Rechte Argumentationslinien und falsche Fakten: Die Probleme mit Elon Musks Grokipedia
Wer einmal auf einer Diskussionsseite eines viel besuchten Wikipedia-Artikels war, merkt eines direkt: Unter den ehrenamtlichen Editor:innen der Online-Enzyklopädie gibt es keine ideologische Gleichschaltung. In der Diskussion um die Behauptung, dass Donald Trump als einer der schlechtesten Präsidenten der USA eingestuft wird, mischen sich beispielsweise progressive und konservative Stimmen. Die persönliche Meinung wird in diesem Fall allerdings dem Community-Konsens untergeordnet. Trotzdem halten rechte Online-Akteur:innen die Plattform für „woke“, also zu links, liberal, progressiv und vor allem diskriminierend gegenüber konservativen und rechten Einstellungen.
Einer der schärfsten Kritiker von Wikipedia ist Elon Musk, der zum Beispiel Ende 2024 auf X dazu aufruft, Spenden an „Wokepedia“ einzustellen. Jetzt ist Musk vom Kritisieren ins Handeln gekommen. Ende Oktober veröffentlicht der Tech-Milliardär Grokipedia in der Version 0.1. Damit will Musk eine Alternative zu Wikipedia bieten. Was steckt hinter dem Projekt? Wie funktioniert es? Und welche Probleme bringt es mit sich?
Was ist Grokipedia?
Prinzipiell ist Grokipedia ein weiteres Online-Nachschlagewerk wie Wikipedia oder andere Wikis, die Wissen sammeln, aufbereiten und in kompakten Übersichtsartikeln präsentieren. Der größte Unterschied zur Online-Enzyklopädie der Wikimedia Foundation liegt darin, wie die Artikel in Grokipedia erstellt werden.
Denn alle Artikel sind von xAIs großem Sprachmodell Grok generiert. Auch für Faktenchecks ist Grok zuständig. Anders als bei Wikipedia basiert der gesamte Workflow also ausschließlich auf dem Output der KI-Blackbox von Elon Musk. Nach welchen Kriterien diese Faktenchecks durchgeführt werden, wissen im Zweifel nur die Projektverantwortlichen bei xAI und Musk selbst.
Ebenso ist unklar, nach welchen Kriterien wie Relevanz Grok die Artikel generiert. Einsichten in den Prozess gibt es auch hier keine. Laut Musk selbst sei das Ziel von Grokipedia und Grok, „die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit“ abzubilden. Eine Erklärung, was genau damit gemeint ist und wie sich das auf die Transparenz von Grokipedia auswirkt, fehlt.
Wie funktioniert Grokipedia?
Auf den ersten Blick wirkt Grokipedia wie ein weiterer KI-Chatbot. Statt einer Startseite mit einer Auswahl an Artikeln und einem Menü gibt es lediglich ein Eingabefeld, das wie eine Suchmaschine funktioniert. Gibt man dort beispielsweise Donald Trump ein, listet das Tool rund 10.000 Artikel auf. Die Ergebnisse zeigen nicht, in welcher Form Trump darin eine Rolle spielt.
Die Ähnlichkeiten zu KI-Tools wie ChatGPT zeigen sich auch nach dem Aufrufen eines Artikels. Neben einer Gliederung nach Oberpunkten präsentieren sich die Einträge als Fließtext mit Quellenangaben. Bilder und andere Multimediaeinbettungen fehlen, genau wie Querverweise zu anderen Grokipedia-Artikeln.
Stößt man auf Ungereimtheiten, Ungenauigkeiten oder tatsächliche Falschinformationen, lässt sich die entsprechende Passage markieren und eine Änderung vorschlagen. Aber: Auch diese Änderung wird nicht von einem oder mehreren Menschen überprüft, sondern von Grok. Was mit den vorgeschlagenen Änderungen passiert und welchen Prozess diese durchlaufen, ist maximal intransparent.
Welche Probleme hat Grokipedia?
Wo bei Wikipedia nach Plattformkonsens entschieden wird, was relevant ist und was wie präsentiert wird, liegt diese Entscheidung bei Grokipedia allein bei einem KI-Chatbot. Bei einer Stichprobe aus Artikeln über Donald Trump, den Rückgang der Geburtenrate in der weißen Bevölkerung, die Online-Hassbewegung Gamergate und Elon Musk selbst zeigt sich das an objektiv irrelevanten Informationen.
Musks Eintrag führt beispielsweise auf, dass er gerne Donuts isst, Limonade mit Süßstoff trinkt und welche Art von Sport er treibt. Der Artikel zu Barack Obama hingegen erwähnt, dass er nikotinsüchtig gewesen sei. Welche Relevanz sowohl die eine als auch die andere Information für ein Nachschlagewerk hat, ist mehr als fraglich.
Andere Informationen sind weniger irrelevant als schlicht falsch. Der Artikel zur sinkenden Geburtenrate, die Elon Musk laut Wall Street Journal mutmaßlich eigenhändig umkehren will, enthält Formulierungen wie „indigenous white population“. Damit verdreht Grokipedia aktiv Fakten. In den USA gelten nicht Weiße als indigen, sondern laut US Census Bureau „American Indian and Alaska Natives“, die 2020 rund drei Prozent der US-Bevölkerung ausmachten.
Diese und andere Einlassungen verstärken den Eindruck, dass auf Grokipedia eher interpretiert als belegt wird. Berichten wie denen von Wired zufolge finden sich rechte Argumentationslinien auch in anderen Artikeln, beispielsweise über Social Media und Pornografie.
Warum bleibt Grokipedia nicht objektiv?
Da unklar ist, ob und wenn ja, welche Rolle Menschen bei der Konzeption von Grokipedia gespielt haben, lassen sich derartige Auswüchse potenziell auf einen Trainings-Bias zurückführen. Ebenso könnten spezifische Anweisungen im System-Prompt, also der Vorgabe, wie sich ein Chatbot zu welchen Themen äußern kann und soll, verantwortlich sein.
Das hat schon bei Grok für Kontroversen gesorgt. Im vergangenen Juli hatte der Chatbot beispielsweise behauptet, die beste Person, um die Verbreitung „nicht-weißer Narrative“ einzudämmen, sei Adolf Hitler. Der Grund: Im System-Prompt war der Passus hinterlegt, dass sich der Chatbot auch politisch inkorrekt äußern soll.
Das passt zu Elon Musk, der seine persönlichen Ansichten in kontroversen bis offen rechten Statements und Memes kommuniziert. Da Grokipedia auf Grok basiert, scheint es nicht zu weit hergeholt, dass sich das auch auf die Gestaltung der Artikel von Grokipedia auswirkt.
Ein Versuch, eine konservative bis rechte Alternative zu Wikipedia zu schaffen, ist nicht neu. Schon 2006 gründete der Anwalt Andrew Schlafly das konservative Nachschlagewerk Conservapedia, das Verschwörungstheorien und ultrarechtes Gedankengut verbreitet. Erfolg hatte das Projekt nicht. Stand August 2025 umfasst Conservapedia rund 60.000 Artikel, die Anzahl aktiver User:innen ist zweistellig. Dank der kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Machtposition Musks dürfte Grokipedia zumindest länger auf der Bildfläche bleiben. Ob es in Zukunft eine ernst zu nehmende, objektive Alternative zu Wikipedia darstellen wird, darf allerdings ernsthaft bezweifelt werden.