Fressen Chatbots ihre eigene Datenquelle? Wikipedia verliert zunehmend Nutzer an KI
Durch Künstliche Intelligenz verlieren Websites zunehmend Traffic. Auch Wikipedia ist davon betroffen. Wie Techcrunch berichtet, meldet sich jetzt die Stiftung hinter der Online-Enzyklopädie selbst zu Wort. Deren Verantwortliche wollen die Entwicklung nicht verteufeln, halten Nutzer:innen aber dazu an, weiterhin kritisch zu hinterfragen, durch welche Quellen sie ihre Informationen beziehen.
Immer mehr Bots sind auf Wikipedia unterwegs
Die Art und Weise, wie Menschen online nach Informationen suchen, hat sich extrem gewandelt. Nicht nur KI-Suchmaschinen wie Perplexity AI oder Bing Copilot kommen immer öfter zum Einsatz, auch Google selbst bietet mit „AI Overviews“ eine KI-basierte Funktion, die als Zusammenfassung am Anfang der Suchergebnisse erscheint. Wikipedia bekommt diese Veränderungen deutlich zu spüren. Mit über drei Millionen Artikeln gehört die Online-Enzyklopädie zu den meistbesuchten Websites Deutschlands. Seit der Einführung von ChatGPT im Jahr 2022 hat sie allerdings deutlich an Traffic verloren. In einem Blogbeitrag schreibt Marshall Miller von der Wikimedia Foundation, dass die von Menschen ausgehenden Seitenaufrufe innerhalb des vergangenen Jahres um acht Prozent zurückgegangen sind. Stattdessen sind immer häufiger Bots auf Wikipedia unterwegs.
Miller sieht darin nicht unbedingt einen Nachteil. Er begrüßt „neue Wege, wie Menschen Wissen erwerben können“. Oft würden KI-Suchmaschinen dennoch auf Wikipedia nach passenden Antworten auf die Fragen der User:innen suchen. Die Online-Enzyklopädie verliere also auch im KI-Zeitalter nicht an Relevanz und erreiche die Menschen mit ihren Inhalten weiterhin. Die Stiftung ist bemüht, zwischen Traffic von Menschen und Bots zu unterscheiden. Nach einer Aktualisierung der Erkennungssysteme stellte sich allerdings heraus, dass „ein Großteil des ungewöhnlich hohen Traffics im Mai und Juni von Bots stammte, die entwickelt wurden, um der Erkennung zu entgehen“.
Wikipedia ist auf die Hilfe Freiwilliger angewiesen
Trotzdem berge die Entwicklung auch Risiken, so Miller. „Mit weniger Besuchen auf Wikipedia werden möglicherweise weniger Freiwillige den Inhalt erweitern und bereichern und weniger einzelne Spender:innen werden diese Arbeit unterstützen.“ Für Wikipedia ist genau das aber essenziell. Bei der Enzyklopädie handelt es sich um ein gemeinnütziges Projekt, das von freiwilligen Autor:innen gepflegt wird – eine finanzielle Entschädigung erhalten sie nicht. Laut eigenen Angaben sind in Deutschland knapp 4,8 Millionen Benutzer:innen angemeldet, aber nur rund 39.000 davon haben in den vergangenen 30 Tagen Bearbeitungen vorgenommen. Aus diesem Grund sollten Suchmaschinen, die Inhalte von Wikipedia verwenden, häufiger auf die Seite verweisen.
Laut Miller hätte der verstärkte Einsatz von KI-Tools auch zur Folge, dass sich Menschen weniger darüber bewusst sind, woher ihre Informationen tatsächlich stammen. Gleichzeitig ermutigt er dazu, die Integrität und Erstellung von Inhalten durch echte Menschen in größerem Umfang zu unterstützen. „Wenn Sie online nach Informationen suchen, achten Sie auf Quellenangaben und klicken Sie sich zum Originalmaterial durch”, schreibt er in dem Blogbeitrag der Stiftung. „Sprechen Sie mit Ihren Bekannten über die Bedeutung von vertrauenswürdigem, von Menschen kuratiertem Wissen und helfen Sie ihnen zu verstehen, dass die Inhalte, die generativer KI zugrunde liegen, von echten Menschen erstellt wurden, die Ihre Unterstützung verdienen.“
Chatbots ziehen an ihrer eigenen Datenquelle vorbei
Der Rückgang des Traffics hat für Wikipedia etwas Ironisches. Die großen Sprachmodelle, die hinter Bots wie ChatGPT stecken, wurden nämlich zu großen Teilen mit frei im Internet verfügbaren Daten trainiert – also auch mit Artikeln von Wikipedia. Jetzt sind die Bots dabei, ihre eigene Datenquelle zu überholen. Um nicht den Anschluss zu verlieren, hat das Team hinter der Online-Enzyklopädie bereits Maßnahmen ergriffen. Unter anderem gibt es zwei Teams, deren Aufgabe es ist, neue Leser:innen zu erreichen und Freiwillige zu gewinnen, die dieses Vorhaben unterstützen.
https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/id_100297052/gendern-80-prozent-der-deutschen-lehnen-es-ab-exklusive-t-online-umfrage.html