewusstsein ausgestattet wurden. Das ist die Grundlage, die sich die Frauen in Lettland nicht mehr haben nehmen lassen. Heute stellen Lettinnen über alle Bereiche hinweg 56 Prozent der Führungspositionen in der Wirtschaft – in Deutschland sind es gerade einmal 30 Prozent.

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Schaut man noch einmal genauer auf den Technologie-Sektor werden Frauen in Lettland sogar fairer bezahlt als in anderen Branchen im Land. Doch dazu braucht es gewisse Rahmenbedingungen. Hier sind drei Vorschläge, wie Gründer*innen, Unternehmer*innen, Führungskräfte und alle Mitarbeitenden dazu beitragen können, die Tech-Welt zugänglicher für Frauen zu gestalten.

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1. Männer, sorgt für ein frauenfreundliches Umfeld

Natürlich wird niemand innerhalb weniger Tage eine Frauenquote von 50 Prozent in einem rein männlich geprägten Entwickler-Team schaffen. Dennoch ist es die Aufgabe der Führungspersonen – egal, ob männlich oder weiblich –, für eine gleichberechtigte Atmosphäre zu sorgen. Und wenn die Person nun männlich ist, gehört es eben auch dazu, Frauen die gleiche Verantwortung beizumessen und ihren Input nicht nur zu erwarten, sondern aktiv einzuholen. Es heißt oft, dass Frauen stärker auf Kooperation als auf Dominanz setzen; dementsprechend profitieren digitale Unternehmen durch eine gleichberechtigte Zusammenarbeit – und schaffen gleichzeitig eine gleichberechtigte Arbeitskultur.

2. An alle: Setzt euch für (junge) Frauen ein

In Lettland gibt es wie in vielen Ländern Europas Frauennetzwerke, in denen sich weibliche Führungskräfte gegenseitig unterstützen. Organisationen wie die Riga Tech Girls setzen dabei schon früh an und inspirieren schon junge Frauen dazu, sich mit digitalen Themen auseinanderzusetzen. Viel zu oft haben Mädchen und junge Frauen das Gefühl, nicht für Mathematik oder Naturwissenschaften geschaffen zu sein – nur weil dieser Irrglaube ihnen zu oft gepredigt wurde. Diese Mädchen brauchen Vorbilder. In Lettland gibt es viele Frauen in Führungspositionen, zu denen jüngere Frauen aufblicken können – auch ich bin stolz darauf, mein Wissen als Mentorin weiterzugeben. In Deutschland müssen die Frauen, die in der Techbranche erfolgreich sind, noch stärker in die Öffentlichkeit treten. Aber es liegt an Männern wie Frauen gleichermaßen, sich noch stärker um den weiblichen Nachwuchs auf kleinerer Ebene frühzeitig zu kümmern.

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3. Es braucht mehr als nette Arbeitsbedingungen

In Lettland ist es nicht wie beispielsweise in Schweden, dass berufstätige Frauen durch ein engmaschiges Netz an Betreuungsangeboten unterstützt werden. Eher ist es so, dass viele von ihnen einer Doppelbelastung aus Beruf und Familie ausgesetzt sind. Das ist selbstverständlich kein guter Zustand, zeigt aber durchaus, dass gute Arbeitsbedingungen nicht der entscheidende Faktor bei der beruflichen Gleichberechtigung sind. Wenn es Normalität in einer Gesellschaft ist, dass Frauen ebenso wie Männer nach ihrem Können und ihren Fähigkeiten beurteilt werden, gelangen Frauen auch zu 50 Prozent in Führungspositionen. Es liegt an jedem von uns, unsere Gesellschaft zu einer gleichberechtigten Gesellschaft zu formen. Sicher ist eine gute Kitabetreuung wünschenswert – es kommt aber viel stärker darauf an, dass Frauen die beruflichen Ziele erreichen können, die sie erreichen wollen. Und nicht von männlich geprägten Strukturen und Hierarchien ausgebremst werden. Das ist eine langfristige Aufgabe, zu der aber jede und jeder in seiner täglichen Arbeit beitragen kann.

Lasst uns voneinander lernen!

Aber auch Lettland muss noch Hausaufgaben machen: Was politische Positionen angeht, haben wir gehörigen Aufholbedarf. Gerade einmal 19 von 100 Abgeordneten in unserem Parlament sind Frauen. Die Idee von Europa ist ja auch, dass wir voneinander lernen und miteinander kooperieren. Ich wäre nicht da, wo ich heute bin, hätte ich mich nicht für ein Studium in Deutschland entschieden. Vielleicht ist es an der Zeit, dass sich deutsche Talente, sowohl männlich als auch weiblich, auf den Austausch mit den baltischen Staaten einlassen. Für Deutsche ist es sicherlich genauso spannend, eine weiblich geprägte Technologie-Landschaft kennenzulernen, wie es für mich spannend war, die deutsche Effizienz lieben zu lernen. Also legt die Scheu ab, und kommt nach Riga! Wir erwarten euch in unseren Coworking-Spaces, mit fantastischer Internet-Infrastruktur und einer lebendigen – und weiblichen – Tech- und Startup-Szene.

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