Navigation: Wie das GPS funktioniert und welche Schwachstellen es hat
Das Global Positioning System (GPS) ist eines von mehreren globalen Navigationssatellitensystemen (GNSS). (Foto: NicoElNino/Shutterstock)
Ende August wurde ein Flugzeug mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an Bord mutmaßlich von einer GPS-Störung getroffen. Das Flugzeug befand sich im Anflug auf den Flughafen Plowdiv in Rumänien und musste aufgrund der Störung rund eine Stunde länger in der Luft bleiben.
Der genaue Grund für die Störung ist noch immer nicht geklärt. Die Behörden in Bulgarien sprechen allerdings von einer „unverhohlenen Einmischung Russlands“, also von einem bewussten Angriff durch sogenannte GPS-Jammer. Ausgeschlossen ist das nicht. Zuletzt häuften sich die Berichte über GPS-Funklöcher, unter anderem in der Ostsee rund um die baltischen Staaten, am Schwarzen Meer und im östlichen Mittelmeer. Es gibt deshalb berechtigte Fragen, wie sicher und zuverlässig die satellitengestützte Navigation überhaupt noch ist – und welche Alternativen es denn gäbe.
So funktioniert GPS
Um das zu beantworten, muss man zunächst erklären, wie das Global Positioning System funktioniert. Obwohl der Name GPS im Volksmund stellvertretend für Satellitennavigation steht, handelt es sich dabei tatsächlich nur um eines von mehreren globalen Navigationssatellitensystemen (GNSS). Neben dem US-amerikanischen GPS gibt es noch das russische Glonass, das europäische System Galileo und das noch recht junge chinesische Beidou. Sie funktionieren ähnlich.
Jedes GNSS nutzt eine Kette an Satelliten – im Fall von GPS sind das aktuell 31 Stück – die in einer Höhe zwischen 18.000 und 20.000 Kilometer über der Erde kreisen. Sie senden kontinuierlich sowohl ihre Position als auch die Uhrzeit als codierte Radiosignale zur Erde, wo sie auf verschiedenste Empfänger treffen – von der Smartwatch hin zum Jumbojet. Die nehmen die Daten von mindestens vier Satelliten und berechnen anhand der Laufzeit der Radiowellen vom Satelliten zur Erde die Entfernung und letztlich die eigene Position.
Da das Radiosignal vergleichsweise schwach ist, reagiert es auf Einflüsse durch die Atmosphäre oder auf Signalreflektionen an der Erdoberfläche, was zu ungenauen Ergebnissen führen kann. Deshalb kommen zusätzliche Systeme wie EGNOS (EU) und WAAS (USA) zum Einsatz, die mithilfe von Bodenstationen und geostationären Satelliten in Höhe von 35.786 Kilometern die Genauigkeit eines GNSS-Signals verbessern.
Jamming und Spoofing: So wird das GPS-Signal gestört
Wenn von GPS-Störung die Rede ist, fallen meist zwei Begriffe: Jamming und Spoofing. Jamming ist häufiger. Hierbei wird das ursprüngliche Signal mit einem stärkeren Signal im gleichen Frequenzbereich übertönt. Bei leistungsfähigem militärischen Equipment können die Jamming-Sender hunderte Kilometer von einem betroffenen Gebiet entfernt stehen. Als Empfänger bemerkt man das recht schnell, da man schlicht kein GNSS-Signal mehr empfängt.
Anders sieht das beim Spoofing aus: Hier wird das tatsächliche Satellitensignal durch ein gefälschtes, stärkeres Signal in der gleichen Frequenz ausgetauscht. Es werden dem Empfänger also falsche Angaben vermittelt. Spoofing ist technisch anspruchsvoller und gefährlicher: Schätzt ein Pilot seine Position aufgrund eines gefälschten Signals nicht richtig ein, kann es zu Kursänderungen und Abstürzen kommen. Beim Spoofing gibt es verschiedene Ansätze, die von relativ breit gestreut bis auf ein bestimmtes Ziel fokussiert reichen.
Jamming und Spoofing sind mittlerweile bereits mit Equipment im Wert von niedrigen vierstelligen Beträgen möglich, auch wenn der Wirkungskreis dann beschränkt ist.
So häufig sind GPS-Störungen
In den vergangenen Jahren ist die Zahl der gezielten GPS-Störungen enorm gestiegen. Einer Untersuchung aus dem Jahr 2023 zufolge war allein zwischen Februar und August 2022 bei 70.000 Flügen die GPS-Navigation gestört – und das allein in drei untersuchten Zonen über Polen und dem Baltikum, über Südosteuropa sowie über dem östlichen Mittelmeer. Dem Weltfluglinienverband IATA zufolge haben die Störungen von 2021 bis 2024 um 220 Prozent zugenommen. Inzwischen gibt es auch Karten, die Satelliten-Funklöcher im Nachhinein anzeigen.
In Europa werden als Grund zumeist die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten angeführt: Sowohl Russland als auch Israel setzen GPS-Jammer ein. Offiziell heißt es, dass man damit gegnerische Drohnenangriffe verhindern möchte. Doch zumindest Russland wird vorgeworfen, GPS-Störungen als Teil seiner hybriden Kriegsführung einzusetzen, sowohl zur Abschreckung als auch als Provokation. Denn schließlich betreffen die Störsender nicht nur die Luftfahrt, sondern alle Menschen, die im Radius leben und für die dann kein Google Maps, kein Navi im Auto und keine Leihfahrräder und Scooter mehr funktionieren. Eine gewisse Orientierungslosigkeit und Frustration in der Bevölkerung ist gewollt.
Was man gegen GPS-Spoofing tun kann
Erleichtert wird Jamming und Spoofing durch die Tatsache, dass das gängigste zivile GPS-Signal, der C/A-Code (Coarse Acquisition) keinerlei Verschlüsselung und erweiterte Sicherheitsvorkehrungen hat, um die Authentizität der empfangenen Daten abzugleichen. Anders ist das beim P-Code (Precision) und vor allem dem neueren M-Code (Military), der allerdings nur militärischen Anwendungen zur Verfügung steht und moderne Empfänger benötigt.
Im Fall des europäischen GNSS-Systems Galileo dagegen gibt es seit Juli prinzipiell auch authentifizierte Signale für die Öffentlichkeit, genannt OSNMA (Open Service Navigation Message Authentication). Durch eine zusätzliche digitale Signatur im Signal sollen Empfänger die Gewissheit erhalten, dass die empfangene Information von Galileo selbst stammt und nicht verändert wurde. Solchen gesicherten Signalen wird großes Potenzial nachgesagt, aber bis sie flächendeckend eingesetzt werden, dürfte es dauern: Noch heute sind unzählige jahrzehntealte GPS-Empfänger im Einsatz, die mit den zusätzlichen Daten nichts anfangen können.
Ein zweiter Ansatz zielt darauf ab, möglichst zeitnah die Empfänger vor möglichen Spoofing-Angriffen zu warnen. Das von der Esa mitfinanzierte Projekt GIDAS (GNSS Interference Detection and Analysis System) etwa soll mithilfe von Bodenstationen laufend die wichtigsten Signalbänder von GNSS-Satelliten überwachen und bei Verdachtsfällen Alarm schlagen. Das System ist aber dann jeweils nur dort verfügbar, wo entsprechend viele Bodenstationen installiert sind.
Das gilt auch für die Navigationslösung Lido, die die Lufthansa gemeinsam mit dem Startup SkAI entwickelt. Hierbei werden nicht GNSS-Daten, sondern Flugdaten in Echtzeit hin auf Abweichungen analysiert, die durch GPS-Spoofing- und Jamming auftreten könnten. Im Gefahrenfall werden Piloten gewarnt und erhalten zusätzliche Anweisungen.
Ein dritter Ansatz besteht darin, zumindest in Flugzeugen, neue Richtungsantennen zu installieren, die nur Daten „von oben“, also von Satelliten empfangen. Da die Jammer fast ausschließlich am Boden sind, könnten sie die Antennen der Flugzeuge nicht erreichen. Doch eine solche Lösung erfordert langfristige Umrüstungen.
Das sind die Alternativen zu GPS
Einfach im Fall einer Störung auf ein anderes GNSS zu wechseln, ist keine Lösung. Denn häufig sind von gezielten Attacken auch andere Systeme betroffen. Die Frage ist deshalb, ob es auch gänzlich ohne Satellitennavigation ginge. Prinzipiell wäre das möglich.
Florian David, Leiter des DLR-Instituts für Kommunikation und Navigation, plädiert im Gespräch mit dem BR für eine Mischung aus verschiedenen Technologien, die sich gegenseitig ergänzen und redundant sind. Schon jetzt nutzen Pilotinnen und Piloten beim Ausfall der Satellitennavigation etwa das Trägheitsnavigationssystem (INS), das die Position des Flugzeugs aufgrund von Beschleunigungen und Drehraten ermittelt. Große internationale Flughäfen verfügen zudem über das bodengestützte Instrumentenlandesystem (ILS).
Am DLR forscht man zudem an GNSS-Alternativen – oder zumindest an Ergänzungen. Eine davon heißt Air-Mopsy und wird derzeit im Ostseeraum getestet. Statt Satelliten nutzt es das sogenannte Ranging-Mode-System (R-Mode). Bestehende Mittelwellensender emittieren eine Bodenwelle und eine Raumwelle. Dabei wird die Bodenwelle zur Distanzbestimmung zwischen Sender und Empfänger genutzt. Noch ist das System sehr anfällig für atmosphärische Störungen und erzielt noch nicht die gewünschte Genauigkeit.
Eine weitere Idee besteht darin, die Tausenden Satelliten im sogenannten Low Earth Orbit (Leo) in 200 bis 2.000 Kilometern Höhe zu nutzen. Sie haben eine niedrigere Umlaufbahn und dadurch weniger Verluste bei der Signalübertragung. In einem Experiment ist es bereits gelungen, mit dem Signal verschiedener Leo-Satelliten den Standort mit einer Genauigkeit von 6,5 Metern zu bestimmen.
Ein experimenteller Ansatz macht sich die Quantentechnologie zunutze. Forscher der australischen Firma Q-CTRL haben gezeigt, dass Quantensensoren winzige Veränderungen im Erdmagnetfeld erkennen können. Das Gerät vergleicht diese Schwankungen dann mit einer Karte des Erdmagnetfelds, um die Position des Fahrzeugs zu bestimmen. Sie entwickelten die Technologie als Backup für GPS. Auch das US-Militär forscht bereits in diese Richtung.