Das Beste aus zwei Welten: Wie Google KI und traditionelle Methoden für bessere Wettervorhersagen kombiniert
Warum eine Methode, wenn man auch auf zwei setzen kann? Das dachten sich wohl Forscher:innen von Google als sie sich mit ihrem neuen Wettervorhersagenmodell auseinandersetzten. Das Resultut: Ein Modell, das maschinelles Lernen mit konventionellen Techniken kombiniert und so möglicherweise genaue Vorhersagen zu einem Bruchteil der derzeitigen Kosten ermöglicht.
Das Modell mit dem Namen NeuralGCM (Neural General Circulation Model), das in der Fachzeitschrift Nature beschrieben wird, soll eine Kluft überbrücken, die in den letzten Jahren unter den Experten für Wettervorhersagen gewachsen ist. „Es geht nicht um eine Art Physik gegen Künstliche Intelligenz. Es ist wirklich ein Zusammenspiel von Physik und KI“, sagt Stephan Hoyer, KI-Forscher bei Google Research und Mitautor der Studie.
Instrumente für Wettervorhersagen
Neue maschinelle Lernverfahren, die das Wetter auf der Grundlage jahrelanger historischer Daten vorhersagen, sind zwar extrem schnell und effizient, haben aber Schwierigkeiten bei langfristigen Vorhersagen. Allgemeine Zirkulationsmodelle, die die Wettervorhersage in den letzten 50 Jahren dominiert haben, verwenden komplexe Gleichungen, um Veränderungen in der Atmosphäre zu modellieren und genaue Vorhersagen zu treffen, sind aber extrem langsam und teuer. Experten sind sich nicht einig, welches Instrument in Zukunft am zuverlässigsten sein wird. Googles neues Modell versucht daher, beide zu kombinieren.
Das neue System verwendet noch ein herkömmliches Modell, um einige der großen atmosphärischen Veränderungen zu berechnen, die für die Vorhersage notwendig sind. Dann wird die KI integriert, die in der Regel dort gut funktioniert, wo diese größeren Modelle versagen – typischerweise bei Vorhersagen auf einer Skala von weniger als 25 Kilometern, zum Beispiel bei Wolkenformationen oder regionalen Mikroklimata (zum Beispiel Nebel in San Francisco). „Hier setzen wir künstliche Intelligenz ganz gezielt ein, um die Fehler zu korrigieren, die sich auf kleinen Skalen summieren“, sagt Hoyer.
Das Ergebnis, so die Forscher, ist ein Modell, das mit weniger Rechenleistung schneller qualitativ hochwertige Vorhersagen liefert. NeuralGCM sei ebenso genau wie die ein- bis 15-tägigen Vorhersagen des Europäischen Zentrums für Mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF), das als Partnerorganisation an der Forschung beteiligt ist.
Blick auf Klimaveränderungen, die Jahre in der Zukunft liegen
Doch das eigentliche Versprechen dieser Technologie liegt nicht in besseren Wettervorhersagen für die eigene Region, sagt Aaron Hill, Assistenzprofessor an der School of Meteorology der University of Oklahoma, der nicht an der Forschung beteiligt war. Vielmehr geht es um großräumige Klimaereignisse, deren Modellierung mit herkömmlichen Techniken unerschwinglich ist. Die Möglichkeiten reichen von der genaueren Vorhersage tropischer Wirbelstürme bis hin zur Modellierung komplexerer Klimaveränderungen, die noch Jahre in der Zukunft liegen.
„Es ist sehr rechenintensiv, den Globus immer wieder oder über lange Zeiträume zu simulieren“, sagt Hill. Das bedeutet, dass die besten Klimamodelle an den hohen Kosten für die Rechenleistung scheitern – ein echter Engpass für die Forschung.
Training mit Wetterdaten von 40 Jahren
KI-basierte Modelle sind in der Tat kompakter. Nach dem Training, typischerweise mit 40 Jahren an historischen Wetterdaten des ECMWF, kann ein maschinell lernendes Modell wie Googles GraphCast mit weniger als 5.500 Zeilen Code auskommen, verglichen mit fast 377.000 Zeilen, die für das Modell der National Oceanic and Atmospheric Administration erforderlich sind, heißt es in dem Artikel.
NeuralGCM, so Hill, scheint ein starkes Argument dafür zu sein, dass KI für bestimmte Elemente der Wettermodellierung eingesetzt werden kann, um die Verfahren schneller zu machen, während die Stärken konventioneller Systeme erhalten bleiben.
„Wir müssen nicht alles über Bord werfen, was wir in den letzten 100 Jahren über die Funktionsweise der Atmosphäre gelernt haben“, sagt er. „Wir können dieses Wissen mit den Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens kombinieren.“ Hoyer sagt, dass das Modell für kurzfristige Wettervorhersagen nützlich war, um seine Vorhersagen zu validieren. Aber das Ziel sei es, es für längerfristige Modellierungen zu verwenden, insbesondere für extreme Wetterrisiken.
An der Schwierigkeit der Modelle für die besten Prognosen beißen sich auch andere Forscher:innen und Unternehmen die Zähne aus. Die Idee, auf datengetriebene Vorhersagen zu setzen, liegt nahe. Denn der Rechenaufwand für solche Modelle ist viel kleiner, sie kommen schneller zu Ergebnissen. Beispiele von Huawei mit Pangu-Weather, einem Modell namens NowcastNet und das neuronale Netz von Deepmind zeigen, wie weit die KI-Wettervorhersage ist. Technisch sind die drei Modelle also durchaus beeindruckend – wenngleich noch nicht der entscheidende Durchbruch der KI in der Wettervorhersage.
Nicht nur für Klimawissenschaftler:innen
NeuralGCM wird Open Source sein. Hoyer freut sich darauf, dass Klimawissenschaftler:innen das Modell für ihre Forschung nutzen werden, aber es könnte auch für andere von Interesse sein. Rohstoffhändler und Landwirtschaftsplaner zahlen viel Geld für hochauflösende Vorhersagen, und Modelle, die von Versicherungsunternehmen für Produkte wie Hochwasser- oder Extremwetterversicherungen verwendet werden, haben Schwierigkeiten, die Auswirkungen des Klimawandels zu berücksichtigen.
Während viele Skeptiker der künstlichen Intelligenz im Bereich der Wettervorhersage durch die jüngsten Entwicklungen überzeugt werden konnten, ist es laut Hill für die Forschungsgemeinschaft schwierig, mit dem hohen Tempo Schritt zu halten. „Es geht Schlag auf Schlag“, sagt er – alle paar Monate scheint ein neues Modell von Google, Nvidia oder Huawei auf den Markt zu kommen. Das macht es für die Forscher:innen schwierig, herauszufinden, welche der neuen Tools am nützlichsten sind, und sich entsprechend um Forschungsgelder zu bewerben. „Der Appetit [auf KI] ist da“, sagt Hill. „Aber ich glaube, viele von uns warten noch ab, was passiert.“