Das Ersparte für sich arbeiten lassen und gleichzeitig nachhaltige und sozial verantwortliche Wirtschaft unterstützen – das ist das Versprechen „grüner Geldanlagen“. Doch leider lösen viele Anbieter, die mit Nachhaltigkeit und ethischen Investments werben, diesen Anspruch nicht ein.
Das Angebot von ESG-Investments (ESG steht für Environmental, Social, Governance – also Umwelt, Soziales, Unternehmensführung) hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Bislang sind laut dem Analysedienst Morningstar weltweit rund drei Billionen Dollar in ESG-gelabelte Fonds geflossen.
In Europa sind nachhaltige Fonds besonders beliebt: Rund 85 Prozent der ESG-Fonds werden hier gekauft. Etwas anders sieht es momentan in den USA aus, wo die Anbieter solcher Investments durch eine konservative Anti-ESG-Bewegung unter Druck gesetzt werden.
Falsche Nachhaltigkeitsversprechen
Doch nicht alles, was sich „grün“, „nachhaltig” oder „ESG“ nennt, entspricht auch wirklich den nachhaltigen Vorstellungen der Verbraucher:innen. Viele Fonds suggerieren zwar, bei ihrer Geldanlage unter anderem auf Nachhaltigkeitsaspekte zu achten, investieren aber auch weiterhin in Kohle oder Öl, wie Ende April Recherchen der niederländischen Plattformen Follow the Money und Investico gemeinsam mit neun europäischen Medienhäusern gezeigt haben.
Untersucht wurden 1.300 Fonds mit 300.000 Investitionen im Gesamtwert von 525 Milliarden Euro. Das Ergebnis: 40 Prozent der Investmentfonds, die sich selbst als nachhaltig bezeichnen, investieren in Unternehmen, die einen erheblichen Teil ihrer Einnahmen aus fossilen Brennstoffen erzielen.
Sie widersprechen damit recht klar der Vorstellung der europäischen Finanzaufsichtsbehörde Esma. Demnach sollten Fonds mit einem Umweltbegriff im Namen nicht in Unternehmen investieren, die mehr als ein Prozent ihrer Einnahmen aus Kohle und mehr als zehn Prozent ihrer Einnahmen aus Öl oder mehr als 50 Prozent ihrer Einnahmen aus Erdgas erzielen.
Kaum Sanktionen bei Greenwashing
Bislang haben sich vor allem Umweltorganisationen und Verbraucherschutzverbände gegen das Greenwashing von Finanzprodukten stark gemacht. So hat etwa die Verbraucherzentrale verschiedene Finanzdienstleister wegen irreführender Werbung abgemahnt.
Gegen den Fondsanbieter DWS wird bereits seit zwei Jahren wegen vermeintlichen Greenwashings ermittelt, laut dem Handelsblatt soll es allerdings bald zu einer Einigung mit der Staatsanwaltschaft kommen. Dann würde das Verfahren wohl gegen Zahlung einer Millionensumme eingestellt.
Sanktionen seitens der Aufsichtsbehörden müssten die Unternehmen dagegen bislang eher selten fürchten – doch das soll sich ändern. Denn auch die Finanzaufseher der Europäischen Union (EU) machen sich Sorgen, massives Greenwashing im Finanzsektor könnte echte Bemühungen zur Finanzierung des nachhaltigen Wandels untergraben und das Vertrauen der Verbraucher:innen in die entsprechenden Finanzprodukte erschüttern.
Die drei Aufsichtsbehörden Eba, Esma und Eiopa haben sich daher genauer angeschaut, wie weit das Greenwashing im Finanzsektor verbreitet ist. Die drei Regulierer verzeichnen eine steigende Zahl von Greenwashing-Fällen. Allein die EU-Bankenaufsicht Eba verzeichnete eine deutliche Zunahme dieses Trends in allen Sektoren, auch bei den EU-Banken. Die Gesamtzahl der mutmaßlichen Fälle sei im Jahr 2023 um 26,1 Prozent im Vergleich zu 2022 gestiegen.
Trotzdem gibt es bisher nur wenige Strafmaßnahmen. Ein Grund dafür: Die zuständigen nationalen Behörden haben bisher zu wenig Ressourcen, um ihre Befugnisse zu nutzen, so die Esma.
Neue Standards durchsetzen
Die EU-Aufseher:innen nehmen Banken, Versicher:innen und andere Finanzmarktakteur:innen jetzt aber stärker in die Verantwortung. Sie sollen Nachhaltigkeitsinformationen bereitstellen, die „fair, klar und nicht irreführend sind“. Die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) verlangt von Finanzunternehmen und Berater:innen, klar und verständlich zu kommunizieren, welche ESG-Faktoren sie in ihre Investitionsentscheidungen und -beratung einbeziehen.
Die Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) im Euroraum ist zuletzt auch gegen mehrere Banken wegen unzureichenden Umgangs mit Umwelt- und Klimarisiken vorgegangen. Sie müssen nun mit einer Geldstrafe rechnen.
Im Mai hat die Esma zudem neue Richtlinien gegen irreführende Fondsnamen vorgelegt. Sie soll Fonds daran hindern, einen nachhaltigen Begriff im Namen zu tragen, obwohl sie weiterhin in fossile Brennstoffe investieren. Allerdings greifen die neuen Regeln wohl erst im kommenden Jahr.
Grüner Anstrich gelingt leicht
Wie leicht es bislang für Unternehmen war, mit einem „grünen“ Namen zumindest kurzfristig einen positiven Effekt zu erzielen, zeigt eine Analyse des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung Safe. Demnach reicht es schon, den Namen des Unternehmens mit entsprechenden „grünen“ Schlüsselbegriffen zu ergänzen, um als nachhaltig wahrgenommen zu werden.
Die Forscher:innen analysierten die Formulare von Unternehmen, die diese nach der Namensänderung bei der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC eingereicht hatten. Viele dieser Namensänderungen könnten demnach als eine neue Form von Greenwashing interpretiert werden.
Unternehmen, die ihren Namen Wörter wie „Green“, „Environment“, „Clean“, „Water“ oder „Solar“ hinzufügten, waren demnach auf dem Aktienmarkt besonders erfolgreich. Sie verzeichneten Renditen von etwa 15 Prozent im Zeitraum eines Tages nach Ankündigung des Namenswechsels. Der Effekt war sogar noch größer, wenn das Unternehmen zuvor keine nennenswerten Umweltaktivitäten entwickelt hatte. Anleger:innen sollten also skeptisch werden, wenn Unternehmen eine Namensänderung mit Nachhaltigkeitsbezug ankündigen.
Der positive Effekt des grünen Anstrichs kann sich allerdings auch schnell umdrehen: Passen die Firmen ihr Handeln nicht an die grünen Erwartungen an, drohen laut den Safe-Forscher:innen negative Effekte und Vertrauensverlust.
Die EU-Kommission hat den Tricksereien mit falschen Nachhaltigkeitsversprechen grundsätzlich den Kampf angesagt. Bereits im März 2023 hat sie einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, der von Unternehmen Mindeststandards bei Angaben zur Klimafreundlichkeit oder Nachhaltigkeit von Produkten fordert. Die Green-Claims-Richtlinie soll Vorgaben für explizite Umweltaussagen festschreiben.