Was darf gutes Design noch kosten? Licht und Schatten des Fiverr-Phänomens

Fiverr vermittelt digitale Minijobs ab fünf Euro. (Quelle: Fiverr)
Fiverr: Facebook-Anzeige löst Sturm der Entrüstung aus
Eigentlich hatte Fiverr nur mal eben für seine Kreativdienste werben wollen. Am Ende aber hatte man weniger den Applaus neuer Nutzer, als vielmehr den Hass einer ganzen Berufsgruppe auf sich gezogen. „Warum 100 Dollar für ein hochwertiges Logo bezahlen, wenn es euch der Inder am anderen Ende der Welt auch für einen Fünfer macht?“, so die sinngemäße und im Stile einer Internet-Meme ausgesendete Botschaft von Fiverr. Im Klartext: Sorry Leute, aber ihr gebt alle lächerlich viel Geld aus. Gutes Design geht schneller. Einfacher. Und: billiger.
Der Sturm der Empörung, mit dem zahlreiche freiberufliche Grafiker das Portal daraufhin per Twitter überzogen, war perfekt. Bei Anhängern dieser Berufsgruppe kam die Werbebotschaft gar nicht gut an. „Eine Schande für die gesamte Design-Branche“, „Unverschämt“, „Ein Schlag ins Gesicht“. Ein anderer Nutzer übersetzt die Fiverr-Anzeige sogar zynisch: „Du bezahlst zu viel für originelle Designs, wir werden die Arbeit anderer Leute stehlen und sie dir für 5 Dollar verkaufen.“
Zu finden sind alle diese Kommentare unter dem Tweet von Anthony Petrie, der die Debatte ursprünglich mit einem kurzen, aber unverblümten Statement angeheizt hatte. Er twitterte:
Hi @fiverr, go fuck your fucking self. pic.twitter.com/T2iWanLHci
— Anthony Petrie (@zombiebacons) August 3, 2014
Was der Designer aus New York damit meint, erklärt er uns auf Nachfrage so: „Fiverr und ähnliche Angebote sind pures Gift. Nach außen hin verspricht die Plattform natürlich das schnelle Geld und einen einfachen Reputationsaufbau. Die Wahrheit aber ist eine ganz andere.“ Die Qualität der dort angebotenen Arbeiten sei in aller Regel schlecht, zudem würden geringe Löhne und kurze Revisionszeiten Urheberrechtsverletzungen förmlich provozieren. Ein Problem, nicht nur für die Kunden. „So ruinieren sich auch Designer den Wert ihrer Arbeit, und in der Tat schadet das dem Ansehen unserer Branche insgesamt“, sagt Petrie.
Fiverr: Aufstieg eines Internet-Discounters
Jetzt ist Fiverr freilich kein neues Phänomen, die Plattform gibt es immerhin schon seit 2010. Kommentieren wollte Fiverr die Debatte auf Nachfrage zunächst nicht. Doch: Sie ist sehr erfolgreich in dem, was sie tut. Vom Musiker und Schreiberling über den Programmierer bis hin zum Marketer oder eben Grafikdesigner machen Kreative aus allen Ecken hier ihre Künste zu Kleingeld. Ein ausformulierter Liebesbrief? Ein SEO-optimierter Blogpost? Eine App fürs iPhone? Ein Logo fürs Unternehmen? Unter den drei Millionen „Gigs“, also digitalen Minijobs, wie Fiverr sie nennt und im Repertoire hat, gibt es gefühlt nichts, was es nicht gibt – und alles ist sehr günstig. Schon ab fünf US-Dollar verkaufen Menschen aus inzwischen mehr als 200 Ländern hier ihre Talente.

Fiverr vermittelt digitale Mini-Jobs ab fünf Euro. Vor allem Kreativarbeiten werden hier von Menschen aus aller Welt angeboten. (Screenshot: t3n)
Joku Basler aus Deutschland ist einer von ihnen. Er geht noch zur Schule und bessert sich mit Fiverr sein Taschengeld auf. Der passionierte Grafikdesigner erstellt primär Logos, schreibt aber auch gerne mal eine Rezension im App-Store oder fälscht WhatsApp-Chatverläufe. Alles für fünf US-Dollar. „Ich mache das eher so hobbymäßig nebenbei, weil es Spaß macht und das Geld ein schöner Nebeneffekt ist“, sagt er. Und Fiverr sei eine „tolle Plattform“, um sich und seine Arbeit zu präsentieren. Der 15-Jährige weiß aber auch um die Kehrseite der Idee, die hinter Fiverr steht: „Die Leistungen, die manche Leute hier speziell aus Indien, Pakistan oder China anbieten, stehen in keinem Verhältnis zur Bezahlung.“ Vor allem für professionelle Grafikdesigner lohne es sich kaum, bei ihm kämen nach Abzug der an Fiverr gezahlten Provision gerade einmal drei Euro an. „Allerdings ist es natürlich gerade für kleine Firmen oder Freiberufler sehr praktisch, wenn man sich mal eben ein Logo oder ein Titelbild für seine Facebook-Seite entwerfen lassen kann.“ Und wenn es einem nicht gefalle? Dann seien es ja auch „nur“ fünf US-Dollar, so Basler.„Fiverr macht Spaß, ist eine tolle Plattform zum Präsentieren und das Geld ist ein schöner Nebeneffekt.“
Und genau das macht den Erfolg von Fiverr aus. Es gibt auch hochpreisigere Angebote, natürlich. Je nachdem, was man erwartet, können die Honorare für bestimmte Gigs auch schon mal bis 1.000 US-Dollar oder mehr kosten. Doch das ist die Ausnahme. Die billige Masse, zu der auch Basler mit seinen Dienstleistungen gehört, ist der Geschäftstreiber. Fiverr wird jedes Jahr populärer, im Vergleich zu 2011 hat das auf der Plattform gehandelte Transaktionsvolumen um 600 Prozent zugenommen. Das Konzept ist bewährt, mit Plattformen wie Elance, Freelancer.com, Guru.com oder TaskRabbit gibt es viel Konkurrenz. Nicht umsonst spricht man in Branchenkreisen schon vom Aufstieg der „Gig“-Ökonomie.
Fluch oder Segen für die Design-Branche?
Kein Wunder, dass sich vor diesem Hintergrund die Frage stellt, ob und inwiefern eine Plattform wie Fiverr nun ein Fluch oder Segen ist – speziell für die Kreativ- und Design-Branche. Auf der einen Seite steht der schnelle Deal, das schnelle Logo zum günstigen Preis. Für hobbybewusste Kreative ist das positiv, ebenso wie für Kunden mit schmalem Geldbeutel. Fiverr ist das bewusst, und entsprechend weiß man seinen Service zu verkaufen – und sei es mit einer so provokanten Facebook-Kampagne und zum Unmut vieler Freiberufler.
Auf der anderen Seite fürchten aber offenbar gerade sie den schleichenden Reputationsverlust, die Billig-Konkurrenz und den damit einhergehenden Druck, das eigene, weit teurere Honorar gegenüber dem Kunden womöglich nicht mehr rechtfertigen zu können. Und: „Durch die allgemein gehaltene Bezeichnung ‚Seller‘ ist primär nicht ersichtlich, ob es sich um professionelle Grafiker handelt oder Leute, die aus Spaß ihr Taschengeld aufbessern wollen“, sagt Antje Gonetz. Das aber spiele letztlich keine Rolle – dass grafische Arbeiten für fünf US-Dollar angeboten würden, sei ein „fatales Signal“ für die Kreativbranche. Die freiberufliche Grafikdesignerin aus Hannover warnt angesichts der Preise deshalb auch vor einer Verramschung von Kreativarbeiten: „Irgendwann will halt kein Auftraggeber mehr einen angemessenen Preis zahlen.“„Irgendwann will keiner mehr einen angemessenen Preis zahlen.“
Eine Sorge, die auch Anthony Petrie aus New York teilt. Zwar hat er sich inzwischen schon wieder beruhigt, vertwittert fleißig Illustrationen aus dem eigenen Kreativfundus. Für ihn aber bleibt Fiverr ein Dorn im Auge. Das „McDrive des Grafikdesigns“, wie er es metaphorisch umschreibt, werde dem für die Erstellung eines Logos notwendigen kreativen Prozess nicht gerecht. „Die Konzeptionierung und Verwirklichung eines einzigartigen, durchdachten und langlebigen Logos braucht Zeit“, erklärt Petrie. „Zeit, die Geld kostet.“ Zwar lasse sich dieser Prozess nur schwer standardisieren und müsse immer individuell verhandelt werden. Eines aber, so sagt Petrie, ist sicher: „Gutes Design kostet mehr als fünf US-Dollar.“
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