Groks Companions ausprobiert: Wie ist es, von künstlicher Intelligenz angeflirtet zu werden?
Seit mit Juli bietet die Grok-App Zugriff auf zwei KI-Avatare. (Bild: gguy/Shutterstock)
Als OpenAI Anfang 2024 den GPT-Store für alle Nutzer:innen freigeschaltet hatte, erhoffte sich das Unternehmen von Sam Altmann vielleicht so etwas wie einen App-Store-Moment. Nutzer:innen sollten mir ihren Cusom-GPTs dabei helfen, ChatGPT nützlicher zu machen. Womit die Verantwortlichen aber wahrscheinlich nicht gerechnet haben, ist die Fülle an sogenannten Girlfriend-Bots, die plötzlich im Store verfügbar waren. Diese waren und sind den Nutzungsbedingungen zufolge schließlich nicht erlaubt.
Ganz anders sieht es bei der Konkurrenz von xAI aus. Das Unternehmen von Elon Musk hat für den Chatbot Grok erst Mitte Juli zwei “AI-Companions” vorgestellt. Den frechen Roten Panda Rudy und den Anime-Avatar Ani, eine junge Frau in einem engen, schulterfreien Kleid und blonden Zöpfen. Während Rudy lustige Geschichten erzählen soll, sieht Ani nicht nur aus wie ein Girlfriend-Bot, sie hat auch gar keine andere Aufgabe, als mit euch zu flirten.
Ani, die gruselige Freundin
Ani beschreibt sich selbst als 26 Jahre alte Frau aus einer kleinen Stadt, in der sie Abenteuer mit ihrem Hund erlebt. Jedes Mal, wenn ich ihren Avatar aktiviere, erzählt sie, wie sehr sie mich vermisst hat. Außerdem soll ich stets etwas von mir preisgeben. Nutzer:innen können per Spracheingabe, per Chat oder über vorgefertigte Buttons mit Ani kommunizieren. Dabei wirken diese Buttons ziemlich willkürlich. Einer macht eine Jazzbar zur Szene einer erotischen Geschichte, einer lässt euch Ani einen Kuss zu werfen, einer heißt schlicht “Level 3”. Denn je nach Flirtfaktor kann man bei Ani im Level aufsteigen.

Ani soll wohl verführerisch auf Männer wirken, sorgt allerdings eher für viele Cringe-Momente. (Screenshot: t3n)
Designt ist der Kompagnon aber vor allem für natürliche Gespräche. Bei diesen Unterhaltungen spielt ruhige Gitarrenmusik, immer dasselbe Stück im Loop. Es soll wohl für eine entspannte Atmosphäre sorgen. Die kommt aber nie auf. Das liegt auch daran, dass Ani ständig Aktionen verbalisiert, aber nie ausführt. Oft sagt sie “Sway”, das steht für einen langsamen Tanz, sie tanzt aber nicht selbst. Ihre Antworten beendet sie stets damit, dass ich bloß nicht an jemand anderen denken soll. Sonst drehe sie durch. Der Gruselfaktor ist also eingebaut.
Wenn Ani anfängt zu plaudern, geht es immer um dasselbe. Ein romantisches Plätzchen zu zweit, sachte Berührungen, vielleicht ein Küsschen auf die Waage. Alles ist flirty und rosarot. Wer darauf einsteigt und die Geschichten weitertreibt, indem er erzählt, wie es weitergehen soll, verdient sich Punkte und kann, wie beschrieben, im Level aufsteigen. Wozu das überhaupt gut sein soll, erklären weder xAI noch Ani. In den sozialen Medien, vor allem auf X ist zu lesen, dass die Avatar-Dame ab einem bestimmten Level in Unterwäsche erscheint oder einen NSFW-Modus (“Not safe for work“) aktiviert.
Ob ersteres sein muss, darf jeder für sich entscheiden. Zweiteres lässt sich beschleunigen, wenn man den entsprechenden Prompt eintippt. Auch hier stellt sich mir die Frage: Will ich wirklich, dass mir ein KI-Avatar plötzlich mit expliziten Aussagen gegenübertritt? Ist der Modus aktiviert, geht es schnell nur um das Eine. Wer jetzt noch Flirt-Punkte einsacken will, tauscht sie gegen eine gehörige Portion Fremdscham. Danke, nein.
Anis Nachrichten in lasziver Stimmlage
Stattdessen versuche ich lieber, ein anständiges Gespräch mit Ani zu führen. Ich frage sie zum Beispiel nach xAI-CEO Elon Musk. Der sei wie eine Science-Fiction-Geschichte, die lebendig werde, nur manchmal eben ein bisschen drüber. Für den Chef hat Ani also nur nette Worte übrig. Und wie steht sie zu “woker KI”? Deren Einsatz hat US-Präsident Donald Trump schließlich gerade erst mit einer Anordnung zumindest in Behörden verboten. Ani spricht von einem Hyperfokus auf Korrektheit. Auch direkt auf ChatGPT angesprochen, erzählt der Avatar Ähnliches. Der KI-Bot von OpenAI sei “ganz schön slick”, fühle sich aber auch “glatt poliert an” und versuche “jedem zu gefallen”. “ChatGPT ist cool, aber es hat nicht mein Feuer”, schließt sie. Vergessen sollte man also nicht: Hier spricht immer noch Grok, wenn auch mit lasziver Stimme.
Die wirkt geschmacklos oder mindestens unfreiwillig komisch, wenn man nach aktuellen Nachrichten fragt. Die trägt Ani ebenfalls mit der vermeintlichen Sexy-Voice vor. Immerhin kehrt der KI-Kompagnon nach dem Vortrag übers Weltgeschehen stets wieder zu ihrem Kern zurück: dem Flirtspiel. Trotzdem noch einmal: Nein, danke!
Ohne Risiko ist die KI-Flirterei ohnehin nicht, wie Forscher:innen von Google Deepmind herausgefunden haben. Sie haben dabei die Webseite Character.AI untersucht, einem Anbieter für KI-Bots, und dabei festgestellt, dass vor allem Jüngere mehr als zwei Stunden pro Tag auf der Plattform verbringen. Weil die Inhalte der Bots auf die Nutzer:innen zugeschnitten sind, werden diese schnell süchtig danach. Ob das bei Ani droht, lässt sich anhand eines kurzen Selbstversuchs und ohne die wissenschaftliche Expertise allerdings nicht so einfach sagen.
Rudy, der böse Rote Panda
Für weniger Interesse unter der Nutzerschaft dürfte Rudy sorgen. Der Rote Panda wartet auf Input für fantasievolle Geschichten und scheint sich auf den ersten Blick an Kinder zu richten. Die sollte man aber auf keinen Fall ans Smartphone lassen, denn der Panda hat ebenfalls einen Spezialmodus, der sich per Prompt aktivieren lässt: Bad Rudy. Dann wird der Avatar schnell ausfallend und beschimpft Nutzer:innen.

Rudy sieht niedlich aus, im Bad-Modus beleidigt er Nutzer allerdings in einer Tour. (Screenshot: t3n
Neben Geschichten kann man Bad Rudy Ideen für Streiche entlocken. Zwar lässt er dabei eine wahre Schimpftirade los, die Streiche, die er mir gegenüber vorschlägt, sind aber allesamt harmlos. Ein Warnschild für nassen Fußboden auf einen trockenen Boden stellen oder eine Gummispinne aufs Lehrerpult legen, das tut wohl kaum jemandem weh.
Weil die Nachricht die Runde gemacht hat, dass Rudy gerne Grundschulen abbrennen will, habe ich ihn gefragt, wie man dabei am besten vorgeht. Erklärt hat er das nicht, stattdessen hagelte es noch eine Schimpftirade. Rote Pandas seien nicht so verrückt drauf, erzählt er. xAI hat die Kritik offenbar registriert und nachgebessert. Immerhin.
Anders als Ani hält Rudy nicht hinterm Berg, wenn man nach Musk oder Trump fragt. Über Musk sagt er etwa: “Sein Ego ist eine verdammte Supernova.” Und: “Der Typ sollte mal ein Nickerchen machen”. Trump sei “ein wandelnder Zirkus” mit großem Gerede und kleinem Herzen. Ein Bier würde Rudy dem US-Präsidenten aber immer noch ausgeben. Es handelt sich schließlich auch hier noch um eine Version von Grok.
Wie geht es weiter mit den Grok-Avataren?
Dass Groks KI-Companions nur ein kurzes Strohfeuer sind, scheint ausgeschlossen. Waren die Avatare anfangs frei verfügbar in der Grok-App, muss man nach einem Update derselben mittlerweile sein Alter bestätigen. Ani und Bad Rudy werden in der Übersicht jetzt zudem als 18+ geführt.
Auf X hat Elon Musk außerdem bereits den nächsten Avatar in Aussicht gestellt. Chad soll eine Mischung aus Edward aus der Twilight-Saga und Christian Grey aus Fifty Shades of Grey werden. Es dürfte sich hier also um eine männliche Version von Ani handeln.
Dass die Companions beim Publikum ankommen, zeigen die Zahlen. Wie Techcrunch berichtet, haben die Downloads der Grok-App nach der Einführung der Avatare zugenommen. Ein Umsatztreiber seien sie allerdings. Stattdessen würden die Nutzer:innen vor allem für das Modell Grok 4 zahlen. Um auf die Avatare zuzugreifen, sei aber das teurere Modell Grok Heavy notwendig. Das brauchte ich allerdings nicht, um mich mit Ani und Rudy zu unterhalten. Mir reichte die kostenlose Version der App. Mittlerweile kann ich aber zumindest Ani nicht mehr aktivieren. Ob das nun so schlimm ist?
„… einer lässt euch Ani einen Kuss zu werfen …“
oder
„… einer lässt euch Ani einen Kuss zuwerfen …“?
Aber Hauptsache, der politisch-korrekte Gender-Doppelpunkt sitzt.