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Analyse

Warum Führungskraft kein Job fürs Leben ist

Ein Unternehmen geht an den Start. Es läuft Spitze. Soweit so schön. Doch plötzlich wird der Ruf laut, dass das Boot ordentliche Kapitäne braucht. Ein Plädoyer für die „Wilden Kerle“.

Von Alexandra Vollmer
5 Min.
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Hierarchische Führung: Fluch statt Segen. (Foto: Shutterstock)

 

 

Am Anfang ist alles gut. Das Startup geht durch die Decke, die Umsätze steigen und die Mannschaft wächst. Und dann kommt er jedes Mal, dieser Tag, an dem die Gründer denken, das eigenverantwortliche Arbeiten auf Zuruf hätte ausgedient und es müsse eine ordentliche Leitungsebene eingezogen werden: „Wir brauchen jemanden, der den Blick fürs Ganze hat und klare Ansagen macht.“

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Dann geht’s los. Stellenbeschreibungen gehen auf die Reise. Die Mitarbeiter werden bei der Personalauswahl hinzugezogen. Schließlich will das Unternehmen seinem demokratischen Ansinnen gerecht bleiben. Ist der passende Mann oder die passende Frau gefunden, startet der- oder diejenige eine Tour durchs Unternehmen, um die Prozesse und die Leute kennenzulernen – und vor allem, um sich Akzeptanz zu verschaffen.

Puppenspieler aufbauen

Warum dieser ganze Zirkus? Es läuft doch alles gut. Offensichtlich machen alle einen duften Job. Und ich wette, dass keiner der Truppe rat- oder planlos in der Gegend herumläuft. Ich wette, dass sich jeder im Team darum kümmert, mit dem passenden Wissen ausgestattet zu sein. Wenn er Lücken hat, fragt er. Fertig. Dennoch kommen Zweifel auf, ob es einfach so weitergehen könne. Warum? Weil der Gedanke entsteht, es müsse einer die Fäden ziehen …

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Klar, in der Anfangszeit mag es funktionieren, das „wilde“ Arbeiten. Wenn sich das Team mittags beim Kickern trifft. Wenn die Kollegen auf Zuruf agieren. Wenn alle quasi alles machen. Wenn jeder draußen beim Kunden ist und den Markt kennt.

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Aber mit der Zeit entsteht Spezialisierung, naturgemäß. Jetzt gibt es Kollegen, die vor allem draußen beim Kunden sind. Dann gibt es Mitarbeiter, die sich dem Service und Support verschrieben haben. Andere entdecken vielleicht ihre besondere Leidenschaft fürs Tüfteln und so weiter. Wenn das so ist, wenn die Mitarbeiter auf verschiedenen Baustellen unterwegs sind, dann entsteht der Eindruck, er bräuchte jetzt jemanden, der den Überblick behält und die verschiedenen Fäden verknüpft.

Enthaftung, Gerüchte und politische Spielchen

Mit dem Einzug der Führungsebene passiert jedoch etwas Tragisches: Wo früher Vertrauen und Nähe herrschte, entsteht Distanz. „Was kann ich meinem Chef wohl noch erzählen, und womit gehe ich ein Risiko ein?“ Mitarbeiter fangen an, hinter vorgehaltener Hand über den Chef zu sprechen. Offenheit und Direktheit machen Platz für Gerüchte und politische Spielchen.

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Doch das ist noch nicht alles. Dramatischer ist, was mit der unternehmerischen Verantwortung eines jeden Einzelnen passiert. Verantwortung wächst nämlich nicht mit der Anzahl der Köpfe. Sie ist eher wie eine Torte. Wenn einer ein großes Stück bekommt, dann bleibt für die anderen zwangsläufig weniger übrig. Die Mitarbeiter, die eben noch selbstständig agiert haben, geben jetzt ihre Verantwortung nach oben ab.

Wo früher jeder im Unternehmen das Gefühl hatte, dass er für seine Taten vor der Gruppe geradestehen muss, sind jetzt alle fein raus. Jetzt gibt es ja den Chef, der die Zügel in der Hand hält. Der wird es schon richten. Darauf kann sich jetzt jeder prima zurückziehen. Alle fahren nur noch halbe Kraft. Und unser Chef ist nicht zu beneiden.

Aber noch viel schlimmer: Die formale Macht unterdrückt eine andere, selbstorganisierende Form der Führung – die natürliche Hierarchie. Gruppen sind nämlich ausgezeichnet in der Lage, eigenständig und situationsbezogen Führung einer konkreten Person zuzusprechen. Nämlich genau der Person, von der die Gruppe glaubt, sie könnte in diesem Augenblick am besten führen.

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Führung passiert dort, wo andere folgen wollen. Basta.

Nehmen wir Leon. Slalomdribbler, Torjäger, Blitzpasstorvorbereiter – und Anführer der „Wilden Kerle“. Mit Siegeswillen, Dickköpfigkeit und extremer Loyalität steht er unangefochten auf dieser Position. Einfach, weil die Kerle und Vanessa, das einzige „wilde Mädchen“, es so wollen. Leon hält die Truppe zusammen, spricht nach einer Niederlage Mut zu und bündelt die Kräfte gegen den Erzfeind der „Wilden Kerle“, den dicken Michi.

Dass Leon da ist, wo er ist, ist nicht das Ergebnis eines planvollen Prozesses. Kein Drehbuch, keine Moderation, keine Quote. Nein, dieser Aushandlungsprozess geschieht immer ganz von selbst. Und das Ergebnis ist immer gleich: Sozial legitimierte Führung beziehungsweise natürliche Hierarchie.

Und wie lange geht die Führung dann? Keine Ahnung. Natürliche Führung wird niemals manifestiert. Sie entsteht, und sie verschwindet. Manchmal dauert es nur einen Wimpernschlag, manchmal bleibt sie über Jahre bestehen.

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Vorneweg: Soziale Führung findet dort statt, wo andere führen wollen. (Foto: Shutterstock)

Eine Führung für völlig verschiedene Aufgaben? Blödsinn!

In einer Kinder-Truppe gibt es immer einen, der supergut kicken kann. Einen anderen, der sich im Wald einfach am besten auskennt. Und wieder einen, der im Dunkeln vollkommen angstfrei ist. Wäre es jetzt nicht absurd, dem „Waldmeister“ beim Turnier des Jahres zu folgen? Oder sich bei der Nachtwanderung auf den Fußballer zu verlassen? Macht kein Mensch!

Im Unternehmen ist dieses Vorgehen jedoch an der Tagesordnung. Hier wird fröhlich ein und derselben Person die Führung für sämtliche Situationen des Tagesgeschäftes zugesprochen. So hat Jürgen, der formell eingesetzte Abteilungsleiter Verkauf, jetzt  Kraft Hierarchie den Hut für alle Vertriebsfragen auf. Im Kundengespräch ist Jürgen top. Klar, da macht ihm keiner was vor. Doch jetzt steht plötzlich noch mehr auf seiner Agenda. Er entscheidet, wie das neue Feature am besten online verkauft wird. Obwohl er diesen Kanal selbst nie wirklich nutzt. Und obwohl alle im Team wissen, dass Matthias der Richtige für diese Rolle wäre. Der Abteilungsleiter entscheidet, wie das Team ein mittelschweres Kundenproblem löst. Obwohl er den Kunden überhaupt nicht kennt. Nicht kennen kann. Er hat die Mannschaft für die Branchenmesse zu motivieren – obwohl er sich vor Messen bisher immer gedrückt hat. Er kann sie einfach nicht leiden. Insgeheim orientiert sich die Mannschaft viel lieber an Walter. Denn der Mittfünfziger ist Rampensau und erklärter Messeprofi. Dieses per Stellenbeschreibung Alles-Glaubwürdig-Können-Müssen ist für niemanden eine Freude. Weder für die Mitarbeiter noch für die Führungskraft.

Also: Am besten formale Hierarchie erst gar nicht etablieren! Und wenn die Teams langsam zu groß werden, um Führung eigenverantwortlich zu regeln? Dann die Teams einfach teilen. Denn wenn soziale Nähe gegeben ist, regelt das Team die Sache mit der Hierarchie von ganz allein.

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6 Kommentare
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Hans Wurst

Ach, und das funktioniert dann auch noch mit 100 Leuten in 20 Teams?
Teams „einfach“ teilen??
Das möchte ich sehen, wo das schon mal funktioniert hat.

Antworten
Manfred Kraut

Ein schönes Playdoyer für Stärkenorientierung. Wie mein vorredner gesagt hat, ein wichtiges Werkzeug, aber nicht das Einzige.
In Führungsseminaren wird (hoffentlich) gelehrt, dass unterschiedliche Probleme unetrschiedliche Herangehensweisen erfordern.
Ein guter Leiter wird mindestens seine eigenen Stärken und Schwächen, aber dann auch die seiner Mitarbeiter kennen (oder mindestens kennen lernen wollen). Will sagen, wenn Jürgen ein echter leiter ist, dann wird er Matthias einsetzen, um das online-Geschäft zu organisieren und Walter das Messegeschäft.

Führungskraft kann ein Job fürs Leben sein, wenn die Führunsgkreft weiss wie sie handeln soll und begabt ist. Führungskarft sollte keine belohnung sein und natürlich muss das ganze mit augenmaß installiert werden.

Antworten
Katharina

Interessante Lektüre, die auf unterhaltsame Weise einen Aspekt von Führung beleuchtet. Und sicherlich ja, zu einem Teil stimmt das. Was hier aber völlig unberücksichtigt bleibt ist die Tatsache, dass Führung nicht nur fachlich, sondern vor allem menschlich ist. D. h. Führungskräfte müssen sich nun mal auch in Sachen Zeitmanagement, Mitarbeiterentwicklung etc. entwickeln, das kann nicht jeder Mitarbeiter noch nebenbei machen. Davon abgesehen führt eine „natürliche“ Führung auch dazu, dass doch immer wieder die gleichen Leute die Führung für sich beanspruchen (und manchmal auch zu unrecht, weil sie nur der Meinung sind, sie wären irgendwo der oder die Beste).

Ich stimme überein, dass Führung nicht nur um ihrer selbst Willen implementiert werden sollte, aber ansonsten ist mir der Artikel doch etwas zu einseitig geraten.

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Ignacio

Blauäugig.
Wir sind hier um die zwanzig Mann und wir haben’s auf die Art versucht umzusetzen. Alles möglichst demokratisch bis wir uns tot-ge-meetet haben. Dann mit der Einteilung in Business Units, Teams von 5 Leuten, alles total agil; bis sich nichts mehr bewegt hat. Oder bis der Dreck, den niemand machen wollte einfach liegen geblieben ist. Kunden weggebrochen sind, weil die Arbeit so unterirdisch war.

Auch wenn die Arbeitsbedingungen perfekt sind, gibt es Leute, die statt an die Firma, lieber an sich denken. An ihren Feierabend, ihren Stresslevel und was sie davon haben, wenn sie sich da jetzt bemühen. Lieber kickern statt Doku schreiben.

Es braucht jemand der sich Verantwortlich fühlt und der Verantwortlich gemacht wird und der Verantwortung einfordert. Und wenn der Chef das nicht kann (weil er vielleicht auch viel zu tun hat), dann braucht er Hilfe!

Zumindest unser Team ist so sehr auf Hormonie gebürstet und darauf das Gegenüber sein Gesicht wahren zu lassen, dass Fehlverhalten gar nicht angeprangert und korrigiert wird. Stattdessen orientieren sich plötzlich mehr und mehr Leute an den Minderdienstleister (ein schleichender Prozess) – denn warum sollte jemand mehr arbeiten, als sein Nachbar?

Und wenn jetzt jemand sagt, dass das dann keine Kollegen sind, die man im Team behalten sollte, dann sollte man sich mal bewusst machen, dass ein Großteil der Firmen (gerade im IT Bereich) mit Fachkräftemangel zu kämpfen haben und oft lange Einarbeitungsphasen haben. Der nächste PHP Guru oder Linux Crack steht halt nicht wartend vor der Tür.

Antworten
Oliver

Das liest sich als musste ein betroffener Mitarbeiter in einem Unternehmen welches nicht im Stande ist einen kooperativen Führungsstil zu etablieren, oder wo die Einführung einer Management-Ebene komplett in die Hose ging, mal ordentlich Dampf ablassen.

Gibt es eine Führungspersönlichkeit, dann wird man an seinen Leistungen von einer Person gemessen. Nicht von einer Gruppe. Man wird sich vor seinem Vorgesetzten rechtfertigen müssen. Nicht in der Gruppe. Wenn es Firmen gibt wo die Mitarbeiter meinen sie seien „fein raus“ da es ja einen Chef gibt, dann gibt es einen der es soweit kommen lässt: der Chef!

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Stephan

Reden da wirklich noch immer so viele drüber? Das Prinzip der Selbstorganisation funktioniert nur sehr eingeschränkt. Auch, oder gerade in der Führung, weil hier noch andere Themen (Zeitmanagement, Mitarbeiterentwicklung, Planung, Koordination etc.) den Ausschlag geben.

Es ist schade, dass sich der Artikel am Ende so stark über die „Spezialisierung“ der Führung näher. Was komplett in die falsche Richtung läuft. Weil Führung gerade bedeutet, Menschen ihren Fähigkeiten entsprechend Aufgaben überlassen zu können.

Wir können nicht alle alles können. Da helfen selbst elegante Spitzen in Richtung etablierter Organisations- und Führungsweise nichts. Womit nicht gesagt ist, dass da alles rund läuft. ;-)

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