Gesichtserkennung am Flughafen: So soll der Journey Pass das Reisen erleichtern

Die Art und Weise, wie wir fliegen, steht möglicherweise vor ihrer größten Veränderung seit Jahrzehnten. Statt Bordkarten zu zücken und am Check-in zu warten, sollen künftig unser Gesicht und – vorerst – unser Smartphone genügen.
Bei diesen Plänen rund um die sogenannten „Digital Travel Credentials“ (DTC) handelt es sich um einen von der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) standardisierten, kryptografisch gesicherten digitalen Zwilling des physischen Reisepasses. Dessen Daten werden durch digitale Signaturen des Ausstellerstaates geschützt und sollen sicher im Smartphone gespeichert werden – oft unter Nutzung spezieller Hardware-Sicherheitsmodule (Secure Elements), ähnlich denen für mobile Bezahlsysteme. Ziel ist es laut Travelobiz, diese Technologie innerhalb der nächsten drei Jahre breitflächig zu etablieren.
Der „Journey Pass“: Mehr als nur ein Ticket
Ein zentrales Element dieser Vision ist ein Konzept namens Journey Pass. Dieser digitale Container auf dem Smartphone verwaltet nicht nur die DTC, sondern auch Flugdetails wie Boardingzeiten und Gates.
Der Clou liegt in der Dynamik: Wie Deccan Herald beschreibt, aktualisiert sich der Pass bei Flugänderungen automatisch. Die Notwendigkeit, mühsam nach neuen Informationen zu suchen oder geänderte Bordkarten zu organisieren – ein aktuelles Ärgernis, das der Standard anspricht – könnte damit der Vergangenheit angehören.
Nahtlos durch den Flughafen per Gesichtsscan – So funktioniert es
Statt Dokumente vorzuzeigen, identifizieren Kameras die Passagiere anhand ihrer einzigartigen Gesichtsmerkmale. Moderne Algorithmen, maßgeblich unterstützt durch Künstliche Intelligenz (KI), erstellen aus diesen Merkmalen eine individuelle biometrische Schablone – ein sogenanntes Template.
Wie Ink Innovation erläutert, wird dieses Template dann blitzschnell mit den gespeicherten Daten des digitalen Reisedokuments (DTC) abgeglichen, um die Identität nahezu in Echtzeit zu verifizieren. Eine wichtige technische Komponente ist dabei die „Lebenderkennung“ (Liveness Detection), ein Verfahren, das Täuschungsversuche etwa durch Fotos oder Masken erkennen und so die Systemsicherheit erhöhen soll.
Um den Datenschutz zu maximieren, wird beim Abgleich idealerweise nicht das komplette biometrische Template selbst übertragen, sondern es werden nur verschlüsselte Vergleichsdaten oder ein simples „Match/No-Match“-Signal an die berechtigte Stelle (Fluglinie, Grenzkontrolle) gesendet.
Bestehende Projekte, wie die biometrischen Kontrollen der Fraport AG am Frankfurter Flughafen in Zusammenarbeit mit Technologiepartnern wie SITA, demonstrieren bereits heute die Machbarkeit solcher nahtlosen Passagierprozesse.
Flugindustrie im Wandel: Chancen und Hürden
Technologieanbieter wie Amadeus entwickeln die Plattformen, die diese Vision ermöglichen sollen, und betonen den Paradigmenwechsel seit der Einführung des E-Tickets. Doch neben den Chancen durch Effizienzgewinn und Komfort stellen sich technische und organisatorische Herausforderungen.
Datenschutz ist zentral: Neben der von Karmactive erwähnten schnellen Löschung von Transaktionsdaten (innerhalb von 15 Sekunden) müssen die Systeme auf den Prinzipien „Privacy by Design“ und Datensparsamkeit basieren. Starke Verschlüsselung und klare Regeln zur Datenverarbeitung sind unerlässlich.
Die größte technische Hürde dürfte jedoch die globale Interoperabilität sein. Damit das System weltweit nahtlos funktioniert, müssen die DTCs und die Erkennungssysteme verschiedener Hersteller, Airlines und Flughäfen sicher und standardisiert miteinander kommunizieren können. Dies erfordert nicht nur gemeinsame, robuste technische Standards, sondern auch massive Investitionen in die Erneuerung und Anpassung der IT-Infrastruktur vieler Flughäfen weltweit.
Vorreiter Riyadh Air
Einige Akteure preschen besonders ambitioniert vor. Die neue saudische Fluglinie Riyadh Air plant einen komplett digitalen Ansatz ab ihrem Betriebsstart im Sommer 2025. Ihr Geschäftsführer Tony Douglas geht laut Simple Flying sogar davon aus, dass Bordkarten generell innerhalb von fünf Jahren verschwinden und bis 2030 durch rein biometrische Verfahren ersetzt werden könnten – wobei auch Iris- oder Fingerabdruckscans als Optionen genannt werden. Dies deutet auf Überlegungen zu noch höherer Genauigkeit oder alternativen Identifikationsmöglichkeiten hin.
Die Vision einer Flugreise, bei der das eigene Gesicht und das Smartphone zum universellen Schlüssel werden, rückt näher. In den kommenden Jahren wird sich zeigen, wie schnell die technischen und regulatorischen Hürden überwunden werden können und wie die Balance zwischen nahtlosem Komfort, robuster Sicherheit und dem Schutz der Privatsphäre der Reisenden gelingt. Die digitale Transformation im Luftverkehr scheint jedoch unaufhaltsam.