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Interview
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Das Startup dieses Familienunternehmers hat eine Retourenquote von 100 Prozent

Gearflix-Gründer Marius Hamer will Gadgets online vermieten statt verkaufen – und so das über 100 Jahre alte Ladengeschäft seines Urgroßvaters vor dem Tod bewahren. Kann das klappen?

Von Daniel Hüfner
7 Min. Lesezeit
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Gearflix-Gründer Marius Hamer in „Die Höhle der Löwen“. (Foto: © MG RTL D / Frank Hempel)

Wenn Marius Hamer am Dienstagabend „Die Höhle der Löwen“ betritt, steht auch ein 108 Jahre altes Familienunternehmen auf dem Spiel. Denn Hamer hat sein Startup Gearflix hauptsächlich deshalb gegründet, um das Fotogeschäft seines Urgroßvaters in Bochum vor dem Aussterben zu bewahren. Zu groß ist die Konkurrenz in den vergangenen Jahren durch den boomenden Onlinehandel geworden.

Gearflix: Technik mieten statt kaufen

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Gearflix soll das einstige Geschäftsmodell des Familienunternehmens nun digitalisieren. Über die Online-Plattform können Nutzer beispielsweise eine Spiegelreflexkamera oder eine Drohne für den Urlaub mieten und danach wieder zurückschicken. Zu erheblich günstigeren Preisen als bei einem Neukauf, verspricht Gründer Marius Hamer. „So hat man immer den vollen Zugriff auf die neueste Technik, ist in der Auswahl immer flexibel. Denn wir haben über 1.000 angesagte Technikprodukte auf unserer Website.“ Aber kann das klappen? Im Interview mit t3n spricht Hamer über die große Konkurrenz auf dem Technik-Mietmarkt, die Beinahepleite und 1-Sterne-Bewertungen in den Anfangstagen von Gearflix.

t3n: Herr Hamer, mit Gearflix vermieten Sie Kameras, statt sie zu verkaufen. Warum?

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Marius Hamer: Kameras sind teuer, veralten schnell und man braucht sie selten. Also sind sie perfekt für den Verleih geeignet.

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t3n: Und dafür gibt es einen Markt?

Ja. Wir beschränken uns mit Gearflix auf den Imaging-Markt, also auf Kameras, Drohnen, Actioncams und erweitern dies durch Reise-Gadgets. Damit wird jährlich rund eine Milliarde Euro umgesetzt. Für unsere Plattform sehe ich innerhalb von fünf Jahren ein Potenzial von ungefähr 20 Prozent des Marktes – also 200 Millionen Euro.

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t3n: Eine sehr ambitionierte Kalkulation, finden Sie nicht?

Gearflix in „Die Höhle der Löwen“. (Foto: © MG RTL D / Bernd-Michael Maurer)

Bei meiner Schätzung gehe ich von der Annahme aus, dass ungefähr 80 Prozent aller Digitalkameras und Gopros die meiste Zeit in einem Regal verstauben und es smarter gewesen wäre, ein neues Modell zu mieten. Auch denke ich, dass das Gefühl von Besitztum für jüngere Generationen nicht mehr den Stellenwert hat wie für die Ü-30er.

t3n: Das haben inzwischen aber auch andere Anbieter erkannt. Grover, Saturn und sogar Otto bieten Technik zum Vermieten an.

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Mit den Jungs von Grover stehe ich in Kontakt. Wir sehen uns auch nicht als ernste Konkurrenz. Grover vermietet Technikprodukte vom Smartphone bis zum Beamer, Gearflix hingegen bewegt sich in der Nische zwischen Kamera, Drohnen und Actioncams. Unsere Vertriebsstrategie beinhaltet auch keine Elektromärkte, sondern Reisebüros. Hier sind wir in den Buchungsbestätigungen integriert. Man bucht also die Technik zum Urlaub, wie man sonst einen Leihwagen am Zielort reserviert.

t3n: Was ist mit Otto und Saturn? Im Gegensatz zu Ihnen verfügen die über riesige finanzielle Mittel.

Wir liefern nicht nur sofort ab Lager und nach Verfügbarkeit, sondern planbar zum Wunschdatum bis zu sechs Monate vorab. Unsere Mindestmietdauer beträgt eine Woche, nicht einen oder gar drei Monate wie bei Otto Now. Außerdem bieten wir Komplettsets mit Zubehör, geladenen Akkus und passender Tasche. Im Sortiment findet man jedes erdenkliche Zubehörteil, man sucht sich einfach das perfekte Set zusammen. Alle bei uns sind Hobbyfotografen und beraten jeden Kunden persönlich. Wir haben die größte Modellauswahl und vermieten vom Einsteigergerät bis zu den 7.000-Euro-Pro-Kamerabodys. Ein Saturnmarkt könnte das alles gar nicht bieten.

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t3n: Wie sind Sie ursprünglich auf die Idee zu Gearflix gekommen?

Ich habe vor sechs Jahren das Fotogeschäft meines Vaters in Bochum übernommen. Ein Familienbetrieb, der bereits seit 108 Jahren besteht und von meinem Urgroßvater gegründet wurde. Vor einigen Jahren spürten wir die Konkurrenz durch den Onlinehandel, wir gerieten in den klassischen Idealo-Preiskampf mit einer Vielzahl von Internethändlern. Daraufhin mussten wir unsere Preise im Laden anpassen. Das konnten wir aber nicht wirklich und haben im Ergebnis kein Geld mehr verdient.

t3n: Und dann blieben die Kunden weg?

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Die Frequenz der Kunden im Geschäft war zunächst noch stabil, aber mit unsere Margen sanken wir in eine Todeszone von unter fünf Prozent. Manche Fotohändler wie beispielsweise kamera.de haben das dann fälschlicherweise als Chance verstanden und Umsatz mit Kampfpreisen erkauft. Das ging nicht lange gut. Seit zwei Jahren ist der Preiswettbewerb in der Fotobranche so gut wie vorbei.

t3nAber Ihr Fotogeschäft hat überlebt.

Ja, aber dafür leiden wir nun unter der geringen Besucherfrequenz im Geschäft. Das ist noch viel schlimmer als zu billige Wettbewerber: Wir verkaufen im Laden zu Online-Preisen, bieten Service und Beratung. Aber trotzdem sinkt die Kundenfrequenz jährlich um circa 18 Prozent. Der einzige Weg, dem zu entkommen und Wachstum zu erzielen, ist Differenzierung. Und der beste Weg dies zu tun, ist ein Produkt in eine Dienstleistung umzuwandeln. Genau das haben wir mit Gearflix gemacht.

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t3n: Bestand zwischenzeitlich auch die Gefahr für eine Insolvenz des Fotogeschäfts?

Nein, aber die Tendenz hat mir nicht gefallen. Das Unternehmen ist schließlich von meinem Urgroßvater gegründet worden. Da will man wirklich nicht derjenige sein, der den Karren vor den Baum fährt.

t3n: Wie hat Ihre Familie die Idee zu Gearflix anfangs aufgenommen?

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Gut, denn sie ist ganz einfach zu vermitteln. Geholfen hat auch, dass meine Eltern eine Parallele zu meinem Bruder Christian ziehen konnten. Er hat vor zehn Jahren eine mittlerweile führende internationale Fotostudiokette mit über 50 Filialen gegründet. Es hat sich so ein helfender Optimismus eingestellt, ganz nach dem Motto: Wenn es einer schafft, kann es der zweite doch sicher auch.

t3n: Und dann haben Sie einfach mal einen Onlineshop aufgesetzt?

Die Idee war im Dezember 2016 da, und zwar in Form eines 40-seitigen Word-Masterplans, den ich über Weihnachten geschrieben habe. Mit dem Namen habe ich mich dann aber unnötig lange aufgehalten. Neben Gearflix hätte es auch Instagear oder Techflix werden können, letztendlich ganz egal.

t3n: Wie ging es weiter?

Mit Laura, meine rechte Hand im Team, habe ich dann unsere damals spärlichen Programmierkenntnisse in WordPress umgesetzt und einen ersten Gearflix-Shop gebaut. Das hat nur vier Wochen bis zum Launch gedauert und auch erstaunlich gut funktioniert. Leider nur im Frontend.

t3n: Das müssen Sie erklären.

Die Prozesse eines Verleihs unterscheiden sich grundsätzlich vom Verkauf: Die Retourenquote liegt bei 100 Prozent, das Lieferdatum ist von mehreren Faktoren abhängig, Zahlungen erfolgen nicht nur einmal, sondern regelmäßig und erzeugen wöchentlich neue Bestellungen, die der Kunde aber gerne auf einer Rechnung zusammengefasst hätte. Diese Liste lässt sich endlos fortführen. Wir mussten somit direkt hart in die Kernkonfiguration von WordPress eingreifen, um überhaupt etwas verleihen zu können. Das ging nicht lange gut. Nach einem Messebesuch habe ich dann auf Shopware gesetzt. Es kamen dann aber neue Probleme hinzu.

t3n: Zum Beispiel?

Ich wollte unbedingt, dass man bei uns ein Wunschlieferdatum in der Zukunft wählen kann und nicht angeben muss, wie lange man etwas behält. Das ist unerlässlich, wenn man sich etwas für den Urlaub „flixt“. Und bis heute ist es ein Alleinstellungsmerkmal von Gearflix gegenüber anderen Anbietern. Es hat aber auch zur Folge, dass man nicht weiß, wann unsere Geräte zurückkommen und ob man damit eine Folgebestellung bedienen kann. Als unsere Miettechnik plötzlich in die Buchungsbestätigung eines großen Reiseanbieters integriert wurde und die Bestellungen schnell anstiegen, waren wir überfordert, konnten häufig nicht liefern und haben viele Kunden verprellt. Unsere ersten Facebook-Bewertungen sind daher eher auf dem 1-Sterne-Niveau. Die findet man heute noch.

t3n: Wie haben Sie das Problem dann technisch gelöst?

Wir haben einen ziemlich ausgeklügelten Prozess entwickelt, der auf Basis vieler Faktoren unsere eigene Lieferfähigkeit antizipiert und sogar Überkapazitäten für Rabattaktionen vorhersieht. Wir beziehen hier beispielsweise ein, in welchem Lebenszyklus ein Produkt ist, wie häufig es in der Vergangenheit vermietet wurde und wie hoch die Marge bei Neuverkäufen ist.

t3n: Ruft die Vermietung von derart hochpreisiger Technik nicht auch viele Betrüger auf den Plan?

Wir hatten eingangs erhebliche Probleme mit Betrügern, die sind jetzt aber aus der Welt und wir haben weit unter ein Prozent Fraud-Quote. Der Grund ist ein nun von uns eigenständig umgesetzter Web-ID-Prozess in Kombination mit einer Bonitätsauskunft. Ich schätze, die Diebe haben sich mittlerweile einfachere Ziele ausgesucht.

t3n: Wie groß wird der Umsatz dieses Jahr ausfallen?

In den letzten Monaten haben wir nicht am Wachstum gearbeitet, sondern nur an unseren Prozessen. Wir lagen in den letzten Wochen bei ungefähr 40.000 Euro pro Woche und stehen vor einer neuen Zusammenarbeit mit einem großen Touristikkonzern. Eine Umsatzprognose für 2019 hängt von wenigen großen Variablen ab, daher möchte ich hier keine Schätzung abgeben.

t3n: Am Dienstagabend treten Sie mit Gearflix in „Die Höhle der Löwen“ auf. Sie wissen schon, dass der Ansturm während der Sendung enorm ist?

Ja. Hier verlasse ich mich auf Experten. Wir arbeiten direkt mit Shopware und einer spezialisierten Agentur zusammen und haben eine statische Vorschaltseite, ein Cluster, einen Load-Balancer und eine neue extrem performante Server-Struktur bei Cloudflare für eine kurze Zeit gebucht. Der Aufwand ist extrem, lohnt sich durch die Reichweite der Show aber trotzdem.

t3n: Mit wie vielen Bestellungen rechnen Sie?

Wir sind bereits vor der Show bei mehreren Hundert Bestellungen pro Woche und einem Lagerwert von über einer Million Euro. Ich gehe während der Sendung nur von einigen Hundert Sofortbestellungen am Tag der Ausstrahlung aus, aber von vielen Tausend Menschen, die unser Konzept super finden und uns zu ihren Favoriten hinzufügen, um für ihren nächsten Urlaub zu flixen. Das wäre mir auch deutlich lieber, da wir so unsere Auslastung über die Zeit konstanter halten können.

t3n: Vielen Dank für das Gespräch.

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3 Kommentare
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Made My Day: „Ein Familienbetrieb, der bereits seit 108 Jahren besteht und von meinem Urgroßvater gegründet wurde. Schon damals spürten wir die Konkurrenz durch den Onlinehandel, wir gerieten in den klassischen Idealo-Preiskampf mit einer Vielzahl von Internethändlern.“

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Antworten
Daniel Hüfner

Hi NOWIS,

ja, der Satz klingt so wirklich etwas aus der Zeit gefallen :) Danke für den Hinweis, habe es angepasst!

Beste Grüße

Daniel

Antworten
Rainer Wahnsinn

Onlinhandel?

Sorry ,aber jedes Smartphone macht Fotos und ist dabei nicht mal sperrig.
Allein dies reduziert den möglichen Umsatz erheblich.

Ansonsten kann Ich mir kaum vorstellen,das man genug Gewinn macht um das Sortiment ständig zu erneuern.
Hab mir die Webseite angesehen und die Preise sind so dass jede Kamera 8-20x ausgeliehen werden muss um den Kaufpreis zu erhalten.

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