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Google vor dem BGH: Es gibt kein generelles Recht auf Vergessen

Google muss negative, aber wahre Berichte über Personen in der Regel nicht aus der Trefferliste bei Suchfunktion löschen. Das entschied der BGH. Eine entscheidende Frage bleibt aber noch offen.

2 Min. Lesezeit
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(Foto: Shutterstock)

Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass Personen gegenüber Suchmaschinenbetreibern wie Google kein automatisches „Recht auf Vergessenwerden“ im Internet herleiten können. Ob Links zu kritischen Artikeln aus der Trefferliste entfernt werden müssen, ist immer von einer umfassenden Grundrechtsabwägung im Einzelfall abhängig. Denn neben den Rechten der Betroffenen, die an dieser Stelle zu bewerten seien, gehe es auch um die Frage, inwieweit ein öffentliches Interesse an der verlinkten Information bestehe. Zudem spielen auch die unternehmerische Freiheit des Suchmaschinen-Betreibers und die Rechte des Inhalteanbieters eine Rolle.

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Im konkreten Fall hat der frühere Geschäftsführer eines regionalen Wohlfahrtsverbandes für Mittelhessen keinen Anspruch darauf, dass ältere Presseberichte über eine Erkrankung und ein Finanzdefizit des Verbandes nicht länger gefunden werden (Az. VI ZR 405/18). Noch nicht entschieden wurde dagegen über ein zweites Verfahren, in dem man noch entscheidende Fragen vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) klären lassen will. Zum einen ist offen, was passieren soll, wenn umstritten ist, ob die verlinkte Berichterstattung wahr ist oder falsch. Hier kann insbesondere der Suchmaschinenanbieter nur schwer über die Wahrheitskraft und das daraus resultierende Vorgehen urteilen. Zum anderen geht es aber auch um Thumbnail-Vorschaubilder, die in der Trefferliste auftauchen, ohne dass der Kontext ersichtlich ist. (VI ZR 476/18)

Recht auf Vergessenwerden als Teil der DSGVO

Das Recht auf Vergessenwerden ist im Übrigen eine gesetzliche Vorgabe, die auf Artikel 17 der DSGVO fußt. Demnach soll jede Person von einem Datenverarbeitenden verlangen können, dass personenbezogene Daten, etwa von negativen Presseberichten, gelöscht werden. Für diesen Löschungsanspruch müssen allerdings bestimmte Voraussetzungen gegeben sein, etwa dass die Datenverarbeitung generell unrechtmäßig war. Die informationelle Selbstbestimmung konkurriert dabei aber mit dem Recht der Allgemeinheit auf Informationen von allgemeiner Relevanz. Bislang waren derartige Themen zumindest seit Inkrafttreten der DSGVO noch nicht höchstrichterlich entschieden.

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Hinzu kommt, wie Juristen erklären, dass es extrem schwierig sein kann, selbst mit juristischem Beistand Google von der Rechtmäßigkeit eines Löschantrags zu überzeugen. So erklärte der IT-Rechts-Anwalt Christian Solmecke: „Wenn man gegen Google vorgehen und einen Link aus der Suchergebnisliste löschen lassen will, muss man viel Geduld mitbringen. Nicht selten kommt es vor, dass Google bei einem Löschungsantrag erst einmal nicht reagiert oder sich komplett querstellt. Wenn Google den Löschungsantrag ablehnt, kann man sich an den Datenschutzbeauftragten seines Bundeslandes wenden.“ Wenn sich dieser nicht in der Lage sieht, zu vermitteln, bleibe dem Betroffenen nur der Klageweg.

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t3n meint:

Das heutige Urteil hat einmal mehr gezeigt, dass man vor Gericht und auf hoher See zwar nicht unbedingt in Gottes Hand ist, möglicherweise aber mit vielem rechnen muss. Denn die Beurteilung „es kommt auf den Einzelfall an“ hat streng genommen den Betroffenen kaum etwas Ableitbares gebracht. Es wird also weiterhin schwer sein, insbesondere gegen das Google’sche Suchmaschinenmonopol anzukommen – insbesondere weil es für den Bürger (und selbst für Anwälte) schwierig ist, mit dem Suchmaschinenanbieter auf Augenhöhe über die Löschansprüche zu verhandeln.

Tobias Weidemann

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Dein t3n-Team

Natascha

Dass ein Löschantrag bei google Zeit benötigt ist ja schon länger klar, aber mit diesem Urteil scheint es auch nicht einfacher zu werden… man sagt ja, das Internet vergisst nicht.

Antworten
Karsten Gulden

Der Artikel ist irreführend und vermittelt ein völlig falsches Bild, was in Sachen Google möglich ist. Die Entscheidung stärkt die Rechte der Betroffenen. Der BGH stellt fundamental fest, dass …“der Verantwortliche einer Suchmaschine nicht erst dann tätig werden muss, wenn er von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung des Betroffenen Kenntnis erlangt.“ Wer sich mit der Thematik auskennt weiß, dass dies eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung darstellt. Für alle, die es nicht wissen: „An seiner noch zur Rechtslage vor Inkrafttreten der DS-GVO entwickelten gegenteiligen Rechtsprechung (Senatsurteil vom 27. Februar 2018 – VI ZR 489/16, BGHZ 217, 350, 363 Rn. 36 i.V.m. 370 f. Rn. 52) hält der Senat insoweit nicht fest.“ Über Löschansprüche wird im Übrigen nicht verhandelt. Es gibt gerichtliche Verfahren, in denen Google großzügige „Angebote“ macht, um den Erhalt eines Urteils zu verhindern – dies aber meist nur, wenn klar ist, dass Google sang- und klanglos untergehen wird. Ansonsten werden die Löschansprüche durchgesetzt, wenn eben ein Anspruch besteht. Der Artikel und die Statements zeigen, dass es für den Laien schwierig bis unmöglich ist, das Recht zum Vergessenwerden zu verstehen. Betroffene sollten sich hiervon nicht abschrecken lassen. Der BGH lässt deutlich und klar erkennen, dass das Recht auf Vergessen nicht nur eine Floskel ist, sondern ein Fundament, das in jedem Fall, in dem ein Anspruch besteht, auch den Riesen Google zu Fall bringen kann. Wir haben es mehrfach getan. Eine Ergänzung noch für den Leser: Das Recht auf Vergessen(werden) wurde von der Rechtsprechung entwickelt, weil man erkannte, dass auch Inhalte, die einmal rechtmäßig waren, nicht für immer im Internet abrufbar sein müssen. Das ist sozusagen die Essenz des Rechts auf Vergessenwerden. Dieses Recht gab es bereits vor der DSGVO. Dort wurde es lediglich kodifiziert.

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