Profi-Fußballer oder Polizist – warum wir nicht nach Leistung bezahlt werden

Der Nutzen entscheidet
„Es mag zwar so aussehen, als ob du als Mitarbeiter für deine Arbeit bezahlt wirst“, so Geropp. Das sei jedoch im Grunde nicht der Fall. „Du wirst nicht für deine Arbeitszeit bezahlt – selbst wenn es so in deinem Vertrag steht“, so der Coach. „Auch nicht nach Leistung.“ Arbeitszeit und Leistung seien sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Kunden belanglos. Entscheidend sei vielmehr der Nutzen, den die Arbeit stiftet. „Honoriert wird nicht die mühevoll erbrachte Leistung, sondern nur die damit generierte Wirkung“, erklärt Geropp weiter. Dabei sei völlig irrelevant, wie der Arbeit- oder Auftragnehmer den Nutzen einschätzt. „Der wird vermutlich sehr hoch sein“, schmunzelt er. Die Wirksamkeit werde jedoch ausschließlich vom Kunden oder vom Arbeitgeber bewertet. „Kunde und Arbeitgeber sind diejenigen, die festlegen, wie wertvoll die Wirkung wirklich ist – und zahlen entsprechend viel oder wenig dafür.“
Lecker und gesund
Auch wenn sich das für den einen oder anderen ungerecht anfühlt – wir verhalten uns im Grunde genauso. Mal ehrlich, wenn du zum Bäcker gehst und überlegst, welches Brot du nimmst, dann wird die Mühe des Bäckers keine Rolle in deiner Entscheidungsfindung spielen. Dir ist es in dem Moment egal, wie viel Zeit der Bäcker ins Brotbacken investiert hat. Es interessiert dich auch nicht, dass er morgens um drei Uhr aufstehen musste. Dich interessiert nur das Ergebnis: Enthält es viel oder wenig Weizen? Sind ordentlich Körner drin? Magst du die Kruste? Ist das Brot also in deinen Augen lecker und gesund? „Je nachdem, wie viel das Brot dir wert ist, bezahlst du mehr oder weniger viel Geld dafür“, so Geropp.
So lange er gewinnt
Ein Blick in die Welt des Fußballs zeigt, wie extrem diese Entscheidung ausfallen kann. Die gigantischen Summen, die die Profi-Spieler kassieren, erregen immer wieder die Gemüter. Gehen hier Millionen Euro über Tisch, weil der Spieler so begeistert am Ball ist? Oder weil er täglich acht Stunden und mehr trainiert? „Falsch“, ist Geropp überzeugt. „Niemand gibt ihm Geld nur fürs Fußballspielen. Er bekommt es, weil sein Team mit ihm Spiele gewinnt.“ Nur bei einem Sieg verdiene das Management durch Sponsoring und Werbung und generiere hohe Einnahmen aus den Spielen. „Solange das Team gewinnt und das Management überzeugt ist, dass der Spieler massiv zum Gewinn beiträgt, wird dieser Spieler hoch bezahlt“, so Geropp. Heißt für den Businessalltag: Je positiver Kunde oder Chef die Wirkung deiner Arbeit wahrnehmen, desto mehr Geld sind sie bereit zu zahlen.
Nicht härter, sondern effektiver
Willst du als Angestellter mehr Geld verdienen, solltest du also nicht härter oder mehr arbeiten, sondern effektiver. Du musst einen noch größeren Nutzen für dein Unternehmen oder deinen Chef liefern – und zwar Nutzen in der Wahrnehmung des Chefs oder Arbeitgebers. Das Gleiche gilt für Unternehmer und Freiberufler. Der Kunde muss überzeugt sein, mit der Leistung einen besonders hohen Gewinn für das eigene Business zu generieren.
Aber was ist mit all den Arbeitnehmern, die nach Tarif bezahlt werden? Was ist mit der Krankenschwester oder dem Polizisten? Diese werden in der Regel tatsächlich nach Zeit bezahlt. Und sie erhalten ein vergleichsweise geringes Gehalt, das nach einem branchenüblichen Tarif ausgestaltet ist – mehr oder weniger fix. „Wenn ich mir anschaue, wie wenig Lohn eine Krankenschwester erhält oder wie wenig Geld bei einem Polizisten auf dem Gehaltszettel steht, dann kann ich gut verstehen, dass da Frust und vielleicht sogar Wut hochkommt“, so Geropp. „Nur, es hilft nicht weiter, sich darüber aufzuregen, wie wenig Lohn man erhält.“ Auch hier gelten die gleichen Regeln. Bezahlt werde man für den wahrgenommenen Nutzen, nicht für die erbrachte Leistung. „Die Bewertung des Nutzens geschieht bei einem Polizisten oder einer Krankenschwester durch die Gesellschaft – also durch uns alle“, erklärt Geropp. „Selbst wenn fast jeder von uns sagt, dass deren Arbeit doch viel mehr Wert sein sollte, als Gesellschaft nehmen wir das so nicht wahr.“
Aktiv werden
Das kann man nun verurteilen. Damit fühlt man sich vielleicht wohler. Es ändert jedoch nichts. „Stattdessen kann man sich politisch betätigen, sich in einer Partei oder Gewerkschaft engagieren und so versuchen, das Lohngefüge zu ändern“, empfiehlt Geropp. Wichtig sei bei jeder Gehaltsdiskussion, das Nutzen-Argument ins Feld zu führen. „Egal, ob als Angestellter oder Selbstständiger: Jeder sollte sich mit dem Gedanken anfreunden, dass stets nur der wahrgenommene Nutzen bezahlt wird“, bekräftigt Geropp. „Es ist wichtig, dem Kunden, dem Chef oder der Gesellschaft zu verdeutlichen, welchen Nutzen du bringst, um so ein höheres Gehalt zu erreichen.“ Was aber, wenn das nicht funktioniert? Wenn die andere Seite deiner Argumentation nicht folgt? Dann gibt es laut Geropp nur zwei Optionen: Entweder du findest dich damit ab. Dann solltest du unbedingt eine positive Einstellung zu deiner Tätigkeit gewinnen, schließlich hast du dir diese Arbeit ausgesucht. Oder aber, du änderst deine Tätigkeit, suchst dir also einen neuen Job – einen, bei dem ein höherer Nutzen wahrgenommen wird.
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