Die erste Führungsposition: 6 Menschen teilen ihre Learnings aus dem Chefsessel
Die erste Führungsrolle ist nicht nur aufregend, sie ist auch anspruchsvoll. Wer diese Herausforderung bereits gemeistert hat, weiß Bescheid. Jede dritte Führungskraft werde dabei ins kalte Wasser geworfen, besagt eine Stepstone-Analyse. Nur 15 Prozent der befragten Chefinnen und Chefs sind von ihrem Unternehmen in die neue Rolle begleitet worden. Auf Linkedin haben wir gefragt, wie t3n-Leserinnen und -Leser ihre erste Führungsposition erlebt haben und ob sie darauf vorbereitet waren. Sechs Menschen berichten von ihren Erfahrungen.
„Es fiel mir schwer, Verantwortung abzugeben“
Von Magdalena Oehl
Ich habe mit 27 Jahren zusammen mit meiner Co-Founderin gegründet, nachdem ich circa ein Jahr als Juristin in einer Kanzlei gearbeitet habe. Nach etwa sechs Monaten haben wir die ersten Mitarbeitenden bei Talent Rocket eingestellt. Wir beide sind in diese Aufgabe reingewachsen, da sie sich durch das Wachstum des Startups einfach ergeben hat. Trotzdem war uns immer bewusst, wie wichtig eine gute Führung ist, da sie darüber entscheidet, wie motiviert Teammitglieder sind, und das wiederum auch den Erfolg der ganzen Company mitbestimmt. Gelernt, zu führen, haben wir durch unser Interesse am Thema und den Austausch mit anderen Gründenden, die in dem Bereich schon Erfahrung hatten. Etwas später kamen dann auch Trainings und Coachings dazu.
Hier ist es jedoch wichtig, ein möglichst individuelles Trainingskonzept zu finden, das auf die Bedürfnisse der einzelnen Führungskräfte eingeht. Die größte Herausforderung für mich war es, abgeben zu können. In einem Startup macht gerade der Beginn aus, die Aufgaben mit einer gewissen Hands-on-Mentalität anzupacken. So bringt man ein junges Unternehmen auf eine gewisse Flughöhe, die dann nächste Schritte wie Investments, Profitabilität und Team-Entwicklung ermöglicht. Wenn das Abgeben von Verantwortung jedoch gelingt, bringt das eine Firma sofort auf ein neues Niveau.
„Plötzlich war ich verantwortlich für zwei Team-Mitglieder“
Von Selma Sadikovic
Insgesamt hatte ich drei Jahre an Berufserfahrung, als ich meine erste Führungsposition bei meinem Arbeitgeber Snocks übernahm. Damals war ich 27 Jahre. Der Schritt war tatsächlich nicht gut vorbereitet, sondern eine „Wir machen das jetzt einfach mal“- Entscheidung. Ich fing an, als wir 30 Leute waren, ein knappes Jahr später waren es 50. Ich brauchte dringend Hilfe in meinem Bereich, da es mir nicht mehr möglich war, HR allein zu stemmen. Wir stellten also zwei Mitarbeiterinnen ein und über Nacht war ich plötzlich verantwortlich für zwei Team-Mitglieder, die beide sowohl neu im Arbeitsleben als auch in der Startup-Welt waren. Ich bekam ein paar Basic-Schulungen durch meinen Chef und dann galt „Trial and Error“.
Eine meiner größten Herausforderungen war es, einen Mittelweg zwischen Vorgesetzter und normaler Kollegin zu finden. Ich dachte damals, ich müsse distanziert sein, um respektiert zu werden. Also habe ich kaum Persönliches geteilt, um mich nicht angreifbar zu machen. Das war jedoch eine Katastrophe. Mittlerweile weiß ich, wie wichtig es ist, offen zu sein. Auch mal zu sagen, dass man etwas nicht weiß. Oder auch klar zu kommunizieren, dass man vielleicht gerade keinen guten Tag hat – ohne Angst zu haben, dass mein Team mich nun nicht mehr respektiert. Führungskräfte sind auch nur Menschen, und das darf man auch zeigen.
„Rückblickend war das für mich viel zu früh“
Von Patrick Leibold
Ich bin damals 25 Jahre alt gewesen, hatte gerade einmal vier Jahre Berufserfahrung, während ich parallel noch studiert habe. Rückblickend war das für mich viel zu früh und viel zu zufällig für eine Führungsrolle. Ich war Teil eines konzernweiten Programms für Potenzialträger. Da haben wir ein bisschen Vorbereitung bekommen, aber in keinem Fall genug. Zum Glück hatte ich einen Chef, der mich mit viel Geduld in seine Obhut nahm und von dem ich sehr viel lernen durfte. Die größte Herausforderung für mich war dabei mein Ego. Ich hatte plötzlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die doppelt so alt und viel erfahrener waren als ich. Ich dachte, mich rechtfertigen und behaupten zu müssen, anstatt sie zu befähigen. Also habe ich doppelt so viel und dreimal so hart gearbeitet. Ich war viel zu schnell, viel zu verbissen und viel zu hierarchisch, weil ich kein Selbstbewusstsein als Führungskraft hatte, um darauf aufzubauen.
Was ich jedoch von Anfang an gut konnte, war, Menschen einzuschwören und zu begeistern. Um eine gute Führungskraft zu sein, brauchst du meines Erachtens vor allem zwei Sachen: Du musst dich selbst verstehen, dich auch mal aus dem Spiel nehmen können und die Ruhe beibehalten, die dir wohl nur Erfahrung geben kann. Heute bin ich Gründer der Celebrate Company und kann diese Erfahrungen auch als Geschäftsführer weitergeben.
„Ich habe versucht, alle mit meiner Energie mitzureißen“
In meiner Definition von Führungskraft bin ich im Alter von 32 Jahren zu einer geworden, praktisch mit der Gründung unserer Agentur. Ich arbeite, seitdem ich 23 Jahre alt bin – sprich neun Jahre. Ich hatte auch vorher schon Personalverantwortung, aber mehr auf dem Papier als richtig spür- und erlebbar. Es gab immer Entscheider über mir, insofern war ich nur Teil des Wasserfalls von oben nach unten. Mit der Gründung der Trailblazers zur Primetime von Corona änderte sich das. In Zeiten absoluter Unsicherheit die Verantwortung für Menschen und ihre Karriere zu übernehmen war krass motivierend und bedeutet mir und meinen Mitgründenden bis heute alles. Ich habe versucht, alle mit meiner Energie mitzureißen. Das war meine Art von Führung: Leistung bringen, um Räume für andere zu schaffen.
Ich habe versucht, mit meiner festen Überzeugung an ein positives Menschenbild viel Vertrauen, Verantwortung und Wertschätzung zu schenken. Das und alles, was dazu gehört, habe ich aber in der Philosophie gefunden, nicht in Leadership-Büchern. Da steht nur drin, was die letzten 100 Jahre schon nicht geklappt hat. Dennoch: Nur Visionen ohne Leitplanken reichen nicht, sondern führen schnell zu Überforderung. Die Implementierung eines Betriebssystems, nach dem alle handeln, hätte ich ohne Hilfe meiner Mitgründenden nicht geschafft.
„Wichtiger ist es, zu wissen, was man nicht weiß“
Von Tina Dreimann
Mit meiner ersten Führungsrolle wurde ich im Alter von fünf Jahren beim Reitunterricht konfrontiert – und zwar durch ein besonders störrisches, weißes Pony namens Hanni. Das klingt ungewöhnlich, doch ich bin überzeugt, dass hier die Basis für mein Führungstalent gelegt wurde und ich generell aus Sportarten viel mitgenommen habe: Mut, Durchsetzungskraft, Einfühlungsvermögen, Fördern und Fordern, Richtung angeben, hohe Hürden angehen und Verantwortung übernehmen. Diese Fähigkeiten konnte ich im ersten Berufsjahr in der Unternehmensberatung Bain & Company unter Beweis stellen sowie mit 30 dann als Geschäftsbereichsleitung in der Digitalbranche und einem 25-köpfigen Team nach fünf Jahren Berufserfahrung.
Im Consulting ist alles darauf ausgerichtet, Menschen in Führungsrollen hineinwachsen zu lassen. Bei guter Leistung wird automatisch projektweise mehr Verantwortung übergeben. Gleichzeitig habe ich dieses Stufenmodell immer kritisiert. Auch Berufseinsteigende können mit Talent große Themen und Teams führen und müssen nicht erst jahrelang Stufen durchlaufen, um mehr Verantwortung zu bekommen. Der am häufigsten auftretende Fehler, der auch mir passierte: zu denken, dass man als Führungskraft alle Antworten haben muss. Wichtiger ist es, zu wissen, was man nicht weiß.
„Es ist wichtig, nicht nur Ja-Sager an Bord zu holen“
Von Jürgen Hase
Führungskraft ist ein weit gefächerter Begriff. Erste Führungsaufgaben habe ich mit 29 Jahren übernommen, zwei Jahre nach meinem Studium. Dann ging es immer weiter hin zum Abteilungsleiter, Bereichsleiter und Geschäftsführer und all das in kleineren und in großen Unternehmen sowohl national als auch international. Heute bin ich CEO der P‑ton AG. Jeder Schritt war gut überlegt und bewusst durchgeführt. Das halte ich auch für wichtig: Will ich das? Kann ich das? Wo sind meine Stärken und meine Schwächen? Welcher Führungsstil ist typisch in der zukünftigen Position? Wer sind meine Peers? Auf diese Fragen sollte man Antworten haben. Gleiches gilt auch bezogen auf eigene Vorgesetzte. Wie ist deren Führungsstil? Passen wir zusammen?
Letztendlich sollte man sich immer der erweiterten Verantwortung bewusst sein. Führung übernehmen heißt auch, unangenehme Entscheidungen zu treffen und umzusetzen. Das wird leider oft vergessen. Besonders wichtig ist es, zwingend darauf zu achten, sich nicht nur Ja-Sager an Bord zu holen, sondern bewusst auch Menschen, die unbequem sein können, aber die Besten in ihrem Bereich sind. Auch Coaching schadet nie. Gegebenheiten verändern sich, man muss deshalb auch immer wieder neue Situationen verstehen lernen, um daraus die richtigen Entschlüsse zu ziehen.