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Interview
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Warum dieser Gründer keine Crowdinvesting-Kampagne mehr startet

Mehr als eine Viertelmillion Euro sammelte Kartenmachen.de per Crowdinvesting ein. Nun zieht der Gründer eine überraschende Bilanz – das Finanzierungsmodell rechne sich nicht.

Von Daniel Hüfner
7 Min. Lesezeit
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Kartenmachen.de-Gründer Andreas Ritter kritisiert Crowdinvesting. (Foto: Kartenmachen.de)

Trotz diverser Pleiten in den vergangenen Jahren bringt Crowdinvesting auch Erfolgsgeschichten hervor. So wie die von Andreas Ritter: Vor zweieinhalb Jahren stellte der Nürnberger sein Startup Kartenmachen.de auf der Plattform Seedmatch vor – und bot Kleinanlegern an, in seinen Shop für gedruckte Einladungskarten zu investieren. Ritters Versprechen: Ein jährlicher Zins von acht Prozent auf ihr bereitgestelltes Kapital sowie ein umsatzabhängiger Bonus nach fünf Jahren.

Crowdinvesting? „Ich habe mehr erwartet“

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Innerhalb weniger Wochen landeten so 340.000 Euro statt der ursprünglich benötigten 300.000 Euro auf dem Geschäftskonto von Ritter. 352 Kleinanleger hatten sich an seinem bereits damals profitablen Startup beteiligt. Ein beachtlicher Erfolg, wie sich auf den ersten Blick vermuten lässt. Doch heute sieht Andreas Ritter die Crowdinvesting-Kampagne kritisch. Im Interview erklärt er, warum.

t3n: Herr Ritter, 340.000 Euro hat Ihre Firma von Kleinanlegern erhalten. Sogar mehr, als ursprünglich geplant. Das hat sich gelohnt, oder?

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Andreas Ritter: Finanziell auf jeden Fall. Mit dem Geld konnten wir neues Personal einstellen, unter anderem zwei Grafiker und zwei Produktionsmitarbeiter. Außerdem wurden neue Drucker und eine Lasermaschine angeschafft. Für das langfristige Wachstum konnte auch die Expansion des Shops nach Großbritannien gestartet werden. Trotzdem habe ich mir von der Kampagne mehr erwartet.

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t3n: Was hat denn gefehlt?

Wir dachten, dass die Kampagne uns auch langfristig neue Kunden beschert. Aber außer einigen wenigen Presseberichten am Anfang kam nicht mehr dabei heraus. Dazu hat das Controlling der Investments viel Zeit und Geld gekostet. Auch wollten wir nicht nur Geldgeber gewinnen, sondern engagierte Fans, die uns mit Ideen, Verbesserungsvorschlägen und Kontakten unterstützen.

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t3n: Und das war nicht der Fall?

Nur sehr vereinzelt und meistens nicht ohne Anreize. Wir haben Investoren zum Beispiel Gutscheine für unseren Shop geschickt als Dankeschön, aber auch, damit sie uns an Freunde weiterempfehlen. Bewirkt hat das fast nichts. Im Gegenteil: Viele Investoren haben die Gutscheine dann meistbietend auf Ebay verkauft. Da fragt man sich als Gründer schon: Worum geht es den Leuten hier eigentlich?

t3n: Offenbar ging es ihnen weniger um Ihre Firma als vielmehr um den eigenen Profit.

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Dass die Leute mit ihrem Investment hauptsächlich Geld verdienen wollen, kann ich natürlich nachvollziehen. Aber dass selbst Gutscheine offenbar kein Anreiz für größeres Engagement sind, hat mich dann schon überrascht. Nach langer Überlegung habe ich dann aber eine plausible Erklärung gefunden.

t3n: Erzählen Sie.

Es liegt sicher an den geringen Anlagesummen. Bei uns lag der Kapitaleinsatz im Durchschnitt bei 965 Euro. Natürlich ist auch der ein oder andere Anleger mit 5.000 oder 10.000 Euro dabei. Aber die Mehrheit hat nur 250 bis 500 Euro in unsere Firma investiert. Wenn man jetzt den jährlichen Zins von acht Prozent dazurechnet und den maximal möglichen Bonus von 30 Prozent am Ende der Vertragslaufzeit, dann bleibt die Rendite immer noch überschaubar. Dafür opfert kaum ein Kleinanleger seine Freizeit, um Verbesserungsvorschläge einzureichen oder Kontakte zu teilen.

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t3n: Waren Sie da nicht etwas naiv? Anders als große Geldgeber haben private Kleinanleger ja oft wenig Ahnung von Unternehmensgründungen. 

Unter den Investoren waren auch andere Unternehmer und leitende Angestellte. Da ist es nicht abwegig, dass sich Möglichkeiten für Zusammenarbeiten ergeben. Einige Anleger sind durch die Kampagne auch erst zum Kunden geworden. Sie haben in unserem Shop bestellt und eine gute Bewertung hinterlassen. Von der Mehrheit aber hatte ich den Eindruck, dass sie sich mit unserer Firma nicht identifizieren.

t3n: Oder Ihr Produkt nicht brauchen, wie der Verkauf der Gutscheine gezeigt hat.

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Genau. Dabei ist unser Produkt ja durchaus für die breite Masse ausgelegt. Jeder hat schon mal Einladungen für eine Geburtstagsparty verschickt oder ein Jubiläum gefeiert. Wer den Gutschein also nicht sofort einlöst, hebt ihn wenigstens auf.

t3n: Sie erwähnten den hohen Zeit- und Kostenaufwand, den die Crowdinvesting-Kampagne verursacht hat. Was genau hat so viel Zeit und Geld gekostet?

Seedmatch als Plattform hat uns während der Kampagne sehr gut unterstützt. Aber ist das Geld erstmal da,  wartet viel Bürokratie. Alle drei Monate müssen Berichte für Investoren geschrieben werden, es werden Abrechnungsdokumente für die halbjährlichen Zinszahlungen benötigt. Hier kann sich ständig etwas ändern: Anschriften, weil jemand umzieht oder weil die Investoren einen Freistellungsauftrag erteilen. Damit habe ich pro Quartal etwa zwei Tage verbracht und die Kosten lagen bei circa 700 Euro. Die Zeit und das Geld hätte ich gerne anderweitig investiert.

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t3n: Also lohnt sich Crowdinvesting unterm Strich nicht?

So pauschal kann ich das nicht sagen. Dazu weiß ich auch zu wenig über die Erfahrungen anderer Unternehmen. Ich möchte auch noch mal betonen, dass wir uns seit der Kampagne sehr gut entwickelt haben. Aber der Aufwand, den man als Gründer zum Beispiel für die Organisation der Kampagne hat, sowie die laufenden Kosten im Erfolgsfall bleiben ja identisch. Unterm Strich denke ich: Die Finanzierung hätten wir leichter auch über einen normalen Investor realisieren können.

t3n: Aber Sie haben damals keinen Großinvestor gefunden?

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Wir haben uns von Anfang an für Crowdinvesting entschieden. Damals war die Finanzierungsform noch sehr gehypt, das hat uns neugierig gemacht. Zudem gab es diverse Beispiele von Startups, die durch Kampagnen auf Plattformen wie Seedmatch oder Kickstarter weltweit bekannt geworden sind. Sei es durch Medienberichte oder Unterstützer, die das Produkt durch Mundpropaganda weiterverbreiten. Dieses Potenzial haben wir auch für Kartenmachen.de gesehen.

t3n: Ihr Umsatz lag allerdings schon 2015  bei 533.000 Euro, Sie haben sogar Gewinne erzielt. Da hätte doch kaum ein Investor Nein gesagt.

Sicher nicht, nein. Es wäre auch eine deutlich höhere Summe als beim Crowdinvesting möglich gewesen. Aber wir haben uns von der Masse eben vor allem virale Werbeeffekte erhofft. Die kann ein einzelner Investor ja nicht bieten.

t3nCrowdinvesting hängt der Ruf an, die Finanzierungsform werde nur von Startups gewählt, die bei großen Investoren eine Absage kassiert haben. Dann stimmt das also nicht?

Ist für mich zur Hälfte ein Vorurteil. Sicher gibt es solche Fälle. Aber es gibt auch immer noch viele Unternehmen, die Crowdinvesting ähnlich wie wir damals als Marketingkanal nutzen. Zugegeben, hier haben wir uns zu viel versprochen.

t3n: In den vergangenen Jahren sind einige bekannte Startups trotz millionenschwerer Crowdfinanzierung in die Pleite gerutscht. 

Dafür kann es viele Gründe geben. Womöglich sind einige Geschäftsmodelle von vornherein nicht so tragfähig gewesen, wie es den Investoren versprochen wurde. Ich kann mir auch vorstellen, dass der hohe Kosten- und Zeitaufwand, den Crowdinvesting verursacht, manche Unternehmen überfordert hat. Bedenken Sie: Sie müssen sich ständig um Dinge kümmern, die nichts mit dem Kerngeschäft Ihrer Firma zu tun haben. Immer wieder tauchen Investoren mit Fragen auf, Probleme müssen gelöst oder Gelder überwiesen werden. Man agiert da fast schon wie eine Bank. Für manch ein Startup wäre es vielleicht besser, sich diesen Aufwand zu sparen.

t3n: Wie ist Ihnen die Idee zu Kartenmachen.de eigentlich gekommen?

Ich bin gelernter Mediengestalter und habe mich vor sechs Jahren mit einer Webagentur selbstständig gemacht. Das Geschäft lief okay, aber mir fehlte das Personal. Eine Agentur lässt sich auch immer nur begrenzt skalieren. Deshalb suchte ich nach einer neuen Idee. Zufällig fand ich damals die Einladungskarten von meiner Hochzeit wieder, die ich Jahre zuvor noch selbst entworfen und umständlich über den Bürodrucker beschriftet hatte. So kam mir der Gedanke zu Kartenmachen.de.

t3n: Und waren damit doch nur ein Anbieter von vielen im Netz.

Das stimmt. Aber für mich hieß das auch: Der Bedarf nach individuellen, bedruckbaren Einladungskarten ist da. Damit lässt sich Geld verdienen.

t3n: Das Geschäft lief also auf Anhieb gut?

Ja. Ich habe zunächst nur das Motiv meiner alten Hochzeitskarte verkauft und das Sortiment wöchentlich erweitert. Nach einem Monat hatte ich bereits circa 6.000 Euro umgesetzt und war sogar profitabel. Durch die geringen Materialkosten hatten wir schon am Anfang eine relativ hohe Gewinnmarge von etwa 40 Prozent. Da wir zeitgleich auch bei Marktplätzen wie Amazon oder Dawanda verkauft haben, konnte ich schon nach wenigen Monaten den ersten Mitarbeiter einstellen.

t3n: Aber was unterscheidet Sie von Anbietern wie Kartenmacherei.de?

Anders als bei vergleichbaren Unternehmen setzen professionelle Designer die Individualisierungswünsche der Kunden bei Kartenmachen.de um. Das garantiert uns eine hohe Qualität.

t3n: Wo steht Ihr Unternehmen heute?

Im vergangenen Jahr haben wir einen Umsatz von circa 1,5 Millionen Euro erzielt. Die stärksten Monate sind immer der Januar und der Februar. Und die Ergebnisse bisher zeigen, dass wir 2019 noch mal ein Plus von 40 bis 50 Prozent haben werden.

t3n: Auch deshalb noch mal zurück zu Ihrer Crowdinvesting-Kampagne: Sie haben Ihren Anlegern ein dreistelliges Umsatzplus pro Jahr in Aussicht gestellt. 2016, 2017  und 2018 wuchs Ihre Firma aber „nur“ zwischen 30 und 50 Prozent. Haben Sie Ihren Investoren nicht zu viel versprochen?

Auf dem Papier mag das so aussehen. Die Umsatzprognosen von damals basierten aber ja auf den Marketing-Effekten, die wir uns durch die Kampagne erhofft haben und leider nicht eingetreten sind. Insofern fiel das Wachstum nur zweistellig aus. In dieser Höhe ist es aber immer noch ordentlich. Es hat sich kein Anleger beschwert.

t3n: Was raten Sie anderen Gründern, die über Crowdinvesting nachdenken?

Jeder Gründer muss sich dem Aufwand bewusst sein, den eine Kampagne verursacht. Es ist eben nicht nur ein schönes Video, das für die Anleger produziert werden muss. Auch gilt es zu überlegen, wie Investoren trotz geringer Verdienstchancen langfristig an das Unternehmen gebunden werden können.

t3n: Wie denn zum Beispiel?

Zusätzlich zur Verzinsung des Kapitals sind zum Beispiel auch Umsatzbeteiligungen für neue Produktideen denkbar. Fünf unserer Investoren, die mehr als 5.000 Euro in Kartenmachen.de investiert haben, durften zusammen mit unseren Grafikern eine eigene Einladungskarte erstellen und wurden an den Erlösen beteiligt. Ein Investor hat damit allein im vergangenen Jahr circa 1.000 Euro verdient. Ein anderer 400 Euro. Aber es sind eben nur zwei.

t3n: Sie werden also keine Crowdinvesting-Kampagne mehr starten?

Eher nicht, nein.

t3n: Vielen Dank für das Gespräch.

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