
Physische Konsolen adé? Microsofts Xbox wandelt sich zum Dienstleister. (Foto: Shutterstock / Diego Thomazini)
Playstation-Purist:innen auf der einen, Xbox-Expert:innen auf der anderen Seite: Seit dem Start der ersten Xbox vor über zwanzig Jahren führen mindestens die Fans der beiden Spielekonsolen von Sony und Microsoft einen emotionalen Feldzug gegen die jeweils andere Seite. Und das, obwohl sich die beiden Geräte in ihrer Ausstattung heute nahezu nicht mehr unterscheiden.
Ein Vergleich von Tom’s Hardware zeigt beispielsweise, dass der rein hardwarebasierte Konsolenkrieg längst zu Ende gegangen ist. Dafür drängen sich jetzt neue Fragen auf: Was passiert in der zehnten Konsolengeneration und verändert sich auch Microsofts Strategie im Gaming-Segment?
Laut einer Schätzung von IDG Consulting, die Spielehersteller Take-Two Interactive in seinem aktuellsten Quartalsbericht aufgegriffen hat, sind derzeit etwa 94 Millionen Konsolen der neunten Generation im Umlauf. Wenn die Playstation 5 laut Sony selbst ungefähr 65 Millionen davon ausmacht, bliebe für Microsoft nur noch ein vergleichsweise kleiner Anteil von 29 Millionen abgesetzten Einheiten – rund sieben Millionen Konsolen pro Jahr.
Sony bleibt ein Hardware-Konzern
Das ist bei einer von den Branchenexpert:innen von Newzoo auf rund 620 Millionen Menschen weltweit geschätzten Zielgruppe nicht viel. Entsprechend wenig Gewicht hat das Hardware-Segment auch im Umsatz-Mix von Microsoft.
Zwar hat die Tech-Firma im Fiskaljahr 2024 rund 21 Milliarden US-Dollar und damit etwa zehn Prozent ihres Gesamtumsatzes mit Gaming gemacht, Umsätze mit Konsolen gingen allerdings im entsprechenden Jahr um 13 Prozent zurück.
Beim Konkurrenten Sony ist das etwas anders. Auch hier sank der Umsatz mit Gaming-Hardware und die Firma sieht ihre Konsole schon seit Februar 2024 in der zweiten Hälfte ihres Lebenszyklus. Dennoch waren Gaming im Ganzen für rund ein Drittel und Hardware allein für etwa 17 Prozent des Sony-Umsatzes zwischen März und September 2024 verantwortlich.
„Sony ist ein Hardware-Unternehmen, Microsoft nicht so sehr“, bestätigt auch Peter Moore, damals verantwortlich für die Vermarktung der Xbox 360, im März 2024 gegenüber IGN. Was Moore auch in den Raum stellt: Dass diese oder die nächste Generation die letzte eigene Konsolengeneration sein könnte.
Cloud-Erfahrungen im Gaming-Bereich bisher durchwachsen
Schuld daran könnte das Cloud-Geschäft sein, das Microsoft zuletzt mit seiner „Das ist eine Xbox“-Kampagne aggressiv beworben hat. Dabei hat selbiges in der Branche nicht unbedingt einen guten Stand. Die Möglichkeit, Spiele aus Rechenzentren heraus auf das eigene Smartphone, Tablet oder den Büro-Laptop streamen zu können, haben schon einige Firmen angeboten.
Das unglamouröse Abschalten von Google Stadia nur drei Jahre nach Launch, das Schattendasein von Amazon Luna und die mangelnde Verfügbarkeit von freien Plätzen bei Nvidias GeForce Now zeichnen aber ein durchwachsenes Bild.
Zumindest für Stadia und Luna könnte das auch daran liegen, dass weder Alphabet noch Amazon langjährig gewachsene Teams mit Gaming-Expertise vorzuweisen hatten und die öffentliche Wahrnehmung die beiden Tech-Firmen nicht mit Videospielen in Verbindung bringt. Bei Microsoft und seiner Xbox ist das, trotz Absatzrückgang, anders.
Exklusivtitel waren gestern
Die Firma kann es sich in der Theorie leisten, dass Konsolenabsätze zurückgehen und preist das in ihre Produktstrategie ein. Wer den Konzern genauer verfolgt, wird sich nicht darüber wundern, dass Microsoft 2024 beispielsweise vier eigentlich exklusiv auf der Xbox erschienenen Titel für Nintendo-Switch-Besitzer:innen zugänglich macht.
Das kann zum einen ein Zugeständnis sein, um die Bedenken von Marktaufsichtsbehörden über den 69-Milliarden-Dollar-Deal zur Übernahme von Activision Blizzard King und den dazugehörigen Monopolverdacht zu zerstreuen. Nach der unerwarteten Kündigung von über 2.500 Angestellten und Schließungen zahlreicher Studios kann der Konzern positive Gaming-Presse brauchen.
Zum anderen kann es auch bedeuten, dass Exklusivtitel für bestimmte Plattformen, in der Vergangenheit ein starkes Verkaufsargument für Playstation- und Nintendo-Konsolen, für Microsoft in Zukunft weniger Relevanz haben dürften.
Gaming-Expertise plus Cloud-Kapazitäten gleich Erfolg?
Das Aufweichen der Exklusivitäts-Grenzen und der starke Fokus auf das Abosystem Game Pass, das laut Xbox-Chef Phil Spencer im Februar 2024 rund 34 Millionen zahlende Kund:innen hatte, deuten jedenfalls an, dass Microsoft sein Xbox-Produkt weniger als physisches Gerät und mehr als Dienstleistung sieht.
Dafür spricht auch das eng mit dem Game Pass verwobene Xbox Cloud Gaming. Der Cloud-Streaming-Dienst wurde 2019 zum ersten Mal in einer öffentlichen Beta getestet und läuft mittlerweile auf kleinen und großen Geräten, ausgewählten Smart-TVs und Amazons Fire TV Stick. Seit November 2024 können Xbox-Cloud-Gaming-Nutzer:innen auch ausgewählte Spiele aus ihrer eigenen Bibliothek auf ihre Geräte streamen.
Möglich macht das Microsofts starker Fokus auf Rechenzentren. Im Fiskaljahr 2025 will der Konzern 80 Milliarden US-Dollar in den Ausbau seiner Datenzentrenkapazitäten stecken.
Die Investitionen gelten vorrangig für cloudbasierte KI-Lösungen, aber es ist vorstellbar, dass für die Weiterentwicklung seiner Azure-Plattform auch einige Rack-Plätze für die schon lange mit leistungsfähiger Xbox-Series-X-Komponenten laufenden Bladeserver-Batterien reserviert sind.
Die dunkle Seite der Cloud
So beeinflusst Microsofts Vorpreschen bei Rechenzentren auch die Zukunft seiner Xbox-Sparte – für Gamer:innen und die Firma zum Guten, für die Umwelt zum Schlechten. Cloud-Gaming macht zwar leistungsstarke PCs im eigenen Zuhause überflüssig, generiert dafür aber sowohl in der heimischen Internetverbindung als auch in den angebundenen Rechenzentren mehr Durchsatz als beim stationären Spielen.
Die letzten dazugehörigen wissenschaftlichen Untersuchungen sind schon ein paar Jahre alt und reflektieren nicht die aktuellsten Fortschritte bei der Energieeffizienz in Rechenzentren. Dennoch gehen die Autoren des Papers Toward Greener Gaming: Estimating National Energy Use and Energy Efficiency Potential von Dezember 2019 beispielsweise davon aus, dass sich der Energieverbrauch je nach Gerät im Vergleich zur lokalen Ausführung von Games um 30 bis 300 Prozent erhöht.
Zu ähnlichen Schlüssen kommt eine bei Polygon referenzierte Studie von 2020, laut der die CO₂-Emissionen durch Gaming bei einem Wechsel von 30 Prozent der Spieler:innen auf die Cloud um 30 Prozent, bei einem Wechsel von 90 Prozent der Gamer:innen um 112 Prozent ansteigen würden. Die Cloud birgt für Microsoft also großes Potenzial, auch wenn die Frage nach umweltschonendem Gaming noch längst nicht geklärt ist.